Ganze Macht - Ganze Verantwortung

Was kann ich in einer 24/7 Beziehung als Top fordern und was kann Sub dafür erwarten? Wie kann / soll sich 24/7 aus der Sicht des Top auf den allgemeinen Alltag einer Beziehung auswirken?

Fiktion
Es ist schon ein schönes Leben, daß Top und Sub da haben: Top wird von Sub unterwürfig geweckt und bekommt morgens seinen Kaffee von der unbekleideten, in Ketten kriechenden Sklavin ans Bett gebracht. Top bedankt sich mit einem Fußtritt und setzt sich an den liebevoll gedeckten Frühstückstisch - der Duft frischer, noch warmer Brötchen steigt auf. Sub kriecht zu seinen Fußen umher in der Hoffnung, es mögen ein paar Krümelchen herunterfallen um den größten Hunger zu stillen. Dom belohnt Sub`s Suche mit ein paar Hieben und verläßt - nachdem er Sub für die Zeit seiner Abwesenheit sicher verschnürt unter die Schlafzimmerdecke gehängt hat - gut gelaunt das Haus...Am Abend erinnert er sich dann nach der Tagesschau an seine Sub, läßt Sub von der Decke herabgleiten und bedient sich nach Wunsch - nicht ohne Sub dabei ein bißchen Haue zukommen zu lassen - und zum Ausklang des Tages Sub wieder in Ketten gelegt in der Küche zu deponieren. Mit zufriedenem Lächeln auf dem Gesicht gleitet Top ins Reich der Träume und freut sich auf den nächsten Tag mit seiner Sub.....es ist ein schönes Leben für Top und natürlich auch für seine Sub deren einzige Bestimmung darin besteht, ihrem Top zu dienen...ein Spiel mit zwei Gewinnern...einfach klasse...

Aber mal den ganzen schönen Spaß (oder Wunschtraum?) beiseite gelassen...

… Was kann Top in einer real gelebten 24/7-Beziehung fordern und was kann Sub dafür erwarten?


Realität:
Diese besondere Art der Beziehung basiert auf Prämissen, meist auf der aktiven Unterwerfung des Sub gegenüber dem Top, also eine Unterwerfung von unten nach oben. Absolutismus in der Abgabe der Macht an den Top und dem Vertrauen auf eine starke und sichere Führung für den Sub. Top hat alle Macht, wird aber oftmals Teile davon (z.B. in Bezug auf Alltagsroutinen oder Beruf des Sub) an den Sub zurückdelegieren. Top behält jedoch das letzte Wort auch für die an den Sub zurückdelegierten Bereiche. Das Recht des Tops auf das letzte Wort gilt auch dann, wenn (durch Top gewünschte ) Diskussionen zwischen Top und Sub auf gleicher Augenhöhe geführt werden. Ebenbürtigkeit (als Mensch) ohne Gleichberechtigung (der Partner) bezeichnet die Situation meiner Meinung nach treffend. Was zählt ist der Wille des Top - obwohl Sub (gewöhnlich) nur die Macht, nicht jedoch die eigene Meinung abgibt und schon gar nicht das eigene Denken einstellt.

Der Top muss die Gewissheit haben, dass die Abgabe der Macht durch den Sub gut überlegt ist. Und Top braucht auch die Sicherheit, dass dieses bedingungslose Versprechen nicht unbedacht in Frage gestellt oder gar zurückgenommen wird, sobald sich Sub mal mit einer für ihn/sie unangenehmen Situationen konfrontiert sieht. Diese "rote Karte" (Rücknahme der übertragenen Verantwortung bzw. Rechte ) kann und darf ein Sub nur einmal ziehen - was dann gewöhnlich auch gleichbedeutend mit dem Ende der Beziehung ist. So zumindest sehe ich es für mich selbst, andere Tops mögen da vielleicht etwas "großzügiger" sein.

Die Abgabe der Macht durch den Sub und die Übernahme der Verantwortung durch den Top ist ein sehr weitgehender und auch sehr weitreichender Schritt. Er muß/sollte aus einer Position der Stärke heraus erfolgen und aktiv vom Sub getan werden - niemals aus einer Position der Schwäche und/oder aufgrund der Unfähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen… oder gar, weil der Sub sich mit der Meisterung des eigenen Lebens überfordert fühlt oder allein lebensunfähig ist. Schlecht beraten ist meiner persönlichen Meinung nach der Top, der sich die komplette Verantwortung für einen Menschen aufbürdet, der nicht mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Machtübergabe aus Hilflosigkeit hat meines Erachtens absolut nichts mit Devotismus zu tun.

