Indizierte Webseiten

Lege ich das Alexa Ranking zugrunde, so sind zwei der drei beliebtesten deutschsprachigen BDSM Webseiten in Deutschland illegal. In meinen Augen erfolgten die Indizierungen durchaus zu Recht. Gerne würde ich hier schreiben, um welche Seiten es sich handelt, das könnte aber von Behörden bereits als strafbare Handlung angesehen werden. Den ganzen Ärger ist es mir sicher nicht wert. Was aber sind die Folgen für andere Webseitenbetreiber, die mutiger sind?

Beruflich beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren mit solchen Problemen, will aber keinen Leser mit juristischen Ausführungen langweilen, sondern die Situation kurz zusammenfassen.

Rechtsgrundlage
Einschlägig sind das StGB (Strafgesetzbuch), das JSchG (Jugendschutzgesetz) und der JMStV (Jugendmedienstaatsvertrag). Dort ist geregelt, dass das Verbreiten oder auch nur irgendwie Zugänglichmachen von jugendgefährdenden Inhalten verboten ist. Nun könnten wir uns vortrefflich darüber streiten, was denn nun alles jugendgefährdend ist, das ist aber im Falle von bereits indizierten Angeboten gar nicht nötig. Das Verbot, diese Angebote zu bewerben ergibt sich aus den §§ 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit 6 Absatz 1 Satz 1 JMStV.

Faktisches Problem
Wie erkenne ich eine indizierte Webseite? Tja, das ist gar nicht möglich, denn die Webseiten schreiben das ja in der Regel nicht dick auf ihre Startseite und die Liste der indizierten Webseiten ist nicht öffentlich. Wer also eine Webseite verlinkt, sollte sich sehr genau anschauen, was er da verlinken will und im Zweifel muss der Webseitenbetreiber bei der zuständigen staatlichen Stelle (KJM) nachfragen, ob das jeweilige Angebot indiziert ist oder nicht. Sich von den verlinkten Seiten vorab zu distanzieren ist in Deutschland beliebt, aber rechtlich gar nicht möglich.

Das Werbeverbot
Was genau unter Werbung zu fassen ist, dazu ist mir keine Rechtsprechung in diesem Kontext bekannt, und die Rechtsprechung aus dem Wettbewerbsrecht ist leider nicht übertragbar. In der Literatur wird auf die Reklame verwiesen und darauf, dass mit dieser Personen dazu verführt/animiert werden, das verbotene Angebot zu besuchen.

Was zum Teufel ist aber Reklame in diesem Kontext? Wenn ich, also so mal ganz hypothetisch, die Seite XY gut finden würde und ich schriebe das, dann wäre das im Sinne des Jugendschutzes bereits Reklame. Wenn ich die Seite XY hingegen rein hypothetisch schlecht finden würde, na ja, dann kann auch das Reklame sein, immerhin mag das, was ich kritisiere, einem anderen gefallen oder neugierig machen und ihn oder sie damit animieren, die Seite zu besuchen. Animieren kann ich somit mit Äußerungen, Bildern, ach eigentlich fast mit jeder Art von Berichterstattung, die sich um die Seite dreht.

Verbot des Zugänglichmachens
Neben dem Werben ist auch das Verlinken solcher Angebote verboten. Was aber ist mit der Nennung der URL oder auch nur des Webseitennamens? Immerhin erleichtert schon der Name oder gar die ausgeschriebene URL das Finden der Seite ungemein. Ob darin ein Zugänglichmachen gesehen werden kann, ist derzeit höchst umstritten. In meinen Augen (und denen der meisten Anwälte und Richter die ich kenne) ist eine ausgeschriebene URL noch kein Zugänglichmachen. Von Seiten der KJM wird dies aber anders gesehen und bisher hat sich jeder diesem behördlichen Druck gebeugt. Für mich müsste neben der Nennung auch auf den Kontext abgestellt werden, ich vermute aber, dies würde im Zweifel auch gemacht werden, aber ich muss nicht der sein, der das probiert.

Freiheit der Meinung und der Presse vs. Jugendschutz
Die großen der Presse (Bild, Welt, Süddeutsche, Spiegel, usw.) bedienen sich daher seit Jahren, wenn sie über eine indizierte Seite berichten, eines Mittelwegs. Sie schreiben niemals die URL, sondern maximal den Seitennamen aus, verzichten also auf das „www.“ und .com/.org/.net und beim Thema Kinderpornographie verzichten sie auch darauf. Von den Behörden wird dieses Vorgehen akzeptiert.

Laut dem Alexa Ranking ist gentledom.de derzeit die Nr. 4 der BDSM Webseiten in Deutschland (wir werfen im Gegensatz zu Alexa BDSM und Fetisch nicht in einen Topf, andernfalls sind wir die Nr. 6), oder anders gesagt, die Nr. 2 der nach deutschem Recht legalen BDSM Webseiten. Aufgrund der Häufigkeit der hiesigen Veröffentlichungen, der Verbreitung, der Leserschaft, Zitierungen und Verweisen im Web und bei Printmedien und weiteren Faktoren, könnte ich mich wohl (nein, ganz sicher ist das nicht) auf das Presserecht berufen, immerhin berichten wir hier auf der Seite über diverse Dinge aus der BDSM Szene.

