Worauf ich Lust hatte

Zugegeben, ich habe darauf gehört, was sie gesagt hat, nicht, was sie gemeint hat. Aber wenn diese Beziehung eine Chance haben soll, dann ist dazu auch die entsprechende, geradezu brutale Ehrlichkeit notwendig, und sie muss darauf vertrauen können, dass ich sie an ihre Grenzen führe, ohne sie zu überschreiten... oder zumindest, nicht zu weit.

„Mach mit mir, worauf du Lust hast...“ hatte sie gesagt. Das sie eigentlich „Bitte fick mich!“ meinte, was ihr so natürlich nie über die Lippen kommen würde, war in ihrem blitzenden Augen, ihrem Lächeln, der sanften Glut ihrer Wangen und den schlängelnden Bewegungen ihres Körpers unter dem Meinen ebenso deutlich zu lesen, wie es jeder Vanilla aus dieser Phrase heraushören würde. Aber ich bin kein Vanilla, und sie... Nun, sie glaubt, keiner zu sein. Möglicherweise schlage ich eine Wunde in ihrer Seele. Das wäre bedauerlich, aber wenigstens wüsste sie dann, woran sie mit sich selbst ist, und ich könnte noch helfen, diese Wunde zu pflastern, anstatt das jemand anderes tiefer schneidet und sie bluten lässt, weil sie nicht ist, was er in ihr sehen will. Aber ich überdenke schon wieder alles, vor allem das mögliche Scheitern.

Jetzt ist nicht der Moment dafür. Das Jetzt will in vollen Zügen genossen werden, und das geht nur, wenn man sich vom Bald zu lösen vermag. Also, wo war ich doch gleich...

Dass ich nach ihrer „Einladung“ das kuschelige, kerzenbeschienene Bett verließ und anfing, meine über den Boden verteilte Kleidung wieder anzuziehen, traf sie sichtbar tief, aber mein breites Grinsen, die Hand, mit der ich ihr aufhalf, die feste Umarmung und das ihr ins Ohr geflüsterte Versprechen, ihr zu zeigen, worauf ich wirklich am meisten Lust habe, zauberte wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht, so sehr sie auch versuchte, sich dagegen zu wehren. Fünf Minuten später waren wir angezogen und bereit zum Aufbruch, und sie bekam die große Spielzeugtasche umgehängt. Nicht, dass ich auch nur ansatzweise so viele Dinge brauchen würde, aber so hatte sie keine Ahnung, was sie erwarten würde, und kleine, zierliche Frauen schwere Dinge für mich großen, breitschultrigen Kerl tragen zu lassen... Nun, auch darauf habe ich des öfteren Lust, und wenn sie auch etwas verwirrt und langsam reagierte, so sagte sie zumindest doch kein Widerwort.

Für die trotz des lauen Herbstabends wenigen Leute, die sich noch auf der Straße herumtrieben, waren wir natürlich ein verliebtes junges Pärchen, wie sie vor wenigen Stunden noch zu Hunderten auf den Wiesen der Stadt herumlagen. Ich mag diese implizite Maskerade. Für den Moment versteckten wir nichts, und dennoch hatte niemand eine Ahnung, wer wir wirklich waren. Menschen sehen so oft nur Projektionen ihrer Selbst oder ihrer Vorurteile, sehen, was sie sehen wollen. Aber auch wenn sich ihre Lügen um uns legen wie ein Mantel, war es genau das, was es für mich jetzt zu vermeiden galt. Dies war der Moment, in dem sich für beide von uns eine Wahrheit enthüllen würde, von der keiner von uns sagen könnte, was sie bringen würde. Mit pochendem Herzen und einem mir noch unbekannten Wesen, Hand in Hand, stieg ich in den Bus ein.

Der Bus war so leer wie die Straßen und wir setzen uns auf eine der hinteren Sitzbänke, die sich zum Mittelgang hin öffnen, die einzigen Sitze, in denen ich meine Beine ausstrecken kann. Um es genau zu nehmen, ich setzte mich. Sie kniete sich auf meinen Schoß, auf meinen Knien sitzend, ihre Beine neben den meinen abgelegt, und ihr Lächeln mir einen wunderschönen Anblick bietend, wie eine goldene Sonne, die die Nacht mit ihrem Licht veredelt. Bitte, ihr Mächte des Universums, lasst dieses zauberhafte Wesen in ihrem Innersten genauso verdorben sein wie mich...

Als die Bustür zur Parkwiese sich öffnete, war von der Sonne nur noch der rötliche Schein der Wolken zu sehen, während bereits die ersten Sterne heraus und jede Menge Sonnenanbeter uns entgegen kamen. Wir tauchten zur Seite, auf einen der Parkwege ab, und fanden nach wenigen Schritten eine kleine, bereits verlassene Wiese. Ich deutete ihr, die Tasche auf eine Bank zu stellen und holte, nachdem sie es getan hatte, einen verschlossenen Becher und ein Blatt Küchenpapier hervor. Vorsichtig fischte ich aus dem noch warmen Wasser im Becher den Mundschutz heraus und trocknete ihn. „Mach den Mund auf.“ Unsere Blicke trafen sich, und der ungesprochene Dialog war so intensiv wie kurz. „Nein!“ „Doch!“ „Okay...“ Zögerlich öffnete sie ihren Mund ein Stück, sah wie ich sie weiterhin still anschaute und öffnete in noch etwas weiter. Bestimmt, aber vorsichtig, setzte ich ihr den wachsartigen Rohling ein. „Und nun beiß kräftig zu.“ Sie tat wie ihr geheißen und ich umarmte sie, flüsterte ihr das einzige Wort ins Ohr, das meiner Meinung nach den Stolz, den ich verspürte, zum Ausdruck brachte. „Meins.“ Vielleicht nur für diesen Abend, aber für diesen Abend meins.

