Immer wieder in unserem Leben treffen wir Entscheidungen. Entscheidungen, welche uns verändern. Manche erscheinen im ersten Moment klein und unbedeutend, aber sind doch viel größer, als wir selbst es erfassen können.
Anderen Menschen wirklich zuzuhören in einem Moment, der mit Worten gefüllt werden sollte, weil man es nicht vermag, länger zu schweigen. Ein fremdes, warmes Lächeln, das die trostlose Dunkelheit in uns zerreißt und sagt „Ich sehe dich.“ Drei Worte, die häufig entweder alles oder nichts bedeuten und doch fähig sind ganze Welten zu ändern, denn es kann uns verändern. Es ist Einsamkeit, welche, wenn wir ehrlich sind, viel zu oft existiert in den stillen Stunden. Wir sehnen uns danach, zu jemandem zu gehören oder… jemandem zu gehören. Mit all unserem Sein, mit dem Wunsch dieser Mensch möge alles sehen, was wir für ihn sein könnten. Unserem Willen, in diesem Weg die eigene Erfüllung zu finden und dies mit allen Konsequenzen zu tragen, welche eine solche Wahl birgt.
Manchmal genügen Worte nicht, um zu zeigen, was wir empfinden. Die Wunden, die geschlagen werden, wenn man wahrhaft um Dinge gekämpft hat, sind so häufig unsichtbar für die Welt.
Diese Wunden, obgleich unsichtbar, sind ein ganz eigene Geschichte für Menschen, die fähig sind sie zu lesen. Sie nicht zu verstecken ist keine Schwäche, sondern kann ein erlösendes Bekenntnis sein. Eine Entscheidung, die uns befreit und nur ein Kapitel des Weges offenbart, den wir bewusst gewählt haben. Es bedeutet Frieden mit sich selbst zu schließen, für den eigenen Weg mit all seiner Imperfektion und der Schönheit, die genau darin liegt. Die Lehren, welche uns prägen und auch zu dem machen was wir sind. Unsere Narben können unsere Geschichte sein, wenn wir mutig genug sind sie mit stolz zu tragen.
Auch wenn Wege enden… auch wenn man stolpert und man am Ende erkennt, dass man sich getäuscht hat. Meine Geschichte ist für mich schön und bedeutend. Mehr als das habe ich nie gewollt und so entschied ich mich sie zu schreiben, damit man sie sieht. Jede Stunde eine greifbare Erinnerung, wer ich hatte sein wollen.
Nicht auf Papier, sondern mit einer Klinge auf meinem Körper. Ein Symbol, das für einen Menschen und meine Entscheidung stand. Für die Erlösung und mein Urteil. Die Linien auf meiner Haut, filigran und zart. Der wiederkehrende Schmerz, der mich immer und immer mahnte, welchen Weg ich gewählt hatte. Nichts daran habe ich bereut und ich konnte es bis heute nicht, weil ich weiß, nichts davon ist vergänglich.
Doch irgendwann enden manche Kapitel und ich sehnte ich mich danach, diese Geschichte wieder zu meiner zu machen. Der Protagonist meines eigenen Märchens, der sich entschied, die Fäden des Puppenspielers zu lösen, um selbst zu erkennen, wie real er sein konnte.
Ich wollte nicht vergessen, sondern verändern. Sein Zeichen, als Grundstruktur zu verwenden war eine bewusste Wahl, denn ich war geprägt und doch besitze ich einen eigenen Willen, hatte aufgehört mich einem scheinbaren Schicksal zu ergeben. Ich wollte kämpfen, um sehen zu können, wer ich außerhalb des Lichts meines geschaffenen, surrealen Theaters war und wünschte mir mehr zu sein, als eine Sache. Zu gehören sollte nicht bedeuten sich zu verlieren.
Und so schlug ich ein neues Kapitel auf und betrachtete gemeinsam mit einem neuen Gefährten die fast leeren Seiten. Einem Menschen, der fähig war meine Geschichte mit mir zu lesen. Meine für mich einzigartige Prägung und Wunden, die mich nicht weniger kostbar für ihn machten. Auch wenn ich vielleicht heute nicht mehr fähig bin, mit meinem neu gefundenen Herzen noch jemandem ganz zu gehören, so wollte ich doch nur diesen Mann an meiner Seite. Ist es wirklich weniger wert jemanden in seinem Ganzen anzusehen, ihn zu sehen, als nur zu ihm aufzublicken? Ich glaube, es ist nur… anders. Ist es eine andere Art und Weise?
Teil von etwas zu sein, ohne sich darin zu verlieren?
Er schrieb mit mir zum ersten Mal mein Symbol und ich ließ es zu, denn ich hatte jemanden gefunden, der fähig war nicht nur auf mir zu zeichnen. Er zeichnete etwas, was mir gehören sollte und mich auch äußerlich veränderte, ohne meine Spuren zu verwischen. Eine leise Ahnung, dass die Worte und mein Wissen, um diese neu gewonnene Selbstbestimmung mehr gebraucht hatten, als unsichtbare Bekenntnisse. Alte Konturen, die wohl nie ganz vergehen, aber bereichert wurden.
Eine Geschichte, die neue Wege einschlägt, ohne ihren Beginn zu vergessen oder zu verleugnen.
