Nachtgedanken

Gedankenverloren starre ich hinaus in die Nacht, auf das sich unter mir ausbreitende Lichtermeer der Skyline von Toronto. Ich habe mir einen der bequemen Ledersessel einige Meter vor das riesige Panoramafenster gezogen und mir den besten Rotwein eingeschenkt, den die Minibar zu bieten hat.
Anstatt diesen jedoch gebührend zu genießen, ruht das Glas nun unberührt in meiner Hand. Auch für die an sich atemberaubende Aussicht habe ich heute keinen Blick, da meine Gedanken einige tausend Kilometer am anderen Ende der Welt bei dir weilen.

Was du wohl gerade tust? Nutzt du meine Abwesenheit und genießt deine Freiheit, indem du nach allen Regeln der Kunst über die Stränge schlägst? Ich schmunzele bei diesem Gedanken. Da ich dir keinerlei Vorgaben gemacht habe, wäre es dir durchaus zuzutrauen.
Nur zu gerne hätte ich dich auf meine Geschäftsreise mitgenommen. Es würde dir sicherlich gefallen, durch die Straßen dieser fremden Großstadt zu streifen und meine Kreditkarte ausgiebig zu strapazieren, während ich mich in endlosen Meetings mit langweiligen Geschäftspartnern herumärgern muss.
Da du jedoch mitten in einer Klausurphase steckst und mir dein Studium am Herzen liegt, entschied ich, dich zurück zu lassen. Du selbst wolltest diesen Entschluss zunächst nicht einsehen. Erst nach einem intensiven Austausch zwischen deinem Po und meiner Hand überdachtest du die Reihenfolge deiner Prioritäten und ließt dich auf ein nächstes Mal vertrösten.
So sitze ich nun hier in der Dunkelheit, allein mit meinen Phantasien, und starre hinaus in die Nacht, darauf hoffend, dass du dich brav mit Lernen befasst, anstatt dich auf einer der unzähligen Uni-Partys herum zu treiben.

Fast meine ich, unser Spiegelbild in der Fensterscheibe erkennen zu können, als ich meiner Sehnsucht freien Lauf lasse und mir vorstelle, wie du mit auf den Rücken gefesselten Händen und nur mit einem meiner Hemden bekleidet vor mir stehst.
Obwohl dieses Outfit nicht den gängigen Klischees entspricht und ich dich natürlich ebenfalls sehr gerne in halterlosen Strümpfen und High-Heels bewundere, muss ich doch jedes Mal lächeln, wenn du dir wieder einmal eines meiner Hemden stibitzt hast. Du siehst in ihnen ein wenig verschlafen und verträumt, fast schon unschuldig, aus und nur ich weiß, wie verrucht du wirklich bist.
Auch jetzt muss ich lächeln und nippe unbewusst an meinem Wein, während ich dir in meiner Vorstellung die Anweisung gebe, dich langsam umzudrehen. Nun blickst du hinaus auf das Meer von erleuchteten Fenstern, hinter denen sich unzählige potentielle Zuschauer verbergen. Ich genieße diesen Anblick einige Momente, bevor ich mich erhebe, leise hinter dich trete und meine Arme um dich lege.

Sanft drücke ich dich gegen mich und spüre, wie du deinen Körper an den meinen schmiegst, als ich meine Hände über deine leicht bekleideten Kurven wandern lasse. Ich nehme mir viel Zeit, sie zu erkunden, bevor ich mich schließlich der Mitte des Hemdes nähere und langsam Knopf für Knopf öffne, dich mehr und mehr entblöße und der Anonymität der Nacht preisgebe.
Leise dringt ein unterdrückter Seufzer von dir an mein Ohr. Hast du etwa Angst, meine Kleine oder genießt du ganz einfach nur die Situation? Ich hauche dir einige Küsse in den Nacken, umgreife deine Brüste und beginne mit deinen Brustwarzen zu spielen, die sich augenblicklich in zwei harte Knospen verwandeln.
Dir entweicht ein weiterer Seufzer und du drückst dich geradezu fordernd gegen mich, während deine gefesselten Händen unbeholfen nach dem Reißverschluss meiner Hose tasten und umständlich versuchen, ihn zu öffnen, als sie ihn schließlich gefunden haben.

Aber, aber, nicht so eilig, meine Süße, wir haben doch Zeit! Unsanft schiebe ich dich von mir fort und so dicht an das Fenster heran, dass deine Brüste gegen das kalte Glas gepresst werden. Ein deutliches Zusammenzucken deinerseits ist die Reaktion, gefolgt von heftiger Gegenwehr, als du dich aus meinem Griff befreien möchtest, was ich jedoch nicht zulasse. Dich mit der einen Hand weiter festhaltend, ziehe ich mir mit der anderen Hand die Krawatte vom Hals, die ich bereits beim Betreten des Zimmers gewohnheitsmäßig gelockert hatte.
Ich warte geduldig einige Augenblicke, bis du widerwillig zur Ruhe kommst, so dass ich dich unbesorgt loslassen und dir mit der Krawatte die Augen verbinden kann. Zufrieden trete ich zurück und mache es mir wieder in meinem Sessel bequem, um dich genüsslich betrachten zu können.
Geht es dir gut? Du zitterst ja. Warum, meine Süße? Aus unterdrückter Wut, Kälte, Lust oder gar Angst?

