Ich beschäftige mich seid Jahren mit dem Thema Feminismus und arbeite in verschiedenen Feminismus Referaten mit. Was mich jedoch immer wieder schockiert und wütend macht ist die Einstellung mancher „feministischer“ Frauen zum Thema Sexualität ins Besondere BDSM.
Für die meisten wird sich das folgende
wahrscheinlich absolut absurd anhören, allerdings sind das wirklich
wahre Gespräche die ich geführt habe.
Zum Beispiel hat mir eine gute Freundin
erzählt, dass sie sich schlecht fühlt wenn sie beim Sex unten
liegt. Dies allerdings nicht weil sie es nicht mag, im Gegenteil,
sondern weil sie der Meinung ist sich damit dem Mann zu unterwerfen
und es somit „unfeministisch“ ist. Das sind Momente bei denen ich
mir nur an den Kopf fassen kann und mich frage was da nur schief
gelaufen ist.
Leider ist so etwas nicht nur
vereinzelt der Fall. Es gibt z.B. ganze Debatten darüber ob das
„Eindringen“ des Penisses in die Vagina nicht an sich schon eine
Verletzung der Frau ist, da ja in sie „Eingedrungen“ wird.
Ich würde mir da am liebsten die
Knarre an den Kopf halten. Wie bescheuert ist das bitte?
Folge dessen kann man sich ungefähr
vorstellen wie viele „Feministinnen“ zum Thema BDSM stehen. Wobei
man es da natürlich auch differenziert sehen muss. Ist die Frau der
dominante Part und der Mann der devote ist es vollkommen feministisch
und legitim. Ist es allerdings anders herum gibt es einen Aufschrei
und verrückter Weise wird die Frau angegriffen, dass sie so nur dazu
beitragen würde, dass die Männer ein veraltetes Bild der Frau
beibehalten, dass sie schwach sei und ein reines Objekt, welches nur
zur Befriedigung des Mannes da sei.
Also ihr lieben Alice Schwarzer-Fans!
Jetzt mal ganz ehrlich! Für mich ist
mit eine der großen Errungenschaften der feministischen Historie,
die Befreiung der weiblichen Sexualität. Heißt ihr könnt euch
selbst aussuchen wie und mit wem ihr es gerne mögt. Dabei gibt es
keine Konventionen. Wenn ihr euch schlecht fühlt beim Sex unten zu
liegen weil ihr meint das es „unfeministisch“ ist, dann
unterwerft ihr euch dabei genauso einer Ideologie. Nur ist es diesmal
nicht eine die euch auferlegt wird, sondern eine die ihr euch selbst
auferlegt. Heißt ihr legt euch eure Steine selbst in den Weg. Das
ist extrem traurig. Man sollte loslassen können es genießen können.
Und (um jetzt zum Thema BDSM zu kommen) das wichtigste ist doch, dass
du den freien Willen hast dich bewusst für etwas zu entscheiden.
Wenn man sich bewusst dazu entschieden hat die Kontrolle an jemanden
ab zu geben, Lust und Schmerz in seine Hände zu legen und ihm sein
Vertrauen zu schenken, ist das 1000 mal „feministischer“ als sich
zu verbiegen um einem fremddefiniertem Bild von einer starken Frau
hinterher zu eifern. Außerdem was habt ihr bitte für ein Bild von
Männern, dass ihr denkt, dass diese einen als reines Objekt ansehen.
Ich würde da eher sagen, dass ihr ein deutlich verzerrteres Bild der
Männer habt, als die von den Frauen!
Innueno schrieb am 27.03.2015
Ich stimme Red zu, denn wenn man vom Grundgedanken des Feminismus ausgeht, so war es die Gleichheit aller Menschen.
Das Selbstbestimmungsrecht der Frau über Körper, Geist usw.
Und nichts Anderes lebt sie in der freien Entscheidung, wählt sie für sich den devoten Part.
Auch hier bestimmt sie selbst darüber, was sie erleben will und was nicht.
