Disziplin

Sie sabberte. Endlich.

Ich hatte ihr die Wahl gelassen, als ich vor Wochen den Ball anstelle des Beißknebels gewählt hatte. "Lege den hinteren Teil deiner Zunge an das Dach deiner Mundhöhle, sonst geht dein Atem durch den Mund und lässt ihn austrocknen. Und lass' den Speichel einfach fließen, es gibt keinen Grund, sich deswegen zu schämen", hatte ich ihr gesagt.

Ich hatte sie zwar schon einige Male geknebelt, aber immer nur mit flach aufliegenden oder auch nur symbolischen Knebeln. Noch niemals aber hatte ich ein so massives Objekt verwendet wie dieses Mal, so dass sie anfangs deutliche Schwierigkeiten und Unwillen zeigte, es im Mund zu behalten, während sie gleichzeitig daran saugte und nuckelte, um den Speichel gerade schnell genug herunterzuschlucken.
"Du strengst dich an, du wirst würgen, vielleicht husten, und dann hast du nur geschafft, dich und deine Umgebung mit deinem Speichel schmutzig zu machen." Sie saugte stur weiter. Ich ließ sie.

Ich hatte Geduld. Sie einen Sturkopf. Ich auch. Wären wir Widder, so würden die Berge vom donnernden Zusammenkrachen unserer Schädel klingen. Aber so waren meine Siege viel subtiler, weniger schmerzhaft und so unaufhaltsam wie das Wetter, wie die Jahreszeiten.
Sie hielt bei der ersten Sitzung die ganze Stunde durch. Ich war beeindruckt und sagte ihr das auch; zugleich drückte ich meine Missbilligung aus: so viel Mühe, so viel Unannehmlichkeiten, und wofür? Unter dem Strich exakt für nichts.
Ich verstehe ja, sie schäme sich, aber sie wisse doch selbst so gut, wie unnötig das sei. Sie habe sich schließlich auch mal geschämt, nackt zu sein, sei da herausgewachsen, und jetzt? Jetzt sei es sie, die im Sommer am lautesten gegen Kleidung wetterte. Und wir? Wo sollte es denn hinführen, wenn wir, ausgerechnet wir beide, Scham voreinander empfänden?

Schon am nächsten Tag brachte sie mir von selbst den Knebel. Sie bekam von mir viel, viel Zeit, in der sie sich entweder selbst das Leben schwer machen oder auch einfach meinem Rat folgen konnte, wie sie es bisher letztendlich ja auch immer getan hatte.
Aber nein, sie blieb lieber stur, nuckelte, gluckste, würgte und keuchte ab und an, und konnte sich weder einen dünnen Speichelfaden noch ein paar Tränen verkneifen. Mein Hemd bekam Flecken, als ich sie am Ende der Sitzung vom Knebel erlöste, sie in den Arm nahm und ihr den Speichel von den Lippen tupfte.

Im Laufe der Wochen und unter Zuhilfenahme einer Augenbinde wurde auch ihr immer heftigerer innerer Kampf sichtbar. Der hin- und herzuckende Kopf, der ein Kopfschütteln verriet, das sie sich nicht zugestehen wollte, das Hin- und Herwiegen zwischen zwei Positionen, die langsam einander gar nicht mehr so ungleich erschienen, zwischen denen sich das Gewicht verschob, die gelegentliche Kapitulation in Form eines kurzen Speichelbachs, bevor sie mit leerem Mund ihren Kampf wieder aufnahm.
Langsam zeigten gutes Zureden und die schiere Unausweichlichkeit der Situation Wirkung, als sich Risse im Bollwerk des Guten Benimms auftaten. Zu diesem Zeitpunkt machte ich sie parallel auch mit einigen unbequemeren Fesselungen vertraut, wir spielten mit ihren Schmerzwahrnehmungen und -grenzen, kurz, wir spielten wie ein glückliches, verdorbenes Pärchen.

Nun endlich war es soweit.
Monate der Übung und Überwindungen kulminierten in diesem Moment. Noch bevor das letzte Schloss zuschnappte, der letzte Knoten sich schloss, hatte sie sich in die Fesseln fallen lassen, ließ ihren Körper sich gefügig dem Kokon aus Leder und Seil anpassen, spielte das unfaire Spiel auf dem Weg des geringsten Widerstands, nahm die scheinbaren Erniedrigungen in Kauf und erhielt Linderung, Ruhe, vielleicht sogar Genuss.
Sie hatte eine Wahl, sie hatte immer eine Wahl gehabt, und nun hatte sie für sich gewählt, den Weg zu gehen, auf dem ich sie sehen wollte. Sie hatte meine Worte freiwillig zu einem Teil ihrer selbst gemacht, nie infrage stellend, warum sie es überhaupt auf sich nehmen sollte, Tag für Tag subjektive Ewigkeiten meine Gemeinheiten zu ertragen.
Sie gab sich mir und ich formte sie, so hatten wir es einander versprochen, so lebten wir es, und ein ums andere Mal machte es uns beide glücklich, so schwer es auch zu verstehen und so unmöglich es auch nachzuvollziehen sein mag. Aber welcher Kraft auch immer es zu verdanken war, wir hatten ineinander unsere andere Seele gefunden, das, was uns beide ganz werden ließ.

Ich küsste ihre Lippen, auf denen sich erste Speicheltropfen sammelten. "Mein liebes, kleines Bunny, genau so ist es richtig …"

Verfasser garou bdsm (SZ-NR: 269320)
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