Verlorenes Rehlein

Als sie ankamen, war die Party schon voll im Gange.
Sie hatte einen schwarzen Lackbody und hohe, geschnürte Lackstiefel an. Der Absatz war mörderisch, erübrigte jede weitere Fesselung oder Erniedrigung, um ihr ihre eigene Schwäche vorzuführen. Sie war völlig wehrlos auf diesen Stelzen.
Sie gingen in die Bar, was sie sehr begrüßte. Ein Glas Wein und eine Zigarette kämen ihr gerade sehr entgegen.
Sven aber bat sie um ihre Handgelenke. Sie verstand nicht so richtig, es war auch sehr voll und laut, also nahm er, etwas grob, ihr rechtes Handgelenk und machte eine Lederfessel daran. Er schaute sie an und öffnete seine Handfläche. Sie gab ihm das andere Handgelenk, widerwillig, da ahnend, dass es nichts würde mit dem Glas Wein.
Zumindest noch nicht.

Er befestigte ihre Hände hinter ihrem Rücken an der Theke und fuhr mit seiner Handinnenfläche über ihr Gesicht. Von oben nach unten, wie man über die Augen einer Leiche fährt. Sie schloß die Augen, um sie gleich wieder aufzumachen und ihn anzusehen. Er wiederholte seine Geste. Auch sie öffnete nach einem kurzen Schließen wieder ihre Augen. Sie erntete einen ziemlich bösen Blick, also ließ sie die Augen nach einer dritten Schließung auch brav zu.
Sie spürte, wie der Reißverschluss ihres Bodys geöffnet wurde. Ihre Brüste waren jetzt frei. Dann zuckte sie, ob einer unerwarteten Berührung am Ohr zusammen und hörte ihn flüstern.
„Ich gehe jetzt. Ich bin hier irgendwo, keine Sorge. Ich möchte, dass du deine Augen geschlossen hältst, ebenso wie deinen Mund. Egal, was passiert. Verstanden?“, sie nickte.

Es war ihr bewusst, dass sie bestimmt einen reizvollen Anblick bot. Die Spannung in ihr wuchs und sie konnte nicht wissen, wie viele Menschen sie anschauten, sie überhaupt wahrnahmen, welche Gedanken sie sich machten…
„Mmmhhh!“, eine tiefe Männerstimme riss sie aus ihren Gedanken heraus. „Ein verlorenes Rehlein“, ganz nah an ihrem Ohr.
„Wo ist denn dein Herr?“, fragte er und sie hörte ihr Herzklopfen im Ohr. „Oh, ich verstehe, du darfst nicht.“ Eine etwas längere Pause folgte, in der sie nicht wusste, ob der Mensch noch da war oder bereits gegangen war.
„Deine Brüste sind bezaubernd“, sagte er und sie hoffte, er würde sie nicht anfassen, bzw. sie war in Panik, er würde es tun, da sie keine Ahnung hatte, was sie dann tun würde.
Wenn Sven sie beobachtete, dann wäre ja alles gut, dann würde er auch eingreifen oder vielleicht gehörte dies auch dazu. Was, wenn er nicht eingriffe? Was, wenn er gerade nicht hinschaute, was wenn er es nur gesagt hatte.
Sie kannte ihn erst seit drei Stunden. Konnte sie ihm vertrauen? Wer war dieser Typ neben ihr überhaupt? Eine schöne Stimme hatte er, ohne Frage.


„Darf ich dich anfassen?“, fragte er und sie sah all ihre Befürchtungen Realität werden. „Du kannst auch einfach nur nicken oder den Kopf schütteln oder darfst du das auch nicht?“, fragte er, mit einem amüsierten Unterton in seiner Stimme.
Sie schüttelte den Kopf. Zögerlich. Eigentlich sich diese Berührung wünschend, aber gleichzeitig in absoluter Panik davor. Fühlte sich ein wenig auf die Probe gestellt, aber auf eine ihr sehr unbekannte Art. Das ließ sie mehr als hilflos fühlen, da waren die Absätze nichts dagegen.
„OK, Prinzesschen. Des Menschen Willen ist sein Himmelreich. Adieu“, hauchte er ihr ins Ohr und berührte dabei ihr Ohrläppchen mit seiner Lippe.

Eine halbe Ewigkeit später, als sie bereits nicht mehr wusste, wie sie überhaupt stehen sollte, da ihre Füße in den Stiefeln wegzuknicken drohten, fühlte sie eine Hand in ihrem Nacken und ein ihr bekannter Geruch traf sie gleichzeitig mit den Worten „Sieh mich an.“
Svens Stimme erleichterte sie sehr, sie stand da schon so lange, dass sie Sorge hatte, er wäre tatsächlich gegangen. Er band sie frei und half ihr auf den Hocker.
Auf der Theke stand ein Glas Weißwein und ihre Zigaretten lagen ebenfalls dort. Er bot ihr eine an, gab ihr Feuer und strich mit einem Lächeln durch ihr Haar. Seine Augen waren sehr undurchsichtig. Zwei schwarze Knöpfe. Aber sein Lächeln war sehr entwaffnend, innig und erfüllte sie mit Stolz. Sie dachte, er würde sie jetzt küssen.
„Du gefällst mir. Sehr.“ Er hatte ihr Gesicht zwischen seine Hände genommen. Er küsste sie und biss ihr dabei in die Unterlippe, schneller als sie reagieren konnte. Sie nahm ihre Hand an die Lippe und fühlte und schmeckte ihr Blut.
"Ich gehe jetzt“, sagte er, lächelte, leckte mit der Zunge über ihren Mund, drehte sich um und ging.

Verfasserin Temples

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