Der Einsame

... vor noch nicht mal zwei Wochen, war Er -Werner- noch der arme Kerl, der sich vor Einsamkeit erhängt hat, vielleicht aber auch weil er Schulden hatte oder Liebeskummer?
Jeder kannte ihn plötzlich besser als der Andere, jeder war auf einmal der beste Freund, der vor Trauer nicht mehr ein noch aus wusste. Die Nachbarn kannten ihn als stillen und immer freundlichen Menschen, der mit seinem Lächeln und den strahlend blauen Augen die Frauenherzen im Sturm erobern konnte. Der liebende Vater von zwei kleinen Mädchen, die sein ganzer Stolz waren.

Doch nun, als durchsickerte, dass er sich gar nicht umbringen wollte und es laut Polizeibericht ein "Auterotischer Unfall" war, will ihn niemand mehr gekannt haben. Niemand war mehr ein Freund von ihm und nun war er auf einmal der Typ mit dem durchdringenden Blick, der für sich still und zurückgezogen lebte und an dem immer schon irgend etwas merkwürdig erschien.
Vielleicht war er sogar einer von denen, die Nachts um die Fenster der Nachbarn schleichen? Vielleicht war er aber auch gar nicht Alleine, wer weiss bei seinen vielen Internetbekanntschaften?

Wir saßen an einem Freitag Abend, wie üblich in den Sommermonten, in einem Biergarten und machten unsere Späße. Als der Abend zu Ende ging, verabredeten wir uns noch schnell für Sonntags zum Grillen. Werner freute sich schon darauf und auch darauf, dass er seine heiß begehrte Knoblauchsoße wieder zubereiten konnte.

... Das Feuer auf dem Grill war schon angesteckt und die Kohlen fingen langsam an zu glühen. Alle anderen waren schon da. Die Salate waren angerichtet, doch es fehlte noch jemand. Vielleicht hat er verschlafen? Komisch, Er war nie zu spät oder rief zumindest an, wenn er später kommen würde.

Weder an seinem Handy noch auf dem Festnetztelefon konnten wir ihn erreichen, also liefen wir langsam die paar Ecken weiter, wo er wohnte. Von Weitem konnte man schon sein Auto vor dem Haus stehen sehen, das Wohnzimmerfenster war weit geöffnet .... also musste er doch auch zu Hause sein?!
Wir riefen hoch zu seinem Fenster und klingelten Sturm, doch bekamen keine Antwort. Die vorbei laufenden Nachbarn hatten ihn zuletzt am Freitag gesehen - also vor 2 Tagen.

Wir baten den Vermieter uns die Wohnung aufzuschliessen und er stimmte sofort zu, denn auch er kannte Werner als sehr zuverlässig und machte sich Gedanken. Wir liefen langsam die Treppen bis ins Dachgeschoss hoch und wir ahnten schon, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
Bei jedem Schritt wurden unsere Beine schwerer und schwerer - so, als klebten sie auf den Stufen fest. Der Schlüssel drehte sich langsam im Schloss und die Tür sprang auf. Die darauf folgende Stille, war beängstigend.

Ein merkwürdiger Geruch kam uns beim Öffnen der Schlafzimmertür entgegen und in diesem Moment, wäre ich gerne weggelaufen, doch ich stand wie angewurzelt im Türrahmen.

... Er trug schwarze Damenunterwäsche aus Spitze und hatte sich eine Spreizstange in der Dachluke verkeilt, die sich direkt hinter der Schlafzimmertür befand. Der Gürtel war an einem Ende um die Spreizstange befestigt und das andere Ende war straff um seinen Hals geschlungen, seine Augen waren halb geöffnet und sein Glied noch errigiert.
Unter ihm stand ein kleiner Hocker, den er so platziert hatte, dass er ihn noch genau mit den Fußspitzen hätte berühren können und sein Handy lag auf dem Schrank neben ihm. Er hatte es wohl dort platziert, um es im Notfall schnell greifbar zu haben.
Niemals hätte er geglaubt, dass er ohnmächtig werden würde und seine Fußspitzen von dem akribisch platzierten Hocker abrutschen.

Auf dem Nachttisch lag ein kleines Notizbuch, das ich mir schnappte, bevor wir fluchtartig die Wohnung verliessen, um blaß vor Schreck und nach Luft ringend in den Hof hinuter zu eilen.

"...es zieht mich heute immer wieder in mein Schlafzimmer. Ich bin Geil und versuche mal ein wenig länger auszuhalten..."

Das Zitat war zwar nicht sein letzter Eintrag, jedoch einer der Letzten.

Werner war kein Spinner, kein Perverser und auch kein merkwürdiger Typ, mit durchdringendem Blick. Er war so normal oder auch verrückt, wie jeder Andere. Trotz vieler Freunde um sich herum, fühlte er sich einsam - Ein Gefühl, wie es sicher manch einer von uns auch schon hatte.

Er brauchte den Kick. Ja, war fast schon süchtig danach und wollte diesen nicht missen. Auch nicht während seiner Suche nach der Einen. Der Frau, die ihm all das, was er sich wünschte, geben konnte.

Niemandem hatte er erzählt, dass er seine "Spiele" für sich alleine fortsetzte. Er schämte sich dafür, wusste auch, dass es gefährlich sein kann und doch zog es ihn immer und immer wieder zu seinem Ort - zu seinem Schlafzimmer, zu der Dachluke.

Verfasserin SwitchingAngel

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