Übergeben wird bei 24/7 alles - 100 %. Der Top muss sich jedoch ganz darüber im Klaren sein, dass er nicht nur (schöne/angenehme) Rechte erhält, sondern auch dauerhaft eine weitgehende Verantwortung für einen Menschen übernimmt. Wo so viel Macht übertragen bzw. angenommen wird, haben beide Seiten auch das Recht (ja, auch Subs haben gewisse Rechte *smile*) zu Erwartungen und Wünschen.

Der Top kann erwarten, dass das von Sub gegebene Versprechen der Übergabe von Macht, Verantwortung und des letzten Wortes unbedingt eingehalten wird. Er kann erwarten, dass sich der Sub an Anweisungen und Vorgaben seines Tops hält… unter anderem bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes, des Auftretens gegenüber dem Top (z. B. Begrüßungsrituale in Gesellschaft oder wenn die Partner allein sind), der Berufsausübung, des persönlichen Lebensstils, der Eß-, Trink-, und ggf. Rauchgewohnheiten, sowie auch der Ausgestaltung des gemeinsamen Sexlebens. Das Wort des Top ist für den Sub Gesetz, sein Wunsch gleich einem Befehl, der widerspruchslos und bereitwillig ausgeführt wird. Keine Diskussionen über Anweisungen (wohl aber Gespräche), kein Widerspruch, kein Ungehorsam und erst recht kein "Ich will aber nicht" - der Top bestimmt und der Sub fügt sich… wissend und darauf vertrauend, dass der Top weiß, was er tut und dass die übertragene Verantwortung in guten Händen liegt, was immer auch geschieht.

Seinerseits muss der Top sich unbedingt dazu verpflichtet fühlen, vereinbarte Tabus/Codeworte (soweit diese vereinbart sind) zu beachten - und er ist auch gut beraten, die Wünsche, bisherigen Erfahrungen bzw. Ängste des Sub zu kennen und teilweise auch zu respektieren. Allerdings geht es hierbei nicht um einen Anspruch des Subs darauf, dass der Top sich den Wünschen seines Subs fügt oder Ängste bzw. Schwachstellen nicht antastet, sondern um dem Top das Wissen zu geben, wie er den Erwartungen seines Subs, gerecht werden kann, sofern er das will.

Sub wiederum kann erwarten, dass die übertragene Macht in starken, sicheren und verantwortungsvollen Händen liegt. Er muss sich sicher sein können, dass sein Top - unbeschadet seines Rechts, alles, jederzeit und wie auch immer zu fordern - ihm keine Schäden an der Gesundheit, der Seele oder der berufl. Zukunft zufügen will und wird. Der Sub sollte die Gewissheit haben, dass Anweisungen überlegt, Wünsche durchdacht und im Einzelfall begründbar wären. Außerdem muss sich der Sub darauf verlassen können, dass der Top die Einhaltung von Anordnungen stets nachfragt oder prüft und niemals vergisst, was er nun angeordnet oder befohlen hatte. Im Gegenzug der Halt und die Sicherheit für den Sub, dass sein Top Zusagen und Versprechen unbedingt einhält und für seinen Sub der starke "Fels in der Brandung" ist, dessen Wort unbedingtes Vertrauen verdient… im Guten wie im Bösen.

Wie kann / soll sich 24/7 aus der Sicht des Top auf den allgemeinen Alltag einer Beziehung auswirken?

Bei Aussagen über die Auswirkung von 24/7 auf den Alltag können persönliche Wertungen (naturgemäß) nicht unterbleiben. Folglich sind die nachfolgenden Ausführungen auch immer von dem geprägt, was ich selbst erwarte bzw. meine, dass erwartet werden kann. 24/7 bedeutet für mich, dass der Top seine ihm übertragene Macht zwar immer und zu jeder Zeit ausüben kann, aber nicht immer ausüben muss.

