Dark Cyte

Wenn nur diese Kopfschmerzen nicht wären! Vier paar Hufe, die durch weiche Zellen galoppieren. Ein Leichtes, sie zu besiegen. Die Tabletten liegen immer an der gleichen Stelle, das sollten sie zumindest. Verdammt!

Und wieder geht es los, dieses Kreisen der Gedanken, immer komme ich zum Ausgangspunkt zurück. Eine Herrin werde ich nie finden, mein halbes Leben ist ohnehin vorbei.
Ich finde eine Packung ‚Stärkeres' und schlucke es unbesehen. Wieviel …? Ein Zimmer kann ganz neutral wirken, oder bedrohlich, oder es verschwindet langsam. Schlafen.

Welch heiteres Gemüt sie doch hat! So ein Ausbund an Jugend und ich bin nicht der einzige, der bemerkt, in welchem Saft sie steht. Diese Göttin! Es steht mir gar nicht zu, so zu denken. Ein Selbsttadel ohne Folgen, Gedanken ohne Wirkung.
Gleich ist sie vorübergegangen; diese Nähe bedeutet gar nichts, gar nichts. Wie eingepanzert verfolge ich ihre Bewegungen und nichts der Regungen dringt nach außen. War das irgendwann mal Selbstbeherrschung? Heute ist es ein Gefängnis.

46387 mal ist das jetzt passiert, dass nichts passiert ist. Und natürlich erwartet der Enttäuschungsgewohnte, erneut enttäuscht zu werden. Es ist schließlich keine Enttäuschung mehr, sondern wird das Unvermeidliche. Bliebe die geliebte Enttäuschung aus, müsste ich sie herbeiführen!

High Heels trägt sie, als wäre sie kein Geschöpf von dieser Welt. Wie oft kommt das vor? Ihre Bewegungen verlangsamen sich, nein, jemand hat die SloMo angeschaltet. Der Sand unter ihren Schuhen knirscht.
Ich sitze in diesem sonnigen Park, auf dieser Bank und gleich ist die SloMo zu Ende. Das ist sie immer, kein Clip währt ewiglich. Näher wird sie nicht mehr kommen … ich schließe die Augen. Diesen Augenblick festhalten …

"Können Sie mir vielleicht weiterhelfen?", fragte sie.

Ich schlage die Augen auf, aber ihr Kopf verdeckt genau die Sonne, sodass ich nur den Kranz ihrer Haare sehe. Sie ist über mir und sie hat mir eine Frage gestellt. Leergefegt, nichts mehr drin in meinem Kopf. Kein Gedanke, und da glauben viele, man könne nicht an nichts denken. In solchen Momenten ist es möglich.

Sie zögert erst ein wenig, dann sagt sie: "Ich suche etwas Spezielles, wissen Sie." Sie lächelt verschwörerisch, als würden wir schon jetzt ein Geheimnis teilen.
"Etwas Spezielles", echoe ich lahm. Es quillt heraus. Ich bin wie ein Idiot und diese wird die Bitterste der jetzt 46388 Gelegenheiten werden. Sie steht noch immer da und beobachtet mich.
"Ja, ich suche nach Schuhen", sagt sie etwas kühler.
"Ah", sage ich, und möchte den Arm zur redebegleitenden Geste heben.
"Sie könnten mich begleiten", unterbricht sie mich. Das klingt wirklich, als wäre es ihr gerade jetzt eingefallen. Sie kann es unmöglich gesagt haben. Jetzt wird dieser Satz zum Echo, es ist furchtbar.
Wenn ich erst von diesen Medikamenten runter bin und mehr Sport treibe, wird alles besser. Ich muß nur damit anfangen. Alle Kraft zusammenreißen: "Gerne, nach was suchen Sie denn genau, haben Sie schon eine Vorstellung?"

Der Fluch ist vorbei, denke ich, ist von mir genommen, weil ich so geduldig war, weil ich nie die Hoffnung verloren habe. Es kann doch alles …
"Das ist aber wirklich nett von dir", sie lacht und zieht mich förmlich von der Bank hoch. "Komm, hak dich unter und wir machen einen kleinen Stadtbummel!"

Das Wunder nimmt seinen Lauf, wir schweben durch Stadt, sie an meiner Seite und jeder kann es sehen. Natürlich weiß ich, wo diese schicken Chicken-Zicken-Shops sind. Nein, fängt das schon wieder an. Ich schüttele den Kopf.
"Nicht gut?", sagt sie zu mir gewandt.
"Doch, doch", sage ich. Was hatte sie nur vorher gesagt? Ich schaue sie vorsichtig an, aber sie ist schon wieder mit etwas anderem beschäftigt.

Wir blicken in die Auslage eines Schuhgeschäfts, fantastische Meisterwerke sind da zu sehen, kunstvolle Sandaletten, Pumps und Mules, da ein Hauch von einem Schuh und dort ein gläserner, wie aus diesem Märchen. Jetzt halte ich sie in Händen; wie sind wir nur durch diese Tür hereingekommen?

