Sixtysix

Mein Gott, schon wieder halb zwei. Der Samstag ist halb vorbei und noch so viel Arbeit. Ich hab schon eingekauft … Im Supermarkt war aber auch wieder die Hölle los, lauter genervte Familien mit ihrem Großeinkauf und quäkenden Kindern, die nach Eis und Spielzeug verlangen. Und dann immer diese Heulerei!

Also, unser Martin, der war ein braves Kind, der hat sich nie so angestellt. Ich habe ihm schöne Rouladen gekauft, er kommt doch heute von der Kaserne und hat bestimmt Hunger. Er isst so gern Rouladen, mit Speck, sauren Gurken und Senf. Ich mache ihm Frühkartoffeln dazu und eine schöne dunkle Sauce, das schmeckt ihm bestimmt. Jetzt braten sie schon einmal an, es riecht so gut, ach, wenn das nicht immer so in den Haaren hängen würde mit dem Fettgeruch …

Aber egal. Ich muss noch staubsaugen und wischen, die dritte Maschine Wäsche läuft durch, da ist wieder morgen allerhand zu bügeln, Bettwäsche habe ich auch noch gemacht, die muss am Montag in die Mangelei gebracht werden. Immer diese schweren Körbe, so langsam tun mir die Knochen weh.

Gegen etwas mehr Hilfe hätte ich auch nichts. Doch statt dass mir mein Mann mal die Wasserkästen schleppt, fährt er ständig in den Baumarkt.
„Willst Du mitkommen?“, hat er mich gefragt, aber „Nein, lass mal“, habe ich gesagt, „Ich habe hier so viel zu tun und für Geranien ist es sowieso noch ein bisschen früh.“ Es sieht schon nett aus auf dem Balkon, wenn alles blüht … Aber bis zu den Eisheiligen ist es noch hin, und da ist er dann allein gefahren.

So ein bisschen fuchst mich das schon. Den ganzen Vormittag ist er in der Garage, ich weiß überhaupt nicht, was er da treibt. Das ist auch schon das dritte Wochenende, dass er da unten steht, werkelt, sägt, hämmert und schraubt.
Ich habe ihn einmal gefragt, was er da macht, da sagte er nur „ein Gestell“, na ja, es ist auch egal, vielleicht ist es eins für das Brennholz, das war doch letztens zusammengerutscht. Hoffentlich hat er genug an, es zieht doch immer so durchs Garagentor und er hat es schnell an den Nieren.

Früher, da war der Manfred so ein richtiger Draufgänger. Heute ist er auch schon ein bisschen müde, er hat ja auch immer viel gearbeitet. Aber als wir uns damals kennengelernt hatten, da war er sehr temperamentvoll. Ein toller Tänzer war er, die Mädchen drehten sich nach ihm um und ich war so stolz auf ihn. Gut sah er aus, sehr schlank, mit vollem Haar und unwiderstehlichen blauen Augen. Er hatte so schöne Hände! Und küssen konnte er …
Wir waren sehr ineinander verliebt und wollten eigentlich mal zusammen nach Amerika fahren, die Route 66 entlang, mit dem Motorrad. Aber dann kam der Martin und wir haben geheiratet. Wir hatten anfangs nur die kleine Wohnung und der Martin schlief mit uns im Zimmer. Und dann gewöhnt man sich irgendwann daran, da sind andere Dinge wichtiger, die Arbeit, die Schule, wir haben das Haus gekauft und renoviert, mit eigenen Händen. Da ist man dafür auch zu müde, man liegt einfach zusammen, hält sich fest, ach Gott, man kann nicht alles haben.

Manchmal, wenn ich ihn ansehe, dann erinnere ich mich wieder an dieses Kribbeln im Bauch, das wir damals hatten. Manchmal denke ich, man müsste noch einmal irgendetwas ganz Verrücktes machen …
Letzten Samstag waren wir in Wiesbaden, da sind wir auch bei Orion vorbeigekommen. Ich bin ganz unauffällig mal ein bisschen langsamer gegangen und habe mir die schwarze Wäsche angeschaut, aber dann hat mir der Manfred so einen seltsamen Blick zugeworfen, dass ich rot wurde und ganz schnell vorbeiging. Und Handschellen hatten sie im Fenster liegen, du meine Güte …
Wenn ich mir vorstelle, wie der Manfred und ich, nein, so was macht der nicht, das ist so ein anständiger Mann.


