Buchrezension: "Die Liebessklavin"

Nachdem die Innenarchitektin Erica die Arbeiten an Simon DiLuccas Erotikrestaurant abgeschlossen hat, macht er ihr ein ungewöhnliches Angebot: Er will einen Abend lang mit ihr die von ihr ausgestatteten Räumlichkeiten ausprobieren.
Zögernd lässt sie sich auf sein Angebot ein und macht in dieser Nacht die intensivsten erotischen Erfahrungen ihres Lebens. Simon DiLucca ist nämlich nicht nur ein Meister der Verführung, er ist ein Dominus, der es versteht, Ericas devote Neigungen zu erwecken. Schon bald wird sie süchtig nach seinem tabulosen Spiel von Macht und Unterwerfung und so beginnt eine prickelnde Reise in die Welt des SM, die in einer romantischen Liebesbeziehung mündet…

… ein romantischer BDSM-Roman? Geht das überhaupt? Gewalt und Romantik passen doch überhaupt nicht zusammen, oder? Dass es doch möglich ist, zeigt Jazz Winters in ihrem Roman „Die Liebessklavin“. Dabei hält sie sich nicht lange mit einer Kennenlerngeschichte auf, sondern taucht schon in den ersten Seiten schwungvoll in die Materie ein.
Erica ist eine unabhängige, starke Persönlichkeit und steht erfolgreich im Berufsleben. Weniger erfolgreich war da bisher ihr Privatleben, denn die Beziehungen, die sie bisher hatte, verliefen durchweg unbefriedigend für sie.
Erst durch Simon DiLucca erfährt sie, dass sie eine devote und auch masochistische Ader hat und obwohl sie verunsichert ist und ständig hinterfragt, was sie fühlt und erlebt, lässt sie sich mehr und mehr auf den dominant-sadistischen Simon ein. Kein Wunder, denn dieser ist nicht nur ein Sadist, er ist auch einfühlsam und zärtlich.

Jazz Winters beschreibt hier nicht nur eine erotische Liebesgeschichte, sondern erzählt nebenbei mit viel Feingefühl von den Selbstzweifeln der „Anfängerin“ Erica und davon, wieviel Vertrauen es von einer devoten Person abfordert, sich in die Hände eines dominanten Partners zu begeben und sich ihm völlig auszuliefern. Gleichzeitig weist sie auf die große Verantwortung hin, die einem Dominus damit obliegt und dass BDSM stets unter der Prämisse „SSC“ praktiziert werden sollte (safe, sane, consensual, also sicher, gesund und einvernehmlich). Unter diesem Aspekt verwundert es sein wenig, dass die Autorin hier die Akteure stellenweise auch mal Alkohol trinken lässt. Alkohol und BDSM zugleich zu genießen erscheint eher nicht ratsam.
Auch das konsequente Nichtbenutzen von Kondomen stößt hier etwas auf. Gerade bei Gruppenspielen sowie munterem Wechsel zwischen analem und oralem Vergnügen (ja, in dieser Reihenfolge), sollte man doch annehmen, dass Kondome eine gewisse Erwähnung finden müssten.
Das Tempo, dass die Hauptfigur, Erica, bei ihrer devot-masochistischen Entdeckungsreise vorlegt, erscheint ebenfalls ein wenig übereilt. Von Vanilla zu MMMF-Rapegame, also von „Null auf Hundert“ in wenigen Wochen... ob das realistisch ist, sei einmal dahin gestellt.
Da „Die Liebessklavin“ nur ein Roman und kein Sachbuch ist, sollen diese Details hier jedoch nur am Rande erwähnt werden.

Dass die Welt des BDSM nicht nur aus eitel Sonnenschein und romantisch-lustvollem Peitschenschwingen besteht, zeigt sich in einem Nebenstrang der Handlung. Hier tun sich wahre Abgründe der Sado-Maso-Szene auf, die, vor allem auf unerfahrene Leser, durchaus abstoßend wirken.
Diese erschreckenden Szenarien beschreiben hier aber schlichtweg die „schwarzen Schafe“, die unverantwortlich handeln und bilden so einen gut sichtbaren Kontrast zu den Hauptakteuren der Geschichte, die bei ihren BDSM-Spielen zwar hart, aber voller Respekt und Hingabe miteinander agieren.

Im Großen und Ganzen gelingt es der Autorin die erotischen Szenen plastisch und unterhaltsam zu schildern, ohne ins Vulgäre abzugleiten. Facettenreiche und geschmackvolle Schilderungen nehmen den Leser mit ins Geschehen, wobei der flüssige und anregende Erzählstil gut geeignet ist, das eigene Kopfkino in Gang zu bringen.
Wo sich prickelnde Lust mit liebevoller Romantik abwechselt, wünscht man sich teilweise an Ericas Stelle zu sein und man könnte glatt auf die Idee kommen, die eine oder andere Spielszene einmal im heimischen Schlafzimmer oder in freier „Wildbahn“ nachzuspielen.

Eine richtige Rahmenhandlung gibt es nicht, denn der wesentliche Teil der Geschichte besteht in der nach und nach entstehenden Liebesbeziehung der beiden Protagonisten und deren sinnlich-erotischer Spiele. Dies führt dazu, dass der Roman stellenweise ein wenig vor sich hin dümpelt, was dem Gesamtwerk jedoch keinen Abbruch tut.

Die Charaktere sind sympathisch angelegt. In Erica kann man sich schnell hineinversetzen, man fühlt, genießt und leidet mit ihr. Simon DiLucca vereint, durchaus glaubhaft, widersprüchliche Eigenschaften in sich: Einerseits Sadist, andererseits fürsorglicher Galan voller Empathie. Was hier ein wenig stereotyp wirkt, ist die Tatsache, dass Simon, natürlich äußert gutaussehend, erfolgreich und wohlhabend ist. Ein paar Ecken und Kanten hätten ihm sicherlich gut getan und für mehr Spannungspunkte in der Geschichte gesorgt.

Fazit:

Romantikerinnen, die sich in der Welt des BDSM wohl fühlen, werden diesen Roman mögen. Hartgesottenen BDSM-lingen dürfte die Geschichte eher etwas zu seicht sein.


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