Die Verkäuferin lächelt mechanisch, als wäre sie ein verdammter Cyborg. Nichts kann meine Stimmung trüben, denke ich. Sie huscht hierhin und dorthin, und jedes Mal hält sie ein paar Schuhe mehr in ihren Händen – wie macht sie das? Der Cyborg ringt die Hände und das Lächeln scheint platzen zu wollen, ich muss mich setzen.
"Kannst du das gerade bitte mal halten?", sagt sie.
Woher kenne ich diesen Satz? Von meiner ersten Frau?

Ich nehme ihr ein paar Schuhe ab. Sie steuert einen Stuhl an und nimmt Platz. Nonchalant! Was für ein Paar von Beinen in diesen rauchzarten Nylons! Von ihren perfekten Sandaletten mit Kreuzriemchen ganz zu schweigen. Die Umgebung wird dunkler, dies ist die Drehachse der ganzen Welt. Es ist eine Gewissheit.
Der Cyborg gibt jede falsche Zurückhaltung auf und nörgelt ärgerlich wegen der entstandenen Unordnung in den Regalen. Wir ignorieren sie. Wann genau bin ich vor ihr auf die Knie gesunken?

Ein Mann starrt mich an, es ist egal. Sie zeigt keine Überraschung.
"Kannst du mir helfen?" Wie in Trance ziehe ich ihre Schuhe von ihren perfekten Füßen. Ich halte ihren Fuß in der Hand und spüre seine Wärme, seine Weichheit. Schaut jemand zu? Es ist egal.
Ich fange an, ihr eines der ausgesuchten Paare Schuhe anzuziehen. Ich sehe ihre Zehen in diesen Sandaletten, sie hat sich die Nägel wohl rot lackiert. Sie stellt einen Fuß auf meinem Bein ab. Sterbe ich?
Leicht streiche ich über ihren Fußrücken und es scheint nur angemessen, dass mir das Knien unangenehm wird.

Sie neigt die Beine von links nach rechts, hält sie in den Schuhen auf meine Oberschenkel gestellt.
"Die sind schön, nicht?"
"Ja", sage ich glücklich.
Sie steht auf. "Ich möchte ein wenig auf und ab gehen", sagt sie, und sieht mich dabei an. Sie wartet.
Inzwischen sind einige Leute in diesem kleinen Laden und nicht wenige starren immer wieder neugierig herüber. Sie wartet und lächelt mich an. Ich spüre, wie es mir heiß wird. Ich stehe auf und denke zum ersten Mal daran, dass man aufhören muss, wenn es am schönsten ist. Ja, das muss man immer befolgen.

Schon nehme ich die Tür ins Visier. Ich spüre ihre Hand in meiner und sehe sie direkt an. Sie sagt ganz zärtlich: "Ich möchte ein wenig auf und ab gehen", dabei fixiert sie mich wie eine Therapeutin , die einen Erfolg erzwingen will und sieht nach unten.
Sie zieht eine wenig an meiner Hand und schließlich spüre ich ihre Hand an meiner Wange, an meinem Kopf, wie sie mich unmissverständlich herunterdirigiert. Ich knie erst, liege dann da, mitten in diesem Schuhladen. Jetzt sind mehr als nur ein paar Augen auf uns gerichtet.

"Auf den Rücken", formen ihre Lippen einen tonlosen Satz, und schon steigt sie ganz langsam auf meinen Bauch mit diesen traumhaften High-Heels. Es ist wirklich kein Schmerz, nein, es ist nicht demütigend, ich spüre sie und sehe sie über mir in ihren schicken Sachen.

Sie geht auf meiner Brust und ihre Heels versenken sich in meiner Haut. Ich sehe, wie sanft sie noch immer ist, wie sehr sie mich ermutigen möchte. Jetzt streicht sie sich das Haar aus ihrem Gesicht und stellt langsam einen Schuh auf das meine.
Es wird hart, ich halte sie aus, ich empfange es, erleide es für sie, und schon weicht der Druck wieder; doch jetzt steht sie auf meinem Bauch und meiner Brust. Ihr Blick ist zu einem Spiegel gewandt und der Blick der Leute auf uns.
Nichts könnte das je übertreffen, sage ich mir. Dieser Augenblick ist ewig, die Zeit selbst erhält eine neue Qualiät. Sie wird dichter und nähert sich den Grenzen meines eigenen kleinen Kontinuums, das ich bin. Dahinter ist nichts und nichts, das diesen Umstand je bewerten könnte.

Sie sind nie fortgewesen, die Kopfschmerzen. Ich starre auf die Uhr, diesen verdammten Funkwecker, der ungebeten vor sich hinpiepst. Mein Mund ist trocken. Ich merke, dass ich nicht aufstehen kann. Ich frage mich, was ich genommen habe. Ich muss telefonieren, dringend. Erst mal hochkommen.

Eigentlich müsste ich sie schön finden, diese vielen Sterne. Bedenklich ist nur, wie sie sich zusammenballen und mehr und mehr zu werden scheinen. Das Telefon wird unerreichbar, es wird abstrakt und unwichtig und schließlich gibt es so etwas gar nicht mehr.


Verfasser Eisenherz

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