Die Garagentür knallt zu, er stiefelt die Treppe hoch. „Marie! Komm mal schnell her …“ Dann steht er vor mir, in Jeans, Turnschuhen und irgendeinem unansehnlichen T-Shirt am Leibe, Haare und Augenbrauen von Schleifstaub bedeckt. Seufzend stelle ich den Staubsauger ab.
„Überraschung!“, sagt er und strahlt dabei übers ganze Gesicht. „Warte, ich muss erst die Rouladen …“ – „Nein“, drängt er, „komm einfach mal mit runter, es dauert nicht lange!“
Er nimmt mich am Ärmel, ich muss mit hinuntergehen, obwohl es so schade wäre, das gute Fleisch anbrennen zu lassen. Vor der Tür hält er an.
„Moment! Augen zu!“ Ich versuche, zwischen den Lidern hindurchzublinzeln, aber da hat er sich schon einen von meinen Schals geschnappt und verbindet mir die Augen.

Er öffnet die Tür und führt mich in die Garage. Blind, vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen, jetzt bin ich doch gespannt!
„So, hier bleibst du stehen.“
„Darf ich jetzt gucken?“ – „Nein.“
Er wirbelt mich ein paar Mal um meine eigene Achse; ich kann mir ein Kichern nicht verkneifen. Neugierig will ich den Schal anheben.
„Stehenbleiben!“, mahnt er, „Und nicht gucken.“ Ich schwanke ein wenig hin und her und warte. Er fummelt mit irgendetwas herum.
„Manfred, soll ich nicht eben mal nach den Rouladen …“ – „Du sollst gar nichts, jetzt bleibst du erst einmal hier.“
Irgendetwas an seiner Stimme hat sich verändert, ich kann nur nicht sagen, was. Und dann schiebt er mich ein Stück nach hinten, ich schlurfe langsam rückwärts, bis sich etwas in meine Kniekehlen drückt und ich auf meinem Hintern lande. Meine Hände ertasten fein geschliffenes und lackiertes Holz.
„Eine Gartenbank! Du hast mir eine Gartenbank gebaut!“ Ich höre ihn leise lachen. Er nimmt meine Hände in die seinen, streichelt zärtlich über meine Finger, breitet meine Arme aus und legt sie auf die Lehne.
„Danke …“ Er tritt hinter mich, seine Hände streicheln meinen Nacken, ich lege den Kopf zurück an seinen Bauch. Und dann spüre ich nur noch Seil um meine Handgelenke und bin gefangen.

Nein, das geht jetzt aber zu weit! „Manfred!“ Ich protestiere laut.
„Pssst“, macht er, dicht an meinem Ohr. „Sei einmal ganz still … hör auf zu atmen … was hörst du?“ Ich vernehme ein deutliches, rhythmisches Geräusch in meiner Nähe, stetig, mal näherkommend, mal sich entfernend, es ist ein Schrappen, ein Bürsten, es ist …
„Oh mein Gott, das ist Werner!“ Der Nachbar, er kehrt.
„Ja, und sei dir sicher, er hört dich auch. Er ist direkt vor dem Tor. Er hört jeden Ton.“ Ich wage kaum zu atmen. Manfred nimmt etwas aus dem Regal, er wickelt es ab, ein Reißen, wie Stoff, er spuckt etwas aus, was zwischen seinen Zähnen hängt und klebt mir einfach den Mund zu!
Ich bin empört, aber jeder Ton, den ich von mir geben will, wird vom Textilband verschluckt, mir bleibt nur ein Schnaufen.
„Marie!“, und noch einmal: „Mari – hie …“ Ich hasse es, wenn er das so sagt.
„Marie!“, seine Stimme ist jetzt ganz leise, „Beruhige dich.“ Wie sollte ich?

