Patrator und Miss Gilmore

Liebe Leser,

ich hatte die große Ehre @MissGilmore und @Partrator mit meinen Fragen auf die Pelle zu rücken. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen – lest selbst:

Cat: War für euch von Anfang an klar, dass ihr Ausleben des Machtgefälles auf die Zeit außerhalb des Spiels ausdehnen möchtet?

MissGilmore: Puh, also bevor ich Patrator kennenlernte war das für mich tatsächlich undenkbar. Aber bereits zu Beginn des sich anbahnenden Machtgefälles war es meist so, dass es bei uns keine Unterscheidung zwischen „Spiel/Session“ und „Sonstigem“ gab…. Das Machtgefälle war eigentlich von Anfang an immer da, nur war mir das lange Zeit gar nicht bewusst. Irgendwann in einem gemeinsamen Gespräch, wies er mich darauf hin „Du klingt schon arg nach 24/7“. Da war ich erstmal baff, hatte einiges zu verdauen und zu verarbeiten und musste darüber nachdenken, was ich möchte, brauche und wie ich das ausleben mag. Aber es hat sich einfach recht schnell dargestellt, dass das Machtgefälle, auch wenn es anfangs noch nicht so viele Bereiche umfasst hat wie heute, immer Bestand hatte und auch immer irgendwo oder irgendwie präsent war. Er hat von Beginn an klargestellt, dass er, wenn er es möchte, das Machtgefälle eben abrufen kann, ohne dies aber ausdrücklich zu verlangen. Es war einfach so, es hat gepasst, sich richtig angefühlt und somit sich schleichend dahin entwickelt…. Von Anfang an klar war es mir nicht, aber von Anfang an da, war es eben durchaus ;) Und um dabei mit dieser für mich neuen Situation klarzukommen, hat er mir unglaublich geholfen, sodass ich schnell wusste jemanden an meiner Seite zu haben, auf den ich mich verlassen kann, dem ich vertrauen kann.

Patrator: Also in einer Ad-Hoc-Antwort würde ich ganz klar „Jein.“ sagen. Da ich aber mehr Zeit habe, würde ich das Jein natürlich so nicht stehen lassen. Ich habe im Bereich DS einige Erfahrungen aus anderen Beziehungen und Bekanntschaften bereits vorab gehabt. Dementsprechend wusste ich durchaus, was ich in meinem Kopf mag, bzw. dass mein Kopf grundsätzlich schon die eine oder andere Vorstellung, bzw. „Rahmenbedingung“ gesetzt hat, die er in einer solchen Beziehung vom Partner verlangt. – Okay, das war jetzt eher kompliziert ausgedrückt. Ich probiere es mal einfacher: In vorherigen Erfahrungen habe ich bereits erlebt, dass man auch außerhalb des Schlafzimmers Einfluss auf den anderen nehmen kann. Dementsprechend ist die Grenze „Schlafzimmer“ für mich schon immer ein starres Konstrukt gewesen, was mir wenig bis gar nicht zugesagt hat, ich aber immer respektiert habe, wenn es dem anderen Menschen wichtig war. Von daher würde ich sagen, dass es für mich schon immer klar war, dass ich immer auf ein ausgedehntes Machtgefälle hinarbeiten würde und ein nur sehr eingeschränktes dauerhaft nicht ausreichen würde. Was MissGilmore angeht, würde ich eher sagen, dass sie es weniger als ich abgesehen hat. Wobei ich auch ehrlich hinzufügen muss, dass die Antwort auf die zweite Frage, den Umstand mehr erklären wird.



Cat: Wie hat sich das Ausleben von 24/7 bei euch entwickelt?

