Zwei Doms im Verhör

Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag von jemandem veröffentlicht, der BDSM in einer sehr weitgehenden Form betreibt. Einige Zeit später habe ich einen Kommentar dazu veröffentlicht und habe Teile jenes Artikels kritisiert. Zwischen mir und ihm kam es zu einem interessanten Dialog über BDSM, und da wir eine gemeinsame Bekannte haben, die Menschen gerne Löcher in den Bauch fragt, darf sie sich nun an uns versuchen.

Wir hätten da Karla, Gladius und mich - Gentledom.

Karla: Gleich zwei Doms mit meinen Fragen quälen zu dürfen, ist mir eine Freude! Also, da ihr beiden euch etwas kennt, stellt euch doch einmal gegenseitig kurz vor:

Gladius: Gentledom ist Anfang dreißig, hat Humor und leistet mit seiner Website einen wichtigen Beitrag dazu, BDSM aus der Schmuddelecke herauszuholen. Ich schätze seine Art sehr, auch wenn wir sicher nicht immer einer Meinung sind.

Gentledom: Für mich gehört Gladius zu den wenigen Doms, die eine sehr intensive Form von BDSM ausleben, aber dennoch selbstkritisch sind, und die ihren Führungsanspruch nicht als durch die Position gegeben ansehen, sondern ihn durch Leistung erhalten wollen. Unsere unterschiedlichen Ansichten begründen sich wohl vor allem darauf, dass wir BDSM jeweils recht verschieden ausleben.

Karla: BDSM ausleben bzw. leben, da kommt mir gleich die Frage auf: Was versteht ihr darunter, und wie macht ihr das jeweils?

Gentledom: BDSM zu leben ist für mich etwas, das schon von der Sache an sich schwer zu fassen ist, was soll „BDSM leben“ bedeuten? Lebe ich BDSM nur, wenn ich mich damit den ganzen Tag beschäftige, womöglich sogar beruflich, oder lebe ich BDSM, wenn es andauernd bei mir präsent ist? Ausleben hingegen ist leicht zu definieren, seiner Neigung in diesem Bereich nachgehen wäre meine simple Antwort dazu.

Gladius: Juristen wollen scheinbar immer alles erst einmal definieren. Aber gut, versuchen wir es gemeinsam. Für mich bedeutet „BDSM leben", dass es ein beständiger Teil meines Lebens ist, ich zum Beispiel eine Beziehung führe und mein Führungsanspruch durchgehend in verschiedenen Teilen des Lebens vorhanden ist. Ich für meinen Teil würde sagen, ich kann beides, BDSM kann für mich ein reines Spiel sein, aber eben auch ein Teil meines Lebens. Wenn ich zurückblicke, dürfte ich mit drei Vierteln meiner Sklavinnen BDSM gelebt haben, beim Rest war es eben nur ein Spiel.

Gentledom: Ich denke, dies charakterisiert den Unterschied zwischen uns beiden gut. Für mich ist BDSM nach dieser Definition eher ein Spiel, und nur in Ausnahmefällen habe ich es gelebt. Wenn es um die nackten Zahlen geht, würde ich meine BDSM-Erfahrung zu 90 % auf der Spielebene sehen, und nur 10 % gingen über dieses rein sexuelle Spiel hinaus.

Karla: Ich kenne eure Blogs, und daher stellt sich mir folgende Frage: Wo seht ihr den Fehler, wenn eine Herr-Sklavin-Beziehung scheitert?

Gladius: Beziehungen können immer scheitern, sei es wegen Umständen interner oder externer Natur. Wenn es ein internes Problem ist, trägt in der Regel der Herr die Hauptverantwortung. Er hat den Führungsanspruch und gestaltet somit aktiv die Beziehung mit, nimmt also leichter und mehr Einfluss auf die Entwicklungen. Wenn der Herr führt, und es geht in die falsche Richtung, dann fehlte ihm wohl der Überblick, oder er hat falsch geführt.

Gentledom: Eine Beziehung ist etwas, das zwei Menschen betrifft. Eine Schuldfrage bei so etwas klären zu wollen, ist fast unmöglich, und auch wenn der devote Part in einer solchen Beziehung geführt wird, so entbindet ihn das kaum von einer Eigenverantwortung. Wenn die Sklavin nicht in der Lage ist, ihre Probleme zu kommunizieren, wie soll der Herr dann lenken können? Eine Beziehung verbindet zwei Individuen, und das, was sie vereint oder trennt, kann nicht nur von einer Seite bestimmt werden, das geht für mich an der Lebenswirklichkeit vorbei. Natürlich hat der Herr in einer solchen Beziehung ein höheres Maß an Verantwortung, nur heißt es „eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“, und somit trägt jeder die gleiche Verantwortung für das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung, seien die Verantwortungsbereiche auch unterschiedlich ausgestaltet.

Gladius: Das Glied ist ein schönes Beispiel, aber schau dir die Gesellschaft an, sollten die Starken dort nicht auch mehr Verantwortung tragen und somit einen größeren Anteil zum Gelingen des sozialen Friedens beitragen?