Auch meine beginnt mit „Es war einmal…“
„Ich möchte, dass du es tust!“ Es sind diese sechs Worte, die in meinem Kopf erklingen, wenn ich an sie denke. Sechs Worte, die mehr sind als die Summe ihrer selbst. Sechs Worte, die ein Wertesystem verrücken und Ansichten ins Wanken bringen können. Was macht uns aus? Sind nicht unsere Werte die Grundfesten unserer Persönlichkeit, die stabilen Streben, die all das tragen und ausmachen, was wir sind? Was passiert mit uns, wenn ebendieses Gerüst ins Wanken gebracht wird? Werden wir dadurch unansehnlich, gar entstellt in unserer Essenz oder wachsen wir über uns hinaus, befreien uns doch von etwas Einengendem? Gleich einer Schlange, die ihre zu eng gewordene Haut des vergangenen Jahres abstreift. Befriedigende Antworten auf diese Fragen zu finden obliegt wohl jedem selbst, wie es auch an mir war eine Wahl zu treffen. Ich entschied diese Erfahrung mit jemand Besonderem teilen zu wollen. Eine Erfahrung, die deutlich über die von mir gesetzten Grenzen hinausging und nicht nur meinen Horizont erweiterte, sondern auch unser Verhältnis auf eine neue Ebene brachte. Es veränderte uns.
Im gängigen Verständnis einer D/s-Beziehung, ist der Top derjenige, der die Grenzen seiner Sub auslotet, greifbar macht und erweitert. Eine Serva, als das Werkzeug seines Willens, geformt nach seinen Ansprüchen. Nun, das mag für manche gelten, für mich gilt es nicht. Für mich ist meine Sub, meine Partnerin, mehr als nur meine Erfüllungsgehilfin oder ein schönes Spielzeug. Sie ist Spiegel meiner selbst, indem sie meine Wünsche erfüllt, ohne ihre zu vergessen, ohne sich dabei von sich selbst zu entfernen. Es ist eine Harmonie, denn ohne sie kann ich nicht sein was und vor allem wie ich bin, so wie auch sie meiner bedarf, um das zu sein, was sie ist. Wir bedingen einander, denn ohne sie bin ich nur halb. Erst unsere Gegensätze komplettieren uns und so ist sie für mich Leinwand und Muse zugleich. Sie ist Expression und Impression. So wie ich sie forme, formt sie mich und so wie ich sie an Grenzen führen will, gibt auch sie mir immer wieder einen Anstoß meine eigenen zu überdenken. Auf diesem Weg überschritten wir gemeinsam Grenzen, verwischen alte Linien und zeichnen neue Konturen.
„Ich möchte, dass du es tust!“ war der Anfang einer Idee und der Anfang einer ersten, dünnen roten Line auf der Haut meiner Partnerin. Ich wusste, dass es ihr Wunsch war. Viele intime Gründe und ein tiefest Verständnis für ihre Sehnsucht nach diesem symbolischen Schritt. Was mich berührte, war ihr Wunsch genau das mit mir zu teilen und damit ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Es waren feine Schnitte, die nach und nach ein neues Bild erschufen. Ein Zeichen auf ihrer Haut zu verewigen, hat nichts mit Sadismus zu tun. Es ist keine Objektifizierung oder ein Brandmal, denn es geht einzig um Vertrauen, Verbundenheit und die Manifestation eines Versprechens in Blut und Schmerz.
Ein Cutting ist wie eine Beziehung, es hinterlässt Spuren. Die erste Berührung setzt oft ein Zeichen, ganz gleich ob von Haut auf Haut oder von einer Klinge auf einem Körper, wenn wir uns dafür entscheiden dieser Begegnung eine Bedeutung zu geben. Man schafft eine Verbindung, welche doch mit der Zeit verblasst, wenn wir uns nicht dafür entscheiden sie stetig zu erneuern. Ähnlich einer Liebe, die nicht gepflegt wird, bis sie irgendwann verblasst und mit der Zeit zu einer Erinnerung wird, so bleiben auch die feinen roten Linien nicht für immer bestehen.
Es bedarf eines sich wiederholenden Bekenntnisses, um all das was zwei Menschen verbindet aufrecht zu erhalten und gleich dem, müssen die Konturen eines in die Haut geschnittenen Ornaments immer wieder nachgezogen werden, bis sie wohl eines Tages für die Ewigkeit sind. Die greifbaren Spuren einer Entscheidung. Sie sind sichtbar gemachte Emotionen, das Abbild des geliebten Menschen, der sich mit jedem Tag, mit jedem freundlichen Wort, mit jedem gemeinsamen Erlebnis tiefer in unser Innerstes einprägt, bis es für die Zeit unseres Lebens unauslöschlich bleibt.
Einst stand folgendes in ihrem Profil: Lese ich noch ein Mal "lass uns gemeinsam deine Grenzen ausloten" in einem Erstanschreiben, dann sorge ich dafür, dass ihr EURE besser kennenlernt. Nun, bei mir hat sie dafür gesorgt, trotz einwandfreiem Erstanschreiben und auf die denkbar schönste Art und Weise.
(Die besagte Sub möchte an dieser Stelle anmerken: Es gab Beanstandungen bezüglich des Erstanschreibens.)