MissGilmore: Nun, wie bereits zuvor erwähnt, war mir anfangs gar nicht bewusst, dass das, was ich möchte, und das, was wir bereits hatten, schon 24/7 war. Nachdem er mich darauf aufmerksam gemacht hatte, haben wir uns dann einige Male auch bewusst darüber unterhalten. Es war recht schnell klar, dass wir das Machtgefälle eigentlich dauerhaft wollten. Damals war es noch eine Spielbeziehung, dementsprechend waren mehr Bereiche als jetzt ausgeklammert. Aber das war generell ein schleichender Prozess des Bewusstwerdens, der sich durch viele Gespräche weiterentwickelt hat. Wir haben mehr Regeln eingeführt, haben mehr miteinander geschrieben, später auch noch mehr telefoniert und irgendwann war es ganz klar, dass sobald er das Machtgefälle abrufen möchte, er dies auch jederzeit kann. Er kann jederzeit verlangen, dass ich seine Position respektiere und mich dementsprechend verhalte. Ich vertraue ihm mittlerweile so sehr, dass ich weiß, er würde dies nicht missbrauchen und nicht in Momenten nutzen, in denen ich es nicht vertragen kann. Umgekehrt weiß er, dass ich es nicht ausnutze mich rauszureden, sondern ihm folge, wann immer es mir möglich ist.

Also von Kleinigkeiten wie z.B. vorgeschriebener Kleidung, über Rituale am Morgen bis hin zu einem dauerhaften Machtgefälle und teilweise recht umfassender Dokumentation in gewissen Bereichen hat sich das schleichend aber stetig wunderschön weiterentwickelt.

Denn von Beginn an, hätte ich mir das nie vorstellen können und dachte immer, dass ich niemals jemandem so umfassend Einfluss über mich geben würde. Doch mit wachsendem Vertrauen, mit sich entwickelnder Beziehung ist aus Sympathie und Zuneigung Liebe, aus Neugier bedingungsloses Vertrauen und aus kleinen Regeln eben ein dauerhaftes Machtgefälle geworden, welches nur wenige Bereiche ausklammert. Dies hatte durchaus auch einfach damit zu tun, dass aus einer anfänglichen Spielbeziehung, schnell eine Liebesbeziehung geworden ist, in der das Machtgefälle eben einfach dazugehört, ohne jedoch das Wichtigste zu sein.

Im Nachhinein betrachtet, war das dauerhafte Machtgefälle fast von Beginn an da, nur eben schwächer ausgeprägt und mir lange als solches gar nicht bewusst. Im Laufe der Zeit und der Beziehung, haben wir ihm einfach (teilweise auch unbewusst) mehr Raum eingeräumt und es wachsen lassen.

Und ich bin jeden Tag dankbar dafür, wie es sich entwickelt hat.

Patrator: Ganz ehrlich, selbst wenn es nun komisch klingen mag, aber es war mehr oder minder plötzlich da. Es kam aus dem Nichts.

Hier muss ich natürlich auch ein wenig mehr zu den Umständen erklären. Wir haben uns zwar im Januar/Februar über das Forum kennengelernt, waren aber jeweils nicht auf der Suche. Im Gegenteil, wir hatten zunächst durch eine WhatsApp-Gruppe und erst im März durch das News Team mehr miteinander zu tun. Bedingt durch das News Team haben wir uns auch nur auf inhaltlicher Ebene ausgetauscht, auf persönlicher Ebene kam das erst Monate später.

Dann erst haben wir uns über gewisse Vorstellungen ausgetauscht, Gemeinsamkeiten entdeckt und ganz normal weiter darüber geredet. Irgendwann stellten wir dann fest, dass wir eine gewisse „Kompatibilität“ nicht von der Hand weisen konnten. (Wie man sieht, „Mr. Nüchtern“ ist vom Schreibstil her mal wieder voll dabei…) Und dann kam das irgendwie schleichend. Sie war halt frech, wie sie es nun mal zu jedem ist, und mich hat es irgendwie getriggert. Und meine Gegenreaktion, die mehr aus der Intuition, bzw. unbewusst kam, landete auf fruchtbaren Boden. Es passte von Anfang an. Keine Ahnung warum, aber daraus und aus einem Gespräch über Möglichkeiten, wie man DS auch auf Entfernung ausleben kann, bzw. was man sich unter DS vorstellt, kam dann die eine oder andere Idee meinerseits, die bei ihr Anklang fand und wir merkten, das passte.

Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber es kam dann etwa Anfang Juli zu einer Art Wette, bzw. zu einem Ratespiel, welches sie nur kaum hätte gewinnen können. – Tja, ich war noch nie ein fairer Mensch, wenn diese Seite an mir von jemand anderem erst einmal geweckt wurde. Der Wetteinsatz war nichts schlimmes, aber halt etwas, was sie nicht mochte. Ich habe erwartungsgemäß gewonnen, sie musste es machen und setzte auch meine Aufgabe pflichtbewusst um. – Wettschulden sind nun mal Ehrenschulden. – Das war so eins der ersten Sachen, die kamen, und in denen eigentlich noch völlig unbewusst eine Abhängigkeit, bzw. ein Machtgefälle entstand. Nach einem Stammtisch Anfang Juli in Frankfurt, wo wir uns dann zum ersten Mal real sahen, entwickelte sich das nötige Vertrauen und auch die Entscheidung, dass wir eine Spielbeziehung haben, bzw. diese Entwicklung für uns in Ordnung sei. Erste Regeln entstanden, die auch bereits fertig ausformuliert für beide jederzeit einsehbar existierten. Zwei Wochen später sprachen wir über weitere Vorstellungen bezüglich BDSM. Und mir fiel sofort eines auf, was mich direkt ansprach. Das, was sie sich hier und da so gedanklich als interessant vorstellte, war durchaus auf ein 24/7-Verhältnis übertragbar. Drum meinte ich dann direkt im Gespräch zu ihr, dass sie doch sehr stark nach 24/7 von ihren Wünschen her klingen würde. Sie war…, um ehrlich zu sein, … geschockt. Und das nicht nur ein bisschen. Sie stritt es ab, bzw. wimmelte mich ab und hatte sogar Angst, dass ich sie als krank ansehen würde, weil sie solche Gedanken hatte. Aber im Gegenteil, ich war nun besonders interessiert. Am nächsten Tag im Chat kamen wir wieder auf das Thema. Sie sprach mich nun darauf an und fragte, warum ich glaubte, dass sie sich sehr wahrscheinlich bei 24/7 wiederfinden könnte. Ich habe ihr daraufhin ihre Aussagen vom vorherigen Abend zusammengefasst, anschließend hinzugefügt, dass sie in den letzten drei Wochen bereits all meine Regeln ohne auch nur einen Ausreißer erfüllt hatte und was sie sich noch so alles wünschte und so weiter. Sie kam ins Grübeln, da sie 24/7 nun mal sehr stark mit TPE verbunden hatte und somit ein ganz anderes Bild im Kopf hatte, was ihr überhaupt nicht zusagte.

Ich habe sie dahingehend erst einmal beruhigt und meinte dann so schön, dass „24/7 nun mal kein geschützter Begriff“ sei und man dementsprechend seine eigene Definition (er)finden kann. Sie war trotzdem sehr unsicher. Wir unterhielten uns die Tage weiter, sprachen darüber, was wir uns jeweils unter einer DS-geprägten Beziehung vorstellen würden. Dennoch war sie immer noch sehr unsicher mit der Begrifflichkeit, weshalb ich sie dann an eine aktive TPElerin verwies, mit der sie über die Thematik in Ruhe unter sich reden solle. Mein Ziel war es, dass sie von ihr klare Abgrenzungen von TPE zu 24/7 bekommt, bzw. auch den Eindruck gewinnt, dass 24/7 damit eher wenig zu tun hat. Dieses Gespräch hatte ihr dann sehr geholfen, sodass sie sich dann mit der Begrifflichkeit „24/7“ anfreunden konnte.

Joar… so sind wir dann nach und nach fließend in ein solches Verhältnis übergegangen, bzw. eigentlich bereits direkt darin gestartet.


Cat: Ihr beide führt eine Fernbeziehung, wie gestaltet sich für euch das dauerhafte Machtgefälle?

