Das Weizenfeld

Du bist der Bauer, der den Acker bestellt. Jedes Spiel ist dein Anpflanzen in mir, in uns. Unermüdlich legst du Korn für Korn in unsere Erde. Mit deiner dir eigenen Aufmerksamkeit gibst du mir alles, um zu wachsen. Über mich selbst hinaus zu wachsen.
War ich eben noch ein unscheinbares Samenkorn, so gibst du mir mit meinen Fesseln meinen Platz in dieser Erde, diesen Platz, an dem ich jetzt sorglos meine Wurzeln sprießen lassen kann. Du verankerst mich sicher vor Unwettern.

Zärtlich lockst du mich, aus mir heraus zu sprießen, über der Oberfläche gibt es so viel zu entdecken. Ich brauche keine Angst zu haben, du wachst sorgsam über das, was auch dich nährt.

Du lässt mich über den Boden kriechen, tief, voll Demut. Die erste Wahrheit findet man knapp über der Oberfläche. Nahrhaften Boden, der nur auf den ersten Blick tot erscheint. Doch du lässt mich all die Wunder erkennen, die er beinhaltet. Er pocht, prall gefüllt mit Leben, ständig dabei, sich selbst zu erneuern. Keine Stelle gleicht der anderen.
Du zeigst mir die Steine, die sich mir in den Weg stellen können, du zeigst mir die Stellen, die sandig und trocken sind, durstig auf den nächsten Regen warten. Lehm in dicken Klumpen, bereit aufgelockert zu werden. So führst du mich umsichtig nahe an den Hindernissen vorbei, du lachst über mein Staunen, warum habe ich all dieses vorher noch nie gespürt?

Mächtig stehst du über mir, wissend um all diese Dinge, vor denen ich die Augen verschlossen hatte. Bereit, mich wachsen zu lassen, bereit, mein Wachstum zu nehmen. Für dich, zu deiner eigenen Freude und Befriedigung. Du hast mir die Augen geöffnet und jetzt forderst du mich auf, endlich den Weg in Richtung Sonne aufzunehmen.

Die Steine bleiben liegen, so schnell kann sie niemand entfernen, aber du hast mir einen Weg gezeigt, zwischen ihnen zu sein und trotzdem das Licht zu sehen. Die Zeit wird dir helfen, dass sie eines Tages ganz im Erdboden verschwunden sind, tief genug, um mich gerade noch erinnern zu lassen, dass es sie gab.

Und so recke ich mich ein bisschen hinauf. Auf meinen Knien komme ich dem Licht entgegen. Du lässt mich innehalten. Weit gespreizt darf ich die Sonnenstrahlen kosten, alles in mir aufnehmen, was du mir gestattest.
Reine Energie durchströmt mich, lässt mich vergessen, wie dunkel es unter der Oberfläche war, lässt mich gierig werden nach mehr. In deinen Augen sehe ich, wie sehr es dich befriedigt, dein Werk zu betrachten. Dein Lächeln lässt mich mutig werden, es schenkt Zuversicht und Vertrauen.

Regen. Regen auf meiner Haut gibt mir den Impuls, mich noch ein Stück weiter zu recken, weiter dem Himmel entgegen. Tropfen prasseln auf meine Haut. Heiß und doch wunderbar. Schöner als ein Sommerregen. Du siehst den kleinen Tropfen zu, wie sie sich langsam zu Wachsseen zusammenschließen, um zusammen zu erkalten.
Mit kleinen Stichen fährt die Hitze unter meine Haut, lässt mich spüren, wie verletzlich ich doch sein kann. Du genießt meine Hilflosigkeit, meine Bereitschaft, mich in deine Hände zu begeben, um dort zu dem zu werden, was meine Bestimmung ist.

Erregt beschließt du, dass es Zeit ist, mich zu meiner vollen Größe reifen zu lassen. Klammern auf meiner Haut ziehen mich drängend nach oben. Höher, immer höher. Das Wachs platzt von meinem Körper.
Während ich mich strecke, spüre ich den Schmerz in mir. Langsam kommt er, wird immer mehr. Du schenkst ihn mir als Nahrung auf meinem Weg. Statt mich zu schwächen lässt er mich stark werden. Je stärker er wird, desto schneller werde ich auf meinem Weg hinauf zur Sonne.

Damit mich meine Wurzeln nicht hindern, meine Reise fortzusetzen, pflückst du mich zärtlich, ich bin reif, ich brauche keine Wurzeln mehr. Mit Flogger und Peitsche erntest du wie mit einer Sense. Die letzten Wachsspuren verlassen meinen Körper, um sich auf dem Boden zu sammeln. Deine Peitschenhiebe trennen mich vom Erdreich.
Du hebst mich auf, um mich dem Wind zu übergeben. Diesem mächtigen Wind, der mich mit sich reißt und immer höher hinauf trägt bis zu der großen Feuerkugel, die mich schließlich verbrennt.

Langsam, ganz langsam falle ich als Asche in deine starken Hände zurück, die schon darauf warten, mich aufzunehmen, mich wieder willkommen zu heißen. Dankbar sehe ich, wie viel es dir bedeutet, unser Spiel vom Werden, Wachsen und Sein auf unserem fruchtbaren Boden – unserer Liebe…

Autorin Fea

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