Gentledom: Eine Gesellschaft ist sehr komplex, und natürlich haben die „Stärkeren“ eine größere Verantwortung, aber das befreit die „Schwächeren“ sicher nicht aus ihrer Verantwortung. Wäre dem so, so hätte jeder Schwache eine schöne Ausrede, und warum sollte man sich dann zum Beispiel Arbeit suchen, wenn die Starken doch eigentlich in der Lage sind, einen durchzufüttern? Zudem ist Verantwortung in einer großen Gesellschaft anders verteilt als in einer Beziehung.

Karla: Jungs, wir sind hier beim Thema BDSM, könnten wir bitte wieder zu Peitschen und Sexobjekten zurückkommen? ;-)

Gentledom: Stimmt, ja also, ich glaube, wo wir uns alle einig sind, BDSM und Sex gehört zusammen, oder?

Gladius: Da sind wir einer Meinung. ;)

Karla: Aber so was von. :-D Zwei Doms, eine Sub, also wie gerade bei uns - was denkt ihr darüber?

Gladius: Meins teilen, nein ganz sicher nicht!

Gentledom: Ich würde, wenn überhaupt, nur eine Affäre teilen, und auch nur, wenn es ihr Wunsch ist und die Affäre für mich nicht etwas sehr Besonderes ist. Wobei ich das von vielen Doms, die sich im Bereich TPE bewegen, anders kenne.

Gladius: Das stimmt, das Verleihen der Sklavin soll einfach zeigen, wie wertlos sie ist. Wie ein Gegenstand, den man einem Kumpel gibt, oder noch schlimmer, den man gegen Geld verleiht. Für mich ist es zwar nachvollziehbar, warum es gemacht wird, aber ich schätze meinen exklusiven Besitz einfach zu sehr, als dass ich sie jemand anderem überlassen könnte.

Karla: Als gute rasende Reporterin habe ich ja auch ein wenig recherchiert. Wer bei Google das Wort „Sklavin“ eingibt, bei dem findet sich die Gentledom-Site auf Platz 4 und das (Zefix!) Gladius-Blog auf Platz 16, es ist schon interessant, dass ihr beide so gut gelistet seid.

Gentledom: Ich glaube dieser Vergleich ist nicht aussagekräftig. Der Link, der zu meiner Seite führt, ist schon länger online, und er ist unter anderem deswegen so hoch, weil dort „Sklavinnen“ Anzeigen geschaltet haben. Wenn ich Gladius‘ Link ansehe, so ist die Zielseite noch keine drei Monate online, und dort geht es um Gladius‘ konkrete Suche. Ich denke, mit der Zeit wird auch er weiter nach vorne kommen, und für ein junges und bisher eher kleines Blog ist das eine wirklich beachtliche Leistung. Vergleiche ich die Besucherzahlen meines Blogs (also nicht der gesamten Website) mit seinen, so scheinen wir nicht wirklich weit auseinanderzuliegen, und ich blogge länger, habe automatisch Besucher durch die Website und weitaus mehr Artikel.

Gladius: Danke, ich denke das Thema 24/7 und TPE spricht einfach sehr viele Menschen an, wobei ich mir keine Illusionen mache; Neugier bedeutet noch lange nicht, dass alle Besucher eine solche Beziehung leben wollen.

Karla: Was bedeutet es für euch, einer abwesenden Sklavin eine Aufgabe zu stellen?

Gladius: Ich mache dadurch deutlich, dass ich es von ihr verlangen kann, und die Aufgabe dient dazu, die Sklavin zu erziehen und ihr ihren Platz in unserer Beziehung zuzuweisen. Aufgaben sollen mich entweder erfreuen oder dienen der Erziehung, sei es der Überwindung von Schamgefühl, als Vertrauensübung oder auch, um sie langsam an etwas Neues heranzuführen.

Gentledom: Für mich ist das meist eher ein Spiel, das der sexuellen Lust beider dient. Als Vertrauensübung würde ich es nicht nutzen, Vertrauen entsteht gerade durch den Kontakt zwischen mir und meiner Partnerin, und der ist dann intensiv, wenn sie mich spüren kann. Geht etwas schief, wäre ich nicht da, um einzugreifen, und so etwas widerspricht meinem Verständnis vom Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung.

Gladius: Karla, du suchst wirklich immer die Punkte heraus, wo wir beide aneinandergeraten. Natürlich muss sich ein Herr seiner Verantwortung bewusst sein, und wenn er sich unsicher ist, von einer solchen Übung die Finger lassen. Dennoch obliegt es ihm auch, auszuloten, wie belastbar seine Sklavin ist, und dafür muss er mit ihr auch neue Wege beschreiten können. Ein Herr, der seine Sklavin immer behütet und betüddelt, der wird erreichen, dass sie weiß, ist er zugegen, wird mir nie etwas geschehen, aber dieses Gefühl sollte die Sklavin doch eigentlich am besten immer haben.