MissGilmore: Oha, schwierig ohne nun zu detailliert zu werden :D

Nun grundsätzlich zeigt sich das Machtgefälle darin, dass er es jederzeit abrufen kann…sei es am Telefon, schriftlich, etc.; eben immer dann, wenn ihm gerade danach ist oder wenn er mich für mein hin und wieder loses Mundwerk sanktioniert. (Ich würde ja nun gerne entgegnen, das lose Mundwerk hat er sich so ausgesucht, aber das Argument wird nicht ziehen :D )

Es gibt aber auch Dinge die sich täglich wiederholen. Z.B. was ich nachts zu tragen habe, was ich daheim trage (und nein, das ist nicht das, was die Meisten nun erwarten würden :D – ich kann durchaus ohne ins Schwitzen zu geraten dem Postboten die Tür öffnen) oder eben, dass ich gewisse Dinge dokumentiere und ihm täglich schicken muss. Für wiederum andere Dinge muss ich ihn fragen, denn manch einen Bereich meines Lebens habe ich ganz in seine Hände gelegt, (na gut, Butter bei die Fische….) wie beispielsweise meine Sexualität. Darüber bestimme ich nicht mehr selbst, was damals tatsächlich ein unglaublich großer Schritt war. Ich frage ihn um Erlaubnis, aber er darf in dem Bereich auch vieles einfach so, nicht nur als Strafe, verlangen.

Ich habe schon sehr lange ein recht festes Regelwerk, das in unregelmäßigen Abständen wächst und sich verändert und welches ebenso dafür sorgt, dass ich bereits von Grund auf ihm täglich gewisse Dinge mitteilen muss, Listen führen muss und das Machtgefälle dadurch für mich immer präsent ist.

Und ansonsten sind wir glaube ich ein ganz normales Paar, dass sich vermisst, Sehnsucht hat und dementsprechend viel und intensiv schreibt und telefoniert und daher ist auch da das Machtgefälle eben präsent und das sind häufig Kleinigkeiten… um nur ein Beispiel zu nennen, würde ich am Telefon nie entscheiden, dass das Gespräch nun beendet ist, sondern frage, ob ich nun dies oder jenes tun gehen kann – dies hat er nie verlangt, es hat sich einfach so ergeben.

Das Machtgefälle ist eben einfach immer da und dennoch können wir vieles auf Augenhöhe besprechen, weil ihm eben auch wichtig ist, dass ich nicht nur „seine Sub“ bin, sondern auch seine Partnerin.

Die Kommunikation und die vielen Gespräche tun ihr übriges, mit der Distanz umzugehen und täglich die Entfernung aufs Neue zu meistern. Ich bin dankbar, dass wir jeden Tag dafür kämpfen, die Entfernung zu überbrücken. Das Machtgefälle gehört da nun einmal einfach dazu, an manchen Tagen auch auf die Distanz eben mal schwächer ausgeprägt, aber manches mal eben trotz Entfernung auch sehr deutlich und das ist einfach toll. Wir reden über alles und er spürt einfach, trotz 400 km zwischen uns, wann ich vertragen kann, dass das Machtgefälle deutlich spürbar ist und an welchen Tagen ich einfach nur seine Stimme brauche, ohne auf die Regeln zu pochen.

Patrator: Ganz wichtig ist in erster Linie die Kommunikation. Da sowohl sie als auch ich sehr gerne, viel und auch intensiv reden, war dies nie ein großes Problem. Darüber hinaus hat sie von Anfang an ganz klare Regeln bekommen, die sie täglich zu erfüllen hat. Diese kontrolliere ich auch strikt, weshalb allein der Regeln wegen eine tägliche Kommunikation stattfinden muss. Da aber wir beide schneller als man das Wort „Spielbeziehung“ buchstabieren kann gemerkt haben, dass wir uns nicht nur im Bereich BDSM sehr gut verstehen und schätzen, wurde ganz schnell das Wort „Spiel-“ durch „Liebes-“ ersetzt und dementsprechend war die Kommunikation ein leichtes.

