Wo beginnt der Traum und wo die Wirklichkeit?

„Ich sehe die Gerte in seiner Hand. Eine stille Drohung. Eine potentielle Gefahr.

So lauernd. So gierig. So lechzend nach meiner Haut…“

Die Sonne brennt. Die Wärme umgibt mich. Ich gebe zu, ich bin extrem sonnenempfindlich. Meine blasse Haut färbt sich lieber rot als braun und einen Sonnenbrand fange ich mir schnell