Ich sitze, warte, versuche die Geräusche um mich herum zu erkennen. Herumkramen in der Werkzeugkiste. Ein Klacken, etwas rastet ein. Der Stecker in der Steckdose. Ein Motorgeräusch, der Akkuschrauber! Das Vibrieren ist direkt neben meiner Hand, die Schraube quietscht, ein Geruch von angesengtem Holz steigt auf, du liebe Güte, die schöne Gartenbank, und auf einmal spüre ich, wie sich etwas Metallenes um mein Handgelenk legt.
Ruhig fixiert er die zweite Schraube, dann meinen anderen Arm, und zu meiner Verwunderung bemerke ich, dass mein Ärger verfliegt. Im Gegenteil, eine merkwürdige Spannung steigt auf, ich weiß gar nicht, was das ist. Seine Hand berührt mein Gesicht, er streicht sanft über meine Wange.

„Alles in Ordnung?“, fragt er, und ich nicke, spüre, dass seine Haut doch recht rau geworden ist von all der Arbeit. Er hockt jetzt direkt vor mir, sein Gesicht dicht an meinem, seine Hände beginnen über meinen Körper zu fahren, er knöpft meine Bluse auf, schiebt den Stoff über die Schultern und streichelt die nackte Haut darunter.
Es schaudert mich, ich bekomme Gänsehaut, spüre, wie sich meine Brustwarzen aufrichten. Er berührt mich, mal sanft, mal fester, streichelt, kneift, leckt, beißt, und dann ist er weg, kramt wieder nach etwas, zögert, legt es zurück, nimmt es wieder, zögert erneut, fasst wieder meine Brustwarze, jetzt entschlossen, und klemmt etwas an ihr fest.
Meinen Schrei verschluckt das Textilband, ich ziehe heftig Luft und vergesse vor Schreck, wieder auszuatmen; ein heißer Schmerz durchläuft Brust, Schultern und Arme, um als Welle der Lust völlig unerwartet zwischen meinen Beinen zu enden. Die zweite Klemme, diesmal will ich mich etwas entspannen, habe dennoch keine Chance; ich kann nur ächzen und versuchen, mich nicht zu bewegen. Seine Hand an meiner Wange.
„Geht es?“, fragt er, ich nicke kaum merklich, denn jede Körperregung scheint den Schmerz zu erneuern. „Tapferes Mädchen“, flüstert er und liebkost mich weiter.
Nach einer Weile nimmt er die Klemmen ab; auf diese Pein war ich nicht vorbereitet. Zwei, drei Tränen versickern unentdeckt in meinem Schal.

Er lässt mir nicht viel Zeit, mich zu beruhigen. Öffnet meine Hose.
„Arsch hoch“, flüstert er, und zieht sie mir aus. Verwirrt sitze ich auf dieser harmlosen Gartenbank, halb nackt, blind, stumm und wehrlos und völlig überrascht von meiner eigenen Erregung. Und ich spüre die seine, höre sie in seinem Atem, in seiner Stimme und frage mich, was wir hier tun, was gerade mit uns passiert.
Er spielt mit meinen Sinnen, berührt mich mal zärtlich, mal heftig, mit den unterschiedlichsten Dingen. Kalter Stahl jagt mir Schauer über den Rücken. Federweiche Tücher lassen mich schmelzen, um sofort unter einer scharfen Klinge, vorsichtig über meinen Körper geführt, zu Eis zu erstarren. Dazwischen immer wieder seine Haut auf meiner, warm, fest, vertraut.
Kalte Wassertropfen, die über Brust und Schenkel rinnen. Seine Zunge, die sie auflecken. Ein Feuerzeug, das direkt neben meinem Ohr aufschnappt, die Hitze in meinem Gesicht.
Ich bin gelähmt vor Schreck, er lacht nahezu unhörbar, beruhigt mich wieder. Und auf einmal lasse ich mich fallen in diesen Taumel aus Eindrücken und Gefühlen, vertraue, gebe mich hin, genieße.

Stille. Ich warte. Ich spüre, wie er vor mir steht, aber er rührt sich nicht. Ich warte, mit Spannung, Angst und Herzrasen. Höre eine Schnalle, wie sie geöffnet wird, vernehme das charakteristische Geräusch eines Gürtels, den man aus den Schlaufen zieht, höre ihn tief einatmen, seine Stimme, auf einmal ganz heiser: „Bist du bereit?“
Ich nicke kaum sichtbar und in demselben Augenblick klatscht sein Gürtel auf meinen Oberschenkel und lässt mich vor Schreck hochfahren. Der nächste Schlag, ich zerre an meinen Fesseln, noch einer, ich quietsche angstvoll in das Textilband.
Sofort ist seine Hand da, die mich streichelt und tröstet. Ein Schlag, mein Wimmern, seine Hand. Langsam und ruhig. Schmerz, Trost und Erregung, eine eigenartige, nie gekannte Mischung, wieder und wieder.