Die Entfernung ist natürlich nicht unbedingt einfach, sie lässt sich zwar digital durchaus meistern, aber sie bleibt eine tägliche Herausforderung für uns. Besonders in Phasen, wo wir beide sehr gestresst sind und wenig Zeit haben. Ich arbeite im Schichtbetrieb mit einer 48-, bzw. 60-Stundenwoche mit Tag- und Nachtschicht, sowie Sonn- und Feiertagsdienst. Sie wiederum derzeit überwiegend im Frühdienst, sodass wir manchmal sehr gegenläufig arbeiten und dann teilweise nur sehr eng getaktet eine ausgewogene Kommunikation aufrechterhalten können. Und ich finde, dass die klaren Regeln dabei sehr helfen können. Immer, wenn sie eine ihrer täglichen Aufgaben erfüllt, muss sie nun mal zwangsläufig an mich denken. Und sei es nur, dass sie mich auf den Mond schießen möchte, weil ich so pingelig, nervige Aufgaben von ihr verlange. - Aber, sie muss an mich denken. Und genauso geht es mir, wenn ich von ihr informiert werde oder bei der Arbeit auf die Uhr schaue und daran denke, dass sie in zehn Minuten ihre nächste Aufgabe erfüllen muss.

Wir telefonieren sehr oft und viel. Für uns beide ist wichtig, dass das Machtgefälle jederzeit abrufbar ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nun mal auch immer spürbar sein muss. Wenn mir danach ist, dann nutze ich es auch. Und dann ist es mir egal, ob es gerade für sie sehr passend ist oder nicht. Ich überrasche da gerne. Besonders am Telefon hat das für mich einen besonderen Reiz, denn im Chat kann sie nun mal einen Moment mit der Antwort warten. Beim Telefonat wiederum nicht und dann verrät sich durch die Art des Schweigens, der Stimmlage, der Antwort an sich oder auch durch die Atmung, wie mein Gedanke gerade bei ihr angekommen ist. Und das macht mir dann besonders Freude. Und wenn man dann als Reaktion raushören kann, dass sie es tut, obwohl sie es nicht mag, aber ihr meine Stimmlage, bzw. mein Durchsetzungsvermögen keine andere Wahl lässt, das ist ein unheimlich tolles Gefühl. Und ich muss auch sagen, dass ich noch nie so ein liebevolles „Ich hasse dich gerade so sehr.“ gehört habe.

Wir beide vertrauen uns bedingungslos, kennen uns mittlerweile sehr gut und wissen, wie weit wir gehen können. Aber dennoch muss ich beim Ausleben des Machtgefälles auf die Entfernung besonders aufpassen. Ich merke zwar sofort, wenn es ihr nicht gut geht oder etwas zu weit zu gehen droht, aber ich, bzw. wir müssen uns immer im Klaren sein, dass wir nun mal über 400 km voneinander entfernt sind. Ich kann also nicht zu ihr rasen, wenn sie nun ganz dringend meine Umarmung braucht. Dementsprechend achte ich sehr darauf, dass Neues nur bei direkten Treffen oder nur ganz langsam ausprobiert wird.

Aber manchmal muss man auch sehr große Rücksicht aufeinander nehmen. Nicht immer passt es zeitlich, sodass es manchmal sehr stressig ist, da wir uns teilweise nur zwischen Tür und Angel unterhalten können, da meine und ihre Arbeitszeiten gegenläufig sein können, wenn alle Zeichen ungünstig stehen. – Das Leben zweier Schichtdienstmenschen… Aber auch das bekommen wir gemeistert, jedoch ist besonders in solchen Phasen unsere Beziehung zentraler Standpunkt, sodass die Regeln zwar immer noch gelten und auch noch einen hohen Stellenwert genießen, aber nicht mehr haargenau kontrolliert und umgesetzt werden. Unser jeweiliges Seelenheil ist oberste Priorität und wenn dann in zeitlich engen Situationen die Regeln zugunsten der Nähe und der Kommunikation in den Hintergrund treten, dann ist das für uns richtig und gut. Natürlich sind wir beide froh, wenn beides möglich ist, aber dennoch steht für mich unsere Beziehung an erster Position und erst danach das Machtgefälle.


Cat: In wie weit nimmt 24/7 Einfluss auf euren Alltag, eure Freunde und das soziale Leben?