Eigentlich sollte sich das Zusammenleben in einer D/S-Beziehung gar nicht besonders von dem in einer sogenannten Stino-Beziehung unterscheiden. Der Top wird seine Wünsche hinsichtlich Tagesablauf, Kleidung und all der vielen anderen Kleinigkeiten des Alltags bereits geäußert haben - demzufolge dürften/sollten diese damit bereits Bestandteil der täglichen "Routine" geworden sein. Würde Top beispielsweise geäußert haben, zum Frühstück gerne Orangensaft trinken zu wollen, so wird Sub wahrscheinlich stets dafür sorgen, dass der Top jeden Morgen ein Glas davon bekommt. Auch dann, wenn der Top mal selbst das Frühstück für sich und seine geliebte Sub macht (was durchaus normal sein sollte.... denn die geliebte Sub ist ja nicht mit einer Hausangestellten gleichzusetzen), wird sich Top freuen, ausreichende Mengen an Orangensaft im Kühlschrank vorzufinden. Der Unterschied zu einer "Vanilla-Beziehung" kommt erst dann deutlich zum Tragen, sollte der Kühlschrank KEINEN Orangensaft enthalten - in diesem Fall würde der Top wahrscheinlich mit seinem Sub ein kleines "Gespräch" führen und seinen Wunsch nach dem genannten Frühstücksgetränk einprägsam und nachdrücklich Ausdruck verleihen. Dass eine solche Unterhaltung für einen Sub weitaus unangenehmer oder schmerzhafter ausfallen könnte, als für einen "Stino-Partner", brauche ich wohl nicht explizit zu erwähnen.

An diesem kleinen Beispiel soll deutlich werden, was 24/7 nicht ist bzw. sein soll: Diese Art des Zusammenlebens sollte nicht als gute Möglichkeit dienen, die Kosten für eine Haushilfe bzw. Putzfrau zu sparen. Wer sich als Pascha versteht, der sollte eine Wohnsitzverlegung zurück zur Mutter anstreben oder einen Macho-Verein gründen. Natürlich wird Sub es als Aufgabe betrachten, dem Top alle erdenkliche Annehmlichkeit angedeihen zu lassen, ausgesprochene Wünsche zu erfüllen und dem geliebten Menschen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Aber sollte dies nicht das Streben in JEDER Art von Liebesbeziehung sein… beiderseitig? Der Top sollte seinerseits dieses Bemühen beachten und schätzen - denn auch ein "Bitte" oder "Danke" führt nicht zum sofortigen Gesichtsverlust gegenüber dem Sub... Und gerade weil ein Top jederzeit "Serviceleistungen" anordnen bzw. einfordern kann, ist es gegenüber dem Sub mehr als nur eine nette Geste, auch mal etwas für dessen/deren Wohlbefinden zu tun.

Es ist ein gutes Gefühl, ständig alles und in jeder gewünschten Intensität einzufordern - aber man sollte dabei den Sub als Menschen und auch als Partner achten… und auch ein netter Umgangston schadet eher nicht. Ein Sub sollte meiner Meinung nach vom Top mindestens als sein wertvollster Besitz angesehen werden - und mit dem wertvollsten Besitz sollte man pfleglich und umsichtig umgehen. Das hat nichts damit zu tun, dass der Top in einer 24/7-Beziehung (wie ich sie verstehe) das jederzeitige und uneingeschränkte Nutzungsrecht besitzt - vom Verleih bis hin zur Beschädigung oder gar Zerstörung. Aber, warum sollte ein Top so etwas tun? Ein Mensch mit Verstand würde doch bemüht sein, seinen wertvollsten Besitz zu beschützen, zu pflegen (Körper und Seele), zu hegen und zu erhalten, um sich möglichst lange daran erfreuen zu können. So sollte es sein...und so ist es wohl auch im Regelfall.

Aber zurück zum Alltag. Täglich den Tagesbefehl herausbrüllende Top`s sind mir persönlich nicht bekannt. Das Zusammenleben hat feste Regeln, die von Top vorgegeben wurden und vom Sub (qua Vereinbarung) akzeptiert sind. Das normale Zusammenleben läuft innerhalb des Rahmens ablaufen, den diese Regeln vorgeben. Dieser Rahmen könnte also beispielsweise beinhalten, dass der Top bestimmte Eckdaten vorgibt (Kleidung, Umgangsformen, Verhalten und gewünschte Abstimmungen), andere Bereiche des gemeinsamen Lebens (wie z. B. die Kindererziehung oder die Berufsausübung des Sub) jedoch in die Verantwortung des Sub zurückdelegiert. Somit dürfte das Zusammenleben für einen Außenstehenden wohl kaum anders aussehen, als das in einer "ganz normalen" Beziehung. Am Auffälligsten für "Nichteingeweihte" sind meiner Erfahrung nach am Ehesten gerade der besonders freundliche und liebevolle Umgangston untereinander (ja, von beiden Seiten...), aber auch die Bereitschaft des Subs, die Wünsche des Tops (sofort und ohne murren und knurren) zu erfüllen und dem Top eine besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

