Der Seelendieb

Drei endlose Jahre lang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Jede Nacht hatte ich davon geträumt. Wir hatten uns geschrieben, Geschichten erfunden und wir hatten telefoniert. Ich hatte ihm die ganze Zeit gehört, ihm gedient, bedingungslos.

Nun saß ich neben ihm. Immer wieder wiederholte er dieselben Worte: „Mann Mädchen, was machst Du nur? Warum hast Du das getan?“
Ganz leise gab ich zurück: „Ich wollte bei Dir sein. Ich gehöre Dir.“ Schweigend hörte er zu, wie meine Antwort verklang. Endlos. Er sah mich ernst an und schüttelte den Kopf.

Nach einiger Zeit stellte er seine Frage erneut: „Warum nur?“ Ich schluckte und sagte noch leiser, fast weinend: „Ich konnte Dich nicht vergessen.“ Wieder schwieg er und warf mir sorgenvolle Blicke zu. Die Stille ließ Minuten zu Stunden werden. Mein Herz schien zu bersten und dann kam die Frage wieder: „Warum nur?“ Meine Antwort war vollkommen ruhig, aber die Qual war nicht zu überhören: „Weil ich Dir gehöre. Du nahmst meine Seele mit.“

Und schon wieder war er still und die Ungewissheit quälte mich. Sein prüfender Blick entblößte jeden Gedanken in mir. Er kannte mich. Ich hatte ihm jeden Wunsch, jeden Traum, jede Regung meiner Gefühle geschrieben, weil er es so gewollt hatte.
Er kannte mich und meine Sehnsucht wie niemand sonst. Er hatte ein Forum geschaffen nur für mich und ihn. Ich hatte ihm täglich berichtet von der Erfüllung meiner Aufgaben, von meinen Gedanken, meinen Gefühle und von jeder noch so kleinen Reaktion.

Still wartete ich auf ein Zeichen von ihm, mich zu bewegen oder unaufgefordert etwas zu sagen, wagte ich nicht. Irgendwann streckte er seine Hand aus, legte sie nur in meine Nähe. Ich verstand.
Mit ein wenig Erleichterung legte ich meine Hand in die seine. Sehr vorsichtig und sanft war die Berührung. Ich ließ sie ruhig dort liegen.

Dort lag sie nun also, leicht gebräunt, mit all den Narben, welche die Wunden hinterlassen hatten, die ich mir zugefügt hatte, wenn der Schmerz, ohne ihn zu sein, zu mächtig wurde. Die lackierten Fingernägel glänzten im dämmrigen Licht, in der Farbe, die er so liebte.
Aufmerksam betrachtete er jede Einzelheit meiner Hand. Wir hatten darüber geschrieben, tausend Mal und ich fühlte mich nackt unter seinem Blick. Ängstlich wartete ich, was nun geschehen würde.
Seine Worte waren vernichtend für mich: „Deine Nägel sind zu kurz.“

Voller Scham senkte ich den Kopf, ohne einen Laut von mir zu geben. Meine Gedanken überschlugen sich, mein Gesicht war so bleich wie sonst nie. Er hatte einen Fetisch, was Hände anging, das war mir sehr wohl bewusst.

Mit gespielter Ruhe wartete ich weiter, bis er näher an mich heran kam und mir mit betörender Sanftheit ins Ohr flüsterte: „Liebkose, meine Süße, zeige, ob Deine Finger sanft sein können und höre nicht auf, bevor ich es Dir erlaube.“

Diese Erlaubnis kam so vollkommen unverhofft, dass sofort ein Feuer in mir entbrannte. Still streichelte ich seine mit meinen Fingerspitzen, so sanft und geduldig wie noch nie in meinem Leben. Meine Augen waren voller Hingabe auf seine Hand gerichtet.
Sanft wie ein Windhauch strichen meine Fingerkuppen und meine Nägel über jede noch so kleine Stelle seiner Hand. Lösten die Berührungen doch auch in mir so vieles aus, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Um mich herum vergaß ich alles, verlor mich in grenzenloser Zärtlichkeit.

Er nickte zufrieden und sagte ganz ruhig zu mir: „Dort ist nicht Dein Platz, meine süße kleine Sklavin.“
Meine Erregung wurde noch größer. Ich sank neben ihm mit einer geschmeidigen Bewegung zu Boden, schmiegte meine Wange an sein Bein.
Seine andere Hand vergrub sich in meinem langen seidenweichen Haar, manchmal sanft und dann wieder fest, fast schmerzhaft. Er bettete meinen Kopf zwischen seinen Beinen, so wie er es wollte, und ich war außer mir vor Glück, schmiegte mein Gesicht in seine Mitte, wie er es liebte. Tief atmete ich den noch wenig vertrauten Duft seiner Haut ein und genoss es. So kniete ich lange Zeit.

Meine Beine schliefen ein, dann schmerzten sie, schließlich kam die Taubheit. Es bedeutete nichts für mich. Wann immer ich den Kopf ein wenig anheben wollte, packte er fester in mein Haar und drückte mich zurück an meinen Platz.
Diese Geste der Unterwerfung berührte mich tief in meinem Herzen und ich wusste, ich war noch niemals so glücklich gewesen. Es war nicht wichtig, was mit meinen Beinen war, wenn ich nur dort sein durfte. So dicht an ihn geschmiegt und geborgen in seinem Schoß fühlte ich mich sicher.