MissGilmore:
Auf meinen Alltag - durchaus sehr. Ich muss zum Beispiel einiges dokumentieren, ihm hin und wieder ein Foto schicken (nein ihr bösen Hirne, keine Nacktbilder – was ihr immer denkt), gewisse Kleidung tragen oder eben auch gerade nicht und ihm einiges mitteilen oder ihn für manches fragen. Daher kostet es mich natürlich im Alltag täglich Zeit, die ich meist mit einplane. Ansonsten macht es meinen Alltag nicht schwerer, denn ich habe jemanden an meiner Seite, den es interessiert was in meinem Leben und an meinem Tag passiert. Er verlangt dies nicht aus Willkür, sondern weil er es wissen möchte und ich ihm wichtig bin. Dementsprechend bekommt er sehr viel von meinem Alltag mit und wir kommunizieren sehr viel. Und ich denke eben sehr viel an ihn und an uns und das, was wir uns geschaffen haben.

Auf Freunde und mein soziales Leben – hat das Machtgefälle keine Auswirkung. Ich würde mal behaupten würden einige meiner Freunde nicht Bescheid wissen, würden sie es gar nicht bemerken. Ich bin ich, ich habe mich nicht verändert, außer dass ich glücklicher bin und wenn ich mal freie Wochenenden habe, diese eben gerne mit ihm verbringe. Aber das ist einfach der Beziehung und nicht dem Machtgefälle geschuldet.

Mein soziales Leben hat sich durch BDSM aber auch ein wenig verändert und manche Freunde sucht man sich eben auch im entsprechenden Umfeld. Ich gehe häufiger auf Stammtische oder treffe Menschen (die mittlerweile Freunde geworden sind) aus dem Forum, aber das hat nichts mit dem 24/7 Machtgefälle zu tun, sondern einfach damit, dass ich mein BDSM akzeptiere und es mittlerweile einfach zu mir gehört.

Patrator: Über Freunde, Unternehmungen etc. bestimme ich nicht. In diesen Bereich mische ich mich nicht, bzw. nur sehr ungern ein. Ich weiß, wen sie trifft, was sie abends unternimmt oder ob sie irgendwo hingeht. Aber direkten Einfluss darauf nehme ich in aller Regel nicht. Lediglich wenn ich mal den Eindruck habe, dass sie sich zu viel in den Kopf setzt, mische ich mich mal ein. Wenn sie zum Beispiel krank ist, bzw. sich noch auskuriert, dann nehme ich mir das Recht, ihr da Vorgaben zu machen, ob sie noch wohin geht oder irgendwas zu Hause macht. Sie weiß, dass ich das aus Sorgfalt mache und sie auch mit mir über solche Entscheidungen diskutieren kann. Ich bin immer offen für Verhandlungen und Lösungen. Und genau deshalb ist das für beide Seiten soweit in Ordnung. Genauso weiß sie auch, was ich in aller Regel so treibe, ob und wo ich abends unterwegs bin. – Aber das sollte meiner Meinung nach in einer auf Vertrauen basierenden Beziehung auch kein Problem darstellen, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

In anderen Bereichen mische ich ganz klar mit. Dort hat sie ihre festen Regeln. Sie darf beispielsweise ausschließlich bestimmte Kleidung tragen, abhängig davon, ob sie zu Hause oder unterwegs ist. Die Regeln müssen halt auch nicht immer als Schikane zu verstehen sein. Je nach Lebenssituation kann man auch „praktische“ Regeln einführen. – Was ich damit meine? Wer kennt das nicht, der Arzt sagt einem, man solle doch genug trinken und essen. Das einzuhalten fällt nun mal schwer. Wenn aber nun der andere das haargenau kontrolliert, dann hat das wiederum für einen selbst eine andere Komponente. Und wenn man nicht nur einen schiefen Blick erntet, weil man das Tagesziel nicht erreicht hat, dann hat man auch einen ganz anderen Antrieb sich daran zu halten.


Cat: In wie weit greift das dauerhafte Machtgefälle in euren berufliches Alltag?

MissGilmore: Eigentlich bei mir kaum. Ich nehme an bei ihm, wenn er mich kontrollieren muss/mag, schon eher :D

Meine Arbeit und mein Studium sind eigentlich von seinem Machtbereich ausgenommen. Nichtsdestotrotz muss ich manchmal ein wenig früher aufstehen um davor noch Zeit zu haben ihm ein Foto zu schicken oder etwas mitzuteilen. Und natürlich liebt er es mich auch auf der Arbeit zu triggern oder zu ärgern. Und sofern ich tatsächlich zu frech bin oder Regeln missachte, hat er die Möglichkeit Strafen auch dahin auszudehnen. Ich erinnere mich da an einen anstrengenden Arbeitstag z.B. mit Liebeskugeln. Oder aber auch mal eine kurze Zwangspause beim Lernen, weil ich anderes zu tun hatte. Das habe ich mir dann aber meist auch selbst zuzuschreiben.