Eine weitere der klassischen Besonderheiten liegt sicherlich im Ausleben der komplementären sexuellen Neigungen. Gewöhnlich hat der Top ein (unter erwachsenen, mündigen Menschen miteinander abgestimmtes) einseitig nutzbares Recht am Körper seines Subs. Der Top bestimmt (ggf. innerhalb der festgelegten Grenzen - soweit vorhanden) über den Körper des Subs, sowie die Art der Sexualpraktiken. Dazu gehören Gehorsamkeitsübungen, der sexuelle Akt an sich, sowie alle begleitenden Maßnahmen (gemeint sind damit auch jene, die gelegentlich mal die eine oder andere Strieme oder vergleichbare Hautverschönerungen verursachen...). Der Top hat das unbedingte Recht am Körper des Sub, unter anderem das Recht, diesen jederzeit in der Art und Intensität zu züchtigen, die der Top für richtig und angemessen (und gegenüber dem Sub für vertretbar) hält.

Letztendlich und nach vielen Gesprächen mit Gleichgesinnten bin ich persönlich zur Überzeugung gelangt, dass 24/7 (zumindest das, was ich darunter verstehe) in Punkto Umgangston (sofern auf das typische "Ja-Herr-Nein-Herr-Gehabe" weitgehend verzichtet wird), Harmonie, gegenseitige Fürsorge, Achtsamkeit und Verantwortung genau die Elemente aufweist, die JEDE Art von Lebensgemeinschaft zwischen sich liebenden Menschen charakterisieren sollte.

Zur Verfügung gestellt von Alexander Domant


Kommentare:


Noch keine Kommentare.

Einen Kommentar schreiben:

Bitte alle Felder ausfüllen!

Die e-mailadresse wird nicht veröffentlicht!
Dein Kommentar wird erst sichtbar nachdem er von einem Moderator freigeschalten wurde!
    Offener-Blog
    Du willst Dich nur zu einem Thema äußern, welches Dir unter den Fingernägeln brennt oder hast keine Zeit häufiger zu schreiben? Nun, dann kannst Du gerne diesen Blog nutzen. Achte aber bitte auf einen guten sprachlichen Stil und einen nicht jugendgefährden
Die neusten Artikel
     
  •   Exhibitionismus
    In der letzten Ausgabe habe ich bereits von meinem Dauerklienten Olaf ... [mehr]
  •   Dogplay
    Eines der größten Vorurteile beim Petplay ist, dass es sich hier im ... [mehr]
  •   Zwischen Lust und Moral
    Wer hat ihn noch nicht erlebt, den Zwiespalt zwischen Lust und Moral? ... [mehr]
  •   Gedanken einer dominanten Seele
    Heute, nach langen Überlegungen, bin ich mir sicher, dass ich bereits ... [mehr]
  •   Wenn aus dem Spiel ernst wird – eine Streitschrift
    DS, zwei kleine Buchstaben, ein großes Kopfkino, zehntausend schöne ... [mehr]
Neue Kommentare
     
  •   zqoSYpujxPkfw schrieb am 12.10.2020
    Ein spannender Einblick, vielen Dank dafür! [mehr]
  •   Fanti schrieb am 28.09.2020
    Hallo Dominus.Berlin, vielen Dank für den interessanten Einblick in ... [mehr]
  •   Fanti schrieb am 24.09.2020
    Geht es hier wirklich um Moral oder nicht eher um "Was denkt mein ... [mehr]
  •   Evelin Vetter schrieb am 06.05.2020
    Genau das haben wir auch erlebt. Sogar schon zwei Mal. [mehr]
  •   Crystal schrieb am 28.12.2019
    Das sind schöne Gedanken. Leider scheint sie längst nicht jeder Dom zu ... [mehr]