Gentledom: Nein, deine Worte konsequent weitergedacht würden dazu führen, dass sie sich im Leben weniger auf sich und mehr auf ihren Herrn verlässt, und jeder Mensch muss sich in erster Linie auf sich verlassen können, auch wenn es daneben einen Partner gibt, der einem im Idealfall immer zu Seite steht. Aber was wäre, wenn dieser Partner dann nicht mehr da wäre, dann hättest du eventuell einen Menschen hinterlassen, der nicht mehr selbstständig leben kann.

Gladius: Und was wäre so schlimm daran, wenn sich jemand mehr auf einen anderen als auf sich selber verlässt? Dies bedeutet ja nicht im Umkehrschluss, dass diese Person nicht grundsätzlich ihr gesamtes Leben selbst entscheiden könnte, aber sie will es eben nicht und gibt daher in einem selbst gesteckten Rahmen Verantwortung ab.

Gentledom: Der Grad von verantwortbarer und unverantwortlicher Selbstaufgabe ist sehr schmal. Ich hoffe, du wirst niemanden abstürzen lassen, denn der Fall kann dann sehr, sehr tief sein.

Gladius: Ich bin mir der Verantwortung sehr bewusst.

Karla: Gladius, welche Bereiche würdest du denn auf gar keinen Fall bestimmen wollen?

Gladius: Wenn alles passt, gibt es eigentlich nur den Bereich Familie und Gesundheit, in den ich mich als Herr nicht einmischen würde.

Gentledom: Das bedeutet im Umkehrschluss, du würdest über die Bereiche Finanzen, Beruf und soziale Kontakte bestimmen wollen?

Gladius: Wollen ist hier vollkommen falsch. Wenn es passt, dann kann ich mir vorstellen, hier Entscheidungen für meine Sklavin zu fällen, wobei ich mir dann bewusst bin, dass ich mich nicht von meinen Wünschen leiten lassen darf, sondern die beste Entscheidung für sie (Finanzen/Beruf) bzw. uns (soziale Kontakte) treffen muss. Sie hat sich mir anvertraut, und ich habe die Sorge für sie übernommen, daran muss ich mich messen lassen. Von mir aus würde ich die Kontrolle über diese Bereiche aber nicht verlangen.

Gentledom: Interessant, du hast ja gesagt, du würdest dich nicht in Gesundheitsfragen einmischen wollen, dann hier mal ein Beispiel: Ihre Mutter hatte Brustkrebs, du weißt es, aber sie will nicht zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen - wie reagierst du?

Gladius: Ich würde denken, sie hat Angst vor einem positiven Befund und vermeidet daher den Arztbesuch. Wie jedem Partner liegt mir ihre Gesundheit am Herzen, also würde ich sie zuerst unterstützen dabei, diesen Schritt doch zu gehen, und wenn alles nicht hilft, ja dann würde ich sie zum Besuch anweisen. Mit der Ausnahme Gesundheit ist für mich gemeint, dass ich über nichts entscheide, was nicht nur leicht negative Folgen haben kann. Jede Session kann bekanntlich negative gesundheitliche Folgen haben, und sei es nur eine Prellung. Wenn es aber eine Entscheidung ist, für die sowohl solche als auch solche Gründe sprechen, dann muss sie das entscheiden. Zum Beispiel, ob bei einem Eingriff lieber eine örtliche Betäubung oder eine Narkose gemacht wird, oder ob bei einer OP diese oder jene Technik genutzt wird, oder eben ob sie ein Tattoo von mir tragen will oder nicht.

Gentledom: Und bezogen auf ihre Familie, also gesetzt den Fall, du siehst, sie hat sich danebenbenommen und mit ihrer Mutter überworfen. Es war wirklich dumm von ihr, und wie man es dreht oder wendet, eigentlich müsste sie sich bei ihrer Mutter entschuldigen, aber sie sieht das nicht ein und bricht lieber den Kontakt zu ihrer Familie ab. Mischst du dich dann ein?

Gladius: Nein, ich würde ihr meine Meinung sagen und erläutern, warum ich meine, sie sollte sich bei ihrer Mutter melden/entschuldigen. Aber es ist ihre Familie, und da steht es mir nicht zu, mich einzumischen, denn egal ob positiv oder negativ, die Familie begleitet einen das ganze Leben, ein Herr tut dies im Idealfall auch, aber das ist eben nicht sicher.

Karla: Gladius, du sprichst einmal von Entscheidungen für „sie“ (Beruf/Finanzen) und dann „uns“ (soziale Kontakte), warum dieser Unterschied?

Gladius: Das war eine recht spontane Antwort, natürlich spielt immer beides mit hinein, also sie und ich, nur muss ich darauf achten, meinen vorhandenen Egoismus eben nicht über ihre Grundsicherheit zu stellen. Im Bereich Beruf und Finanzen muss sie, wenn sie diesen Bereich in meine Hände legt, abgesichert sein, denn wir können uns trennen, oder es kann mir etwas geschehen. Bei sozialen Kontakten hatte ich gerade einfach das Beispiel falsche Freunde vor Augen, die unsere Beziehung gefährden, daher habe ich dort das „uns“ gewählt.

Karla: Das ist doch ein schöner Schluss, dann entlasse ich die beiden Doms wieder und bedanke mich für das interessante Interview!

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