Meine Entscheidungen, was Beruf oder Studium angeht, treffe ich aber alleine und eigenverantwortlich. Ich schätze seinen Rat und seine Meinung und frage ihn auch häufig nach seiner Ansicht, weil er eben auch fernab von BDSM ein wichtiger Teil meines Lebens ist. Aber das Machtgefälle beeinflusst meine Entscheidungen da nicht.

Patrator: Eigentlich kaum bis gar nicht. Zu aller erst ist MissGilmore und vor allem mir ihr Auftreten im Alltag wichtig. Das bedeutet, dass wir beide möchten, dass sie sich immer wohlfühlt, wenn sie unterwegs ist und keine meiner Regeln sie im beruflichen Alltag einschränken oder auch nur anders belasten können. Natürlich kann es passieren, dass eine der Regeln auch außerhalb des Hauses gilt, jedoch hat sie bei mir immer das Recht mich zu fragen, ob eine bestimmte Regel aufgrund besonderer Umstände für den Moment ausgesetzt werden kann. Und in aller Regel würde ich ihrem Wunsch auch immer stattgeben, da ich weiß, dass es ihr nicht um Bequemlichkeit geht.


Cat: Habt ihr bestimmte Rituale oder ähnliches?

MissGilmore: Ich hätte es jetzt nicht als Ritual bezeichnet, aber ja….

Selbstverständlich und schon immer, ohne dass wir darüber gesprochen hätten, gehören die ersten Nachrichten am Morgen und meist die letzten Nachrichten am Abend dem jeweils anderen.

Aber es gibt natürlich auch klare Regeln. Ob man diese jetzt als Rituale bezeichnen kann, weiß ich nicht, aber sie kommen dem nun mal am Nächsten. Es gibt, bereits seit Beginn an ein festes Regelwerk, welches sich mit uns und unserer Beziehung mitentwickelt und ausgeweitet hat. Dort sind Regelungen zu meiner Kleidung, aber eben auch zu meiner sexuellen Selbstbestimmung enthalten. Auch protokolliere ich z.B. meine Ernährung über den Tag hinweg. (Nein, nicht weil ich nicht zunehmen soll :P So oberflächlich ist er nun wirklich nicht – es hat medizinische Gründe)

Aber ganz wichtig finde ich, dass wir über diese Regeln gemeinsam entschieden haben. Er hat nie gesagt „du musst“ oder „du sollst….“, sondern hat gefragt, was ich mir vorstellen könnte und meine Empfindungen dabei sind ihm wichtig. Ich weiß, wenn ich etwas nicht mehr möchte, dann kann ich das jederzeit ansprechen und wir können neu verhandeln.

Wenn ich bei ihm bin, würde ich es als Ritual bezeichnen, dass er mir mittlerweile morgens mein Halsband anlegt und abends beim Schlafengehen oder beim Duschen auszieht.

Patrator: Rituale oder dergleichen haben wir, zumindest bewusst, keine. Ich sehe uns als ganz normales Pärchen, welches viele Interessen teilt und dementsprechend gerne die eine oder andere Eigenschaft gemeinsam ausleben kann. Zum Beispiel auf Pferden Reiten gehen.


Cat: Erledigt MissGilmore Aufgaben für dich? Wie werden diese kontrolliert? Nutzt ihr dazu Skype oder ähnliches?

Patrator: Wie bereits erwähnt, hat MissGilmore ein Regelwerk, welches sie immer einzuhalten hat. Dieses beinhaltet einige Vorgaben, in denen es teilweise auf die Details besonders ankommt. Je nach Art der Aufgabe vertraue ich auf ihr Wort. Dass sie mir die Wahrheit sagt, davon gehe ich bei ihr immer aus, ansonsten wäre es in meinen Augen keine Beziehung, die eine Chance hätte. Außerdem bin ich so frei, die Regeln so verfasst zu haben, dass es komplizierter wäre, mir etwas vorzulügen, als einfach das zu tun, was ich möchte. Ich bin kein Freund von Nackt- oder Unterwäschebilder, weshalb nur andere Aufgaben bildlich bewiesen werden müssen. Anderes wird mir via Listen oder kurze Mitteilungen über WhatsApp mitgeteilt oder halt per Telefon.