Bevor ich dieser Frage weiter nachgehen kann, reißt mich das schrille Klingeln des Firmenhandys aus meinen Gedanken. Muss einen die Arbeit denn immer in den ungünstigsten Momenten in die Realität zurückholen?
Ich erhebe mich genervt und verbanne meine Sehnsucht nach dir in den Hinterkopf, bevor ich den Anruf innerlich fluchend entgegen nehme. Am anderen Ende meldet sich mein Arbeitskollege, der mir völlig hysterisch eröffnet, dass er die Präsentation für den nächsten Tag zerschossen hat.

Es dauert einige Augenblicke, bis ich die Bedeutung dieser Worte realisiert habe: Der Liebling des Chefs hat ausgerechnet den derzeit wichtigsten Auftrag, der am nächsten Tag dem Kunden vorgestellt werden soll, in Datenmüll verwandelt.
Aufhorchend lehne ich mich gegen die Kante des Tisches, auf dem mein Laptop steht und lausche aufmerksam seinen weiteren Ausführungen. Er erklärt mir, dass ihm der Zugriff auf den Firmenserver verweigert würde, von dem er ganz dringend die letzte Sicherungskopie bräuchte, um sie auf den letzten Stand zu bringen und somit eine Katastrophe abwenden zu können.

Grinsend frage ich mich, was er alles veranstaltet hat, um solch ein Chaos zu produzieren, während ich ihm versichere, dass ich sofort meinen eigenen Zugang überprüfen werde. Mit gespieltem Bedauern in der Stimme stelle ich ihm gegenüber jedoch fest, dass die Batterie leer sei und ich zuerst das Netzkabel suchen müsse, während ich den Power-Knopf drücke und zufrieden beobachte, wie der Laptop bootet.
Ob ich Gewissensbisse haben sollte, ihn zappeln zu lassen, wenn ich meinen Sadismus gerade nicht an dir ausüben kann? Während ich den Eindruck erwecke, das Kabel zu suchen, schreite ich gemächlich durch das Hotelzimmer, wobei ich kurz vor dem Panoramafenster verharre. Ein weiteres Mal an diesem Abend driften meine Gedanken ab und ich beschwöre dein Phantasiegebilde erneut herauf.

Ganz ruhig stehst du dort und nur dein leicht zur Seite geneigter Kopf lässt vermuten, dass du auf meine Bewegungen lauscht und meine Position auszumachen versuchst. Wie schön du aussiehst. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und Stolz wallt in mir auf. Stolz darauf, dass solch eine Frau, wie du, sich mir geschenkt hat, mir gehört.
Leise trete ich an dich heran und berühre dich sanft an der Schulter. Zärtlich streichelt meine Hand in deinem Nacken beginnend deine Wirbelsäule entlang, hinunter bis zu den Wölbungen deines Pos, auf dem noch die Spuren unseres Gespräches zu erkennen sind, und dann tiefer zwischen deine Beine.
Instinktiv versuchst du sie zu schließen, doch ein Klaps ruft dich zur Ordnung.

Noch bevor ich fortfahren kann, reißt mich die Frage meines Kollegen, ob ich das Kabel inzwischen gefunden hätte, unbarmherzig aus meinen Gedanken. Ich schüttele mich kurz und atme tief durch, bevor ich ihm erneut meine Aufmerksamkeit schenke, seine Frage bejahe und mich zurück zum Tisch begebe, nur um kurz darauf etwas von „schwerer Ausnahmefehler“ ins Handy zu murmeln.
Am anderen Ende ist es plötzlich verdächtig leise. Vermutlich war das nun zu viel für ihn, so dass ich schnell einlenke und ihm versichere, nur einen Scherz gemacht zu haben. Seine Antwort verstehe ich nur halb, doch sein Ton hört sich tief beleidigt an und so beeile ich mich, ihm seine gewünschten Dateien zugänglich zu machen und danach erleichtert auflegen zu können.

Gerade will ich den Laptop ausschalten, als mein E-Mail-Programm mich darüber informiert, dass ich eine neue Nachricht erhalten habe. Schon wieder mein Kollege?
Mein Blick wandert zur Uhr in der Taskleiste, die noch auf die europäische Zeit eingestellt ist. Bei dir ist es jetzt Viertel nach sechs. Du müsstest seit fünfzehn Minuten wach sein. Gespannt rufe ich die E-Mail ab.
Sie ist tatsächlich von dir. Bis auf eine angehängte Power-Point-Präsentation ist sie leer, was mich unweigerlich schmunzeln lässt. Als ich die Präsentation starte, ertönt die Melodie eines Pop-Songs, den du irgendwann einmal wochenlang vor dich hingesummt hast, und ein Text erscheint auf dem Bildschirm:


„There are six billion people in the world
more or less
and it makes me feel quite small
But you’re the one I love the most of all”

Komm bald wieder, mein Herr!
Vermisse dich,
Deine M.


Gerührt lasse ich die Nachricht einige Male ablaufen und beschließe dann, dir ebenso zu antworten:


„Kiss the rain, whenever you need me!
Kiss the rain, whenever I’m gone too long!
If your lips feel lonely & thirsty, kiss the rain,
and wait for the dawn!
Keep in mind:
We’re under the same sky
And the nights are as empty for me, as for you!”

Vermisse dich ebenso, meine Kleine!
Werde bald wieder bei dir sein.
Dein Herr


Verfasserin Traum der Nacht

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