Es war ein Schauspiel, mit anzusehen, wie sich ihr Gesichtsausdruck entwickelte. Ihre Augen weiteten sich wie die eines Rehs im Scheinwerferlicht, als ich ihr den Mund mit einem Streifen breiten, durchsichtigen Klebebands versiegelte, und sie blinzelte wie im tiefen Unglauben in Anbetracht dessen, was sie erlebte, als ich ihr die Handschellen anlegten. Als sich dann auch noch das Leder um ihren Hals schloss und die Leine mit lautem Klack einschnappte, flatterten ihr die Lider, ihr Atem war schnell und flach. Ich stellte mich vor sie, legte ihr sanft meine Hände auf die Schultern und sagte ruhig „Schau mich an!“. Es brauchte einen Moment, bis sie sich fing, dann schaute ich in ihre leuchtenden, feuchten Augen.

„Du bist unendlich nervös, dass man dich so sieht.“ Ich brauchte es nicht als Fragen zu stellen. Ihre Körpersprache war eindeutig und ihr verschämtes Nicken nur eine Formalität. „Und gleichzeitig fühlst du dich unglaublich lebendig. Dein Herz pocht wie schon lange nicht mehr. Die ganze Welt scheint eine andere zu sein.“ Und wieder nickte sie. „Dann bleibe nahe bei mir. Selbst wenn dich jemand sieht und sich daran stößt, stehe ich zwischen ihm und dir. Du hast dich in meine Hände gelegt, nun lasse auch alle Sorgen meine sein. Schau dich um in einem Park, den du so noch nie gesehen hast.“ Ein Kuss auf ihre Stirn rundete ihre erste Lektion in der Theorie einer BDSM-Beziehung ab, die Spielzeugtasche kam diesmal über meine Schulter und wir brachen auf zum Gassigehen im abendlichen Park. Eine Weile ging sie neben mir, hinter mir, aber immer nahe bei mir, versuchte auch, sich hinter mir zu verstecken. Zwar passierten wir noch ein paar Leute, die den Sonnenuntergang bis zum letzten Strahl genossen hatten, aber diese bekamen entweder nichts davon mit, was neben ihnen geschah, oder ließen es sich lieber nicht anmerken. Dabei sieht mein Wuffi doch gar nicht gefährlich aus...

Als ich ihr diesen Gedanken während einer Umarmung flüsterte, brach endlich das Eis. Sie krümmte sich vor quiekendem Lachen und krümmte sich, rang nach Luft, während ich aufpasste, dass sie nicht umfällt. Danach lief sie um mich herum und versuchte, mich in der Leine einzuwickeln, blieb mal stehen und schaute den silbern leuchtenden Vollmond an, bis ich sie mit sanftem Zug an der Leine wieder in Bewegung setzt, nur um drei Schritte weiter ihre Nase tief in einer Blüte zu vergraben. Das war das Wesen, das zu finden und hervorzubringen ich so lange gehofft hatte, und nun stand, oder besser, beugte sie ich vor mir. Nun blieb nur noch zu hoffen, dass dieses Wesen nicht nur kurz zu Besuch war...

Die Rückfahrt war in vieler Hinsicht ein Spiegelbild der Hinfahrt. Wir saßen eng aneinandergekuschelt, ihr Kopf fest in die schützende Kuppel aus meiner Brust, Armen Kopf eingebettet. Trotz der dicken Kleidung, sah, spürte ich deutlich, wie sie zitterte. Zuhause angekommen befreite ich sie von Fesseln und Kleidung, führte sie sanft ins Bett und wickelte sie schön mummelig ein, bevor ich mich daneben legte und ihr sanft das Haar streichelte. Langsam lies ihr Zittern nach, sie fing an, wieder ruhiger und tiefer zu atmen, und auch ihre Augen begannen wieder, Fokus zu gewinnen, langsam sich wieder vom Innenleben der Außenwelt zuzuwenden. Als sie mich ansah und mit deutlichen Schwierigkeiten kämpfe, einen ganzen Satz zu bilden, legte ich ihr sanft meinen Zeigefinger auf die Lippen. Gute Aftercare gebietet es meines Erachtens eigentlich, sie nun ausreden zu lassen, ihr die Gelegenheit zu geben, mir ihre Seele offen zu legen, aber auch ich musste ihr etwas sagen, das meines Erachtens nicht warten konnte.

„Nun weißt du, worauf ich gerade Lust hatte, und wozu ich imstande bin. Das ist, wer ich wirklich bin. Und ich habe noch eine Aufgabe für dich. Bleibe hier liegen. Denke darüber nach, ob ich wirklich der Mann bin, neben dem du aufwachen möchtest, ob du eine Chance siehst, das Leben an meiner Seite genießen zu können. Und denke nicht über mich nach, deine und alleine deine Gefühle sind es, die mich interessieren. Denk nach, und wenn du glaubst, eine Entscheidung gefunden zu haben, komm zu mir und sag mir, was sie ist, egal, was sie ist.“

Mit diesen Worten und einem zärtlichen Kuss auf die Stirn verließ ich den Raum und setzte mich aufs Sofa. Gerade noch rechtzeitig, denn meine Maske der Ruhe hatte schon lange angefangen, knackend Risse zu zeigen, und nun fiel sie mir in Scherben vom Gesicht, während das rasende Pochen meines Herzens zum einzigen Geräusch wurde, das ich hören kann. Nun bin ich an der Reihe, das zitternde Nervenbündel zu sein.

Verfasser garou bdsm (SZ-NR: 269320)
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