MissGilmore und ich haben unter vielen Eigenschaften ein paar besondere, die gemeinsam sehr gut harmonieren, bzw. sich gegenseitig triggern. Darunter fallen ihre Genauigkeit und meine Pingeligkeit. Sie ist sehr bestrebt ihre Aufgaben richtig zu machen, ohne irgendwas zu vergessen und genau meinen Vorstellungen zu entsprechen. Ich wiederum achte peinlich genau darauf, dass es so umgesetzt wird, wie ich es haben möchte. Und wenn sie dreimal von vorn anfängt, bis ich zufrieden bin. Am Anfang war das natürlich ein wenig schwer, aber sehr schnell waren wir da aufeinander abgestimmt, sodass ich wirklich nur sehr selten etwas auszusetzen haben, was uns beide sehr zufrieden und glücklich macht.

Das Regelwerk ist ein gemeinschaftliches Werk, welches wir gemeinsam entwickelt haben. Sie darf bei Änderungen und Aktualisierungen des Regelwerks Wünsche und Gegenangebote äußern, weiß aber auch, dass ich darauf nicht eingehen muss. Das ist nämlich noch so eine gemeinsame Eigenschaft, die wir dabei ausleben können: Unser Drang nach Verhandlungen um genaue Formulierungen. So entsteht nach einigem spielerisch diskutiertem hin und her dann jedes Mal eine neue Version der Regeln, mit der wir beide sehr gut leben und uns vor allem identifizieren können.

Daraus ableitend kann ich auch sehr gut damit leben, wenn sie mich mit ungenau formulierten Sätzen aufs Kreuz legt. Ich liebe den geistigen Schlagabtausch, besonders, da sie in der Hinsicht bis auf die Zähne bewaffnet ist und wir sehr viele schöne „Kämpfe“ haben.

Cat: Patrator, hast du deiner Partnerin für dieses Interview eine Aufgabe gestellt bzw. ein kleines Spiel eingebaut?

Patrator: Nein, ich habe für MissGilmore keine Aufgabe etc. aus dem Interview gemacht. :D Wir haben keine besonderen Absprachen getroffen, sondern uns lediglich gegenseitig unsere jeweilige Antwort gezeigt, da wir uns als Paar absprechen. Wobei ich das ganz klar losgelöst vom Machtgefälle sehe. Für ein harmonisches Miteinander ist Kommunikation und Absprache in meinen Augen sehr wichtig und auch Grundlage.

Cat: Da bringst du mich gleich auf eine neue Frage: Wie wirkt sich das unabhängige Antworten aus? Sprecht ihr über die unterschiedlichen Auffassungen und zieht ihr daraus Erkenntnisse?

MissGilmore: Klar sprechen wir über die unterschiedlichen Antworten und darüber, wie ähnlich und doch anders, so etwas häufig von uns gesehen wird. Denn sowas hilft sehr zum Reflektieren und zum Verstehen des jeweils Anderen.

Und obwohl unsere Antworten sehr unterschiedlich sind, ist der Konsens daraus häufig doch sehr gleich.

Wir hatten ja auch mal den Bericht über unser erstes Fisting-Erlebnis gemeinsam, unabhängig voneinander geschrieben, auch der war sehr unterschiedlich, da jeder eben eine andere Empfindung, andere Gefühle dabei hatte und dennoch ist der Rest sich sehr ähnlich.

Gerade das finde ich klasse. Dem Anderen ein Stück weit in den Kopf sehen können und einander besser verstehen lernen. Es ist toll und macht unsere Kommunikation noch besser und vielfältiger.

Cat: Ich danke euch beiden für dieses tolle und sehr interessante Interview und das ihr euch Zeit für meine Fragen genommen habt. :-)