Seine Schritte kommen näher, sehr nahe; vorsichtig löst er das Textilband von meinem Gesicht und nimmt mir den Schal von den Augen. „Geht es dir gut?“, fragt er, und ich bejahe, meinen Mann anblickend, mit dem ich seit 19 Jahren verheiratet bin und den ich doch so nie gekannt habe.
Sehr vertraut und doch völlig fremd erscheint er mir, wie er da steht und auf mich herabsieht. Seine Augen wirken ernst und konzentriert, aber das kleine schalkhafte Zucken um die Mundwinkel bleibt ihm auch jetzt erhalten.
Er hat sein T-Shirt abgelegt, ich sehe seinen kleinen Bauchansatz, aber auch muskulöse Schultern und seine wohlgeformten Arme und mein Blick kann sich kaum lösen von seiner Hand, den schlanken, sehnigen Fingern, um die er seinen Gürtel geschlungen hat, bereit, zum nächsten Schlag auszuholen. Wann war mir das letzte Mal aufgefallen, wie schön und attraktiv er ist?
„Ich möchte dir etwas zeigen“, sagt er, „Sieh dich an.“ Ich starre weiter in sein Gesicht.
„Sieh dich an, Marie“, wiederholt er mit Nachdruck, und ich blicke an mir herab. Rote Striemen leuchten auf meinen Oberschenkeln. Und zwischen ihnen glitzert es.
„Siehst du das, Marie?“, fragt er. Ich nicke. „Siehst du, was das mit dir macht?“ Ich nicke wieder. Er tritt einen Schritt zurück.
„Nimm die Beine auseinander“, sagt er, ich sehe ihn ausholen, sein Arm saust nieder, der Gürtel trifft die weiche Innenseite meines Oberschenkels und ein neuer Striemen schwillt mir entgegen.
Mir schießen die Tränen in die Augen, doch schon berührt er mich wieder, sanft, zärtlich, meine Beine und die weiche, glitzernde Stelle dazwischen, liebkost sie, teilt sie, taucht in sie ein, ich stöhne auf, will nichts sehen, aber er verbietet es mir und zieht mich dichter an sich heran.
„Sieh mir in die Augen, Marie“, befiehlt er, und dringt hart und heftig in mich ein.

Und ich verliere mich in seinen Augen, etwas in mir schmilzt. Die Garage um mich herum löst sich auf, es bleibt nur der Duft seines Schweißes und ein Hauch von Benzin.
Und auf einmal spüre ich den Wind in meinen Haaren, die sengende Sonne Kaliforniens auf meiner Haut und höre den monotonen Rock'n'Roll der Maschine unter mir, er am Lenker, ich halte mich an ihm fest und vor uns erstreckt sich der Highway bis zum Horizont.

Die Wellen in meinem Körper ebben nur langsam ab. Erschöpft schmiege ich mich an seine Brust, atme schwer und finde nur langsam auf den Boden zurück. Da ist etwas in der Luft, etwas Störendes, etwas, was hier nicht hingehört … ein Geruch von angebranntem Fleisch.
„Ach du Scheiße“, wispere ich, „die Rouladen …“
„Quatsch Rouladen“, sagt er und blickt mit todernster Miene auf mich herab. „Das bist du, meine heiße Lady!“
Und dann beobachte ich, wie etwas in ihm aufsteigt, sich zunächst in den Augenwinkeln breitmacht, die Augen blitzen lässt, es läuft über sein ganzes Gesicht, überzieht es mit einer leichten Röte, er hält die Hand vor den Mund, prustet und dann bricht es aus ihm heraus, ein Lachen, das seinen ganzen Körper vibrieren lässt, ein Lachen, unwiderstehlich und ansteckend, laut, fröhlich und befreit, ein Lachen, das anhält, bis wir Martins Wagen in der Einfahrt hören.

Verfasserin feuer-engel (ZN=245130)

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