Wie lange ich dort so kniete, konnte ich gar nicht einschätzen. Es war lange. So viel war mir klar. Draußen war es bereits dunkel geworden, das milchige sanfte Licht des Mondes erhellte nun den Raum.
Sehr viel später beugte er sich erneut zu mir hinab und sein warmer Atem streichelte mein Ohr, als er mir zuflüsterte: „Geh ins Bad, ich bereite uns ein Lager für die Nacht. Deine Kleidung wirst Du nicht mehr brauchen. Ich will Dich sehen, wenn ich dich liebkose, die ganze Nacht, bis Dein Körper blutet vom Streicheln und Küssen.“

Ich erschauerte und konnte es mir nicht vorstellen, doch ich gehorchte mit unsicheren Schritten, musste mich festhalten an den Wänden, denn ich konnte kaum noch laufen.
Als ich zurückkehrte, war das Lager für uns bereit und er sah mich abwartend an. Befangen machte ich mich daran, meine Kleidung abzulegen. Scham war zwar unsinnig, denn er kannte jeden Winkel meines Körpers von Fotos, doch das hier war anders.

Schweren Herzens lege ich die schützende Kleidung weg und wollte mich unter der Decke verstecken, was ihm ein Lächeln und ein Kopfschütteln entlockte. So legte ich seufzend die Decke zur Seite und mich auf den Rücken, wie er es mir mit einer Handbewegung bedeutet hatte.
Er fasste in meine Kniekehlen und winkelte so meine Beine an, kniete sich dazwischen und sah mich lange an. Es fiel mir so schwer, es geschehen zu lassen, doch wenn er es so wollte...

Ohne eine erkennbare Regung ließ er seine Blicke über meinen nackten Leib gleiten. Schon jetzt brach mir der Schweiß aus und überzog glänzend meine Haut, mein Blick war unruhig.
Liebevoll und beruhigend murmelte er: „Ich habe mir deine Bilder in den letzten Jahren so oft angesehen und davon geträumt, diesen Körper zu berühren. Deinen Namen habe ich vergessen, doch niemals Deinen Körper und das, was Du mir schriebst. Willst Du mir gehören? Nur heute Nacht? Als meine kleine Kajira? Mein Lustmädchen?“

Die Worte waren so zärtlich, wie ich es noch nie gehört hatte. Still nickte ich. Aus freien Stücken nahm ich die Haltung einer Kajira an, die ihrem Herrn alles offenbart. Ich legte meine Hände neben meinem Körper ab und spreizte meine Schenkel so weit, dass es schmerzte. Einen tiefen Atemzug nehmend brachte ich mich zur Ruhe, verbannte all meine Zweifel aus mir.
Ganz langsam streckte er seine Hand nach mir aus und begann mich zu erforschen. Er wusste offensichtlich, wonach er suchte, berührte die Punkte ganz kurz und behielt mich dabei sorgsam im Auge. Meine Reaktion sagte ihm mehr als tausend Worte und mein Stöhnen kannte er aus unseren Telefonaten. Er wusste, welche Laute ich wann von mir gab. Es war nicht notwendig zu fragen.

Erneut flüsterte er: „Du gehörst mir, mein kleines Lustmädchen, heute Nacht, du wirst mir gehorchen. Ich werde Dich streicheln, bis Dein Körper blutet und dann werde ich Dich mit meinen Küssen trösten. Du bist mein!“

Schon so oft hatte ich das gehört und auch gelesen, doch seine Augen verrieten mir, dass es sein Ernst war.

„Ich habe so auf Dich gewartet. Jede Nacht habe ich von Dir geträumt. Meine Seele war bei Dir, was immer auch war. Sie hat über Dich gewacht...“ So zart und sanft wie noch nie kamen die Worte über meine Lippen. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass sie so klingen konnte, meine Stimme. War es meine? Oder die der kleinen Kajira in mir?

Wieder und wieder nahm er sich, was er wollte. Wenn ich mit Schweiß überströmt da lag, wischte er ihn vorsichtig fort. Wurden meine Schreie zu laut, befahl er mir, mich mit meiner eigenen Hand zum Schweigen zu bringen, und ich biss in sie hinein, bis sie zu bluten begann.

Im Morgengrauen schliefen wir ein. Eng aneinander geschmiegt, meine zarte Hand um seine Härte gelegt. Er hatte mir verboten, sie dort wegzunehmen und selbst im Schlaf wagte ich es nicht.
Als wir gegen Mittag erwachten, waren wir beide verkatert und als ich ins Bad ging, stellte ich fest, dass meine Brüste und meine Scham genauso blutig waren wie meine Hand. Er hatte seine Worte wahr gemacht. Jedes einzelne.

Ich kleidete mich an, um es vor ihm zu verbergen, und kehrte zu ihm zurück. Den ganzen Tag verbrachte er damit, gelangweilt von einem Fernsehkanal zum anderen zu schalten, sich über seinen Kater zu beschweren oder schlicht seine Unlust kundzutun.
Zum ersten Mal nach drei Jahren sah ich ihn, wie er wirklich war. Er war nur ein Mann. Ein Mann, gefangen in sich selbst und in seinen Ängsten, unfähig, sein Zimmer zu verlassen, jemanden zu lieben, nur auf der Suche nach Zerstreuung. Er lebte ein virtuelles Leben, weil er das wirkliche Leben nicht ertrug. Er war nicht mein geliebter Krieger und er war nicht mein Herr. Nur ein Mann.

Zum Abschied umarmten wir uns flüchtig und wir wussten beide, wir würden uns niemals wieder sehen. Es war ein Abschied für immer. Ich hatte mir meine Seele zurückgeholt. Sie war wieder mein. Sie ist es noch und niemand wird sie mehr bekommen, der nicht real mein Krieger und mein Herr sein kann.

Die Fotos sind noch immer auf seinem Rechner und die vieler anderer Mädchen auch. Ihre Seelen bewahrt er auf, bis wieder eine kommt, um sie sich zurück zu holen.

Autorin sinna

Webseite: http://www.ary-abadon.de/sinna/Sinna-geschichten.html

(ICQ: 457264364)

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