Ich selber stehe derzeit genau vor dem Problem, ich würde gerne einen Text veröffentlichen, der objektiv über das zehnjährige Jubiläum der bekanntesten deutschen BDSM Webseite und vor allem ihre Entwicklung in der Zeit berichtet. Dennoch wäre ein solcher Artikel eine große Gratwanderung. Gerade Angaben zur Mitgliederzahl, den Seitenaufrufen, dem Realsystem, Hinweise darauf, dass es die größte BDSM Webseite im deutschsprachigen Raum ist und Angaben zu Zirkeln, Gruppen und dem Stammtischverzeichnis oder dem Hinweis, dass sie nach niederländischem Recht legal ist, wären rechtlich sehr problematisch. Immerhin bewirbt man damit das Angebot. All diese Angaben könnten dazu animieren die Seite zu besuchen. Ich müsste also entweder die Seite stark anonymisieren, zum Beispiel, indem ich nicht den Namen oder auch die Abkürzung verwende, sondern von einer der ältesten und größten BDSM Webseiten spreche oder aber ich müsste werbende Inhalte komplett unterbinden, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.

Legales Zugänglichmachen
„Werbung für indizierte Angebote ist nur unter den Bedingungen zulässig, die auch für die Verbreitung des Angebotes selbst gelten“ (Gesetzeswortlaut). In den beiden Fällen dürfen erwachsene Menschen die Seiten legal besuchen (zumindest nach meinem Wissenstand und es würde mich sehr wundern, wenn dem nicht so wäre), also dürfen die Seiten auch Erwachsenen gegenüber beworben werden. An die Zugangskontrolle werden jedoch hohe Anforderungen gestellt, es muss vorab eine Kontrolle stattgefunden haben, die bei allen Besuchern greift und dazu führt, dass ganz sicher nur Personen, die volljährig sind, Zugriff auf die Teile der Seite haben, in denen die Angebote verlinkt oder beworben sind. Die Eingabe einer Personalausweisnummer oder gar das Feld „Ich bin mindestens 18 Jahre alt” reichen hierfür nicht für aus.

Folge von Verstößen
Gedroht wird mit Freiheitsstrafen oder auch Geldstrafen bis 500.000 Euro. Aber nun sollten sich alle wieder beruhigen, das sind die Maximalstrafen. BDSM Webseiten, die indiziert wurden, erfüllen teilweise nicht einmal die Straftatbestände der harten Pornografie (vgl. Entscheidung Pr. 1054/11, bezüglich der SZ), sie sind daher meist im unteren Bereich der Rechtsverstöße anzusiedeln. Die Praxis sieht daher bei indizierten BDSM Seiten folgendermaßen aus:

Jemand meldet den Verstoß bei einer der vier möglichen "staatlichen" Aufsichtsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft, KJM, jugendschutz.net) und die ermitteln und stellen fest, ein indiziertes Angebot wird verbreitet. Dann schauen sie, wer die Seite betreibt, wird die Sache dem KJM oder jugendschutz.net gemeldet, schaut ein Mitarbeiter von jugendschutz.net zuerst einmal ins Impressum der Seite. Findet er da nicht offensichtlich einen deutschen Bürger, fühlt sich diese Stelle nicht zuständig und die Sache wird nicht weiter verfolgt, nur schwere Verstöße werden scheinbar wieder an das KJM zum Zwecke einer Indizierung weitergereicht. Finden sie hingegen einen deutschen Betreiber, erhält dieser von jugendschutz.net eine Mail und einen Brief mit der Aufforderung, die Inhalte zu entfernen. Kommt man der Forderung nach, war es das auch schon. Keine Bußgelder, keine Strafen, nichts. Nach meiner beruflichen Erfahrung werden über 90% der Verfahren (mit einem guten Anwalt annähernd 100%) in diesem Bereich über jugendschutz.net und damit folgenlos abgewickelt.

Wird es bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft angezeigt, hängt dies sehr stark von dem verlinkten Angebot und der Motivation des jeweiligen Sachbearbeiters ab. In der Regel wird der Fall an ein spezialisiertes Dezernat abgegeben und dort kümmert man sich lieber um wirklich schwerwiegende Verstöße, sprich oftmals dürfte solch eine Anzeige im Sande verlaufen, ab und an ein Verfahren eingeleitet werden, das aber in aller Regel nicht zu einem Prozess führt.

Alles also recht safe. Das Verlinken oder Bewerben einer der beiden großen deutschen BDSM Seiten die auf dem Index stehen, wird niemandem eine Freiheitsstrafe einbringen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch keine Geldstrafe zur Folge haben.

Neben den strafrechtlichen Folgen gibt es aber noch die zivilrechtlichen, dies betrifft aber nur Anbieter von kommerziellen Angeboten (wobei Werbung auf der Seite schon dazu führen kann, dass der Punkt kommerziell angenommen wird). Klassisch betroffen sind also Webseiten von Shops, Communities, Dominas, Verlage, usw., nicht aber private Stammtischseiten, die ohne Werbung auskommen. Bewirbt jemand eine indizierte Webseite, so könnte ihn ein Konkurrent dafür abmahnen, wenn die Verlinkung oder Bewerbung einen Wettbewerbsvorteil bietet. Dieser ist für einen findigen Juristen durchaus leicht zu begründen (Beispiel Domina: Zusätzliche weitere vereinfachte Kontaktaufnahme über das Profil der SZ, um nur einen anzuführen). Auch wenn der Staat selten Strafen ausspricht, wenn es ein Zivilverfahren gibt, wird es mit einem bösen Konkurrenten schnell sehr teuer. Der durchschnittliche Streitwert dürfte bei einem Verfahren (Abmahnung plus Hauptsacheverfahren, ohne einstweilige Verfügung) in der Größenordnung von ca. 15.000 Euro liegen, was Anwalts- und Gerichtsgebühren von 5.374,22 Euro zur Folge hätte.

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