Ann-Kathi schrieb am 06.03.2015
Hallo,
ich finde das Feminismus-Thema für BDSM praktizierende Frauen, welche auch gesellschaftspolitisch nicht indifferent sind, schon besprechungswürdig. Ich bin selbst überzeugte Feministin, habe mir aber, wie bei jeder philosophisch-theoretischen Debatte aus vielen verschiedenen Einzelmeinungen und Ansichten meine persönliche zusammen gestöpselt, die als praktizierbar, menschenfreundlich und freiheitsliebend bezeichnet werden kann. Da ich schon immer devote Neigungen hatte, stieß ich mich auch oft an den leichtfertigen Verurteilungen persönlicher Vorlieben - es ist meines Erachtens gefährlich individuelle Charaktereigenschaften zu politisieren. Im Feminismus wird davon ausgegangen, dass die menschliche Selbstwahrnehmung und -findung zu großen Teilen von der Sozialisierung durch unser Umfeld geprägt wird - dieses wiederum wäre der Gesellschaftskörper dem wiederum das Patriarchat unterliegt. Nun wird durch diese wunderschön schlüssige Argumentation dem Individuum leider auch jede Reflexionsfähigkeit abgesprochen. Dies entspricht aber wiederum nicht mehr der Parole der Befreiung, die sich der Feminismus und VertreterInnen gerne auf die Fahnen heften. Für mich war das Dilemma lösbar:
1) unsere Gesellschaft ist patriarchalisch und wir haben Rollenbilder, die reproduziert werden.
2) wir haben die Fähigkeit zu denken.
3) wir erkannten die gesellschaftsinterne Ungleichbehandlung von Frauen offiziell als solche an und setzten Schritte dagegen.
4) dazu dachten wir nicht vorhandene Freiheit zuerst als Möglichkeiten voraus (Wahlrecht, sex. Selbstbestimmung etc.)
5) durch diese Position, Problematiken zu erkennen und gegenzusteuern bietet sich die Möglichkeit der persönlichen Freiheit. Unfreies Handeln ist das Nicht-zur-Kenntnisnehmen oder das Nicht-Denken von solchen Möglichkeiten.
6) Ich stehe darauf dominiert zu werden. Ich weiß, dass männliche Machtausübung über Frauen ein zentrales Thema des Feminismus ist. Da ich um die Problematik weiß, kann ich mir die Freiheit nehmen, nach meinem Willen zu handeln. Dies wäre somit nicht fremdbestimmt, da das Bewusstsein gegeben ist, sondern eine autonome mündige Entscheidung. Ein übles Gefühl, dass es unfeministisch wäre, habe ich nicht (mehr), da ich Feminismus als gelebte Freiheit tun zu dürfen was mir gefällt verstehe.
... und das ist es doch, was Feminismus bewirken soll.
Meine Zustimmung hast du da auf der ganzen Linie!
Lisa schrieb am 26.06.2014
Differenziert sehen
Einerseits kann ich dem Grundtenor nur zustimmen, dass es bei Feminismus darum geht, die Entscheidungsfreiheit von Frauen zu fördern und stimme auch zu, dass selbstgewählter Spaß als submissive Frau sehr gut für das Selbstwertgefühl sein kann. Auch finde ich viele Aspekte von BDSM (Einvernehmlichkeit, explizites Aushandeln sexueller Handlungen statt Erwartungen gemäß Geschlechterollen, Safewords) denen der sonstigen Öffentlichkeit (keine Safewords, mänchliches "Erobern" als Normalverhalten, Herunterspielen von sexueller Belästigung etc) überlegen. Auf der anderen Seite ist ein verzerrtes Bild von BDSM, besonders durch Pornos/kommerzielle Angebote/fragwürdige Bestsellerliteratur, ein echtes Problem weil es die alten schlechten Ideen ("Frauen wollen *eigentlich* gezwungen / erniedrigt werden, etc") wiederbelebt und zum Teil extremer macht. Ideen wie das Spielen mit Unterwerfung in der Öffentlichkeit vor Unbekannten machen mir da ziemliche Bauchschmerzen. Eine deutlichere Thematisierung von feministischen Themen (dazu würde auch eine Diskussion über die Wertschätzung von "femininen" Tätiigkeiten -- wie submissiv sein-- gehören ) würde hier ziemlich helfen. Ansonsten ist moderner Feminsmus schon etwas mehr als nur Alice Schwarzer und es gibt auch beim Thema Feminismus jede Menger Besserwisser_innen* und Heuchler_innen* -- leider. Aber wenigstens kann frau sich heutzutage offen Feministin nennen.
Hallo Lisa,ich bin nicht die Autorin aber will dennoch kurz auf deinen Kommentar eingehen. Erst einmal vielen Dank für diesen, denn er wirft wichtige Punkte auf. Ich denke jeder der sich mit dem Feminismus auseinandersetzt wird wissen, dass es weit mehr als nur Alice Schwarzer ist. Persönlich habe ich, trotz Steueraffäre und Diskussionen an denen sie über das Ziel hinaus geschossen ist, durchaus Respekt vor dieser Frau und die Frauenbewegung hat ihrem Wirken in den Jahren 1970 bis ca 1995 sehr viel zu verdanken. Dem verzerrten Bild von BDSM versuchen wir mit diesem Projekt aktiv entgegen zu wirken. Bei Spiel in der Öffentlichkeit unterscheiden sich unsere Positionen jedoch deutlich. Bei einem solchen Spiel sollten keine Kinder in ihrer Entwicklung gestört werden, denn sie können mitunter nicht alles so erfassen wie es Erwachsene tun und auch der Rentergeneration die mit einem anderen Weltbild großgeworden ist sollte niemand extra vor den Kopf stoßen. Spiele bei denen nicht erkennbar ist, dass diese beide so wollen sollten auch unterlassen werden. Spiele zwischen Mann und Frau die jedoch aus Einvernehmlichkeit und Lust entstehen und die niemanden arg vor den Kopf stoßen sind durchaus nicht schädlich für das moderne Frauenbild. Klar mag zum Beispiel eine Frau an Halsband und Kette alte Klischees aufwerfen, nur sollte jedem klar sein, dass es sich dabei um Freiwilligkeit handelt. Zudem kann ich dazu nur sagen, dass ich im Nachtleben meiner Stadt mindestens genauso oft einen Mann an einer Kette erlebt habe wie anders herum. Gesetzt den Fall es würden mehr BDSMler so etwas machen käme darin zum Ausdruck: Es ist egal welches Geschlecht du hast, wer führt und wer folgt entscheidet allein deine Veranlagung. In jenem Fall die sexuelle und bezogen auf die Berufswelt eben andere Faktoren wie Qualifikation, Einfühlungsvermögen, Mut, Durchsetzungswille. Gerne lade ich dich ein über die Wertschätzung von femininen Tätigkeiten zu schreiben, wir brauchen nur ein wenig den Aufhänger BDSM damit ich es hier irgendwie unterbringen kann. Starke und selbstbewusste Frauen die sexuell devot sind, sind kein Phänomen sondern dies kommt häufig vor und bringt nicht wenige in eine gewisse Sinnkrise.
Liebe GrüßeGentledom
red schrieb am 31.05.2014
das hat nichts mit feminismus zu tun
Gibt es das wirklich? Wenn ja bin ich echt schockiert. Wie kann man sich selbst so im weg stehen?
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es das heute noch gibt und wenn doch, dann nur noch äusserst selten. Das stammt doch aus den Anfängen des Feminismus und ist längst überholt.
Heutiger Feminismus zeichnet sich dadurch aus, dass Frau eben selbst entscheidet, wie sie leben möchte und sich eben nicht durch irgendwelche Konventionen beschränken lässt. Weder von den einen noch von den anderen.
Es wäre doch ausgemachter Blödsinn, sich derart selbst zu geißeln!
Vom Handy gesendet
Chris_tian schrieb am 30.05.2014
Weiter im Text
Hallo, in diesem Zusammenhang möchte ich, auch hier nochmal, auf den Blogartikel
http://kleinerdrei.org/2014/04/bdsm-feminismus-warum-sich-das-nicht-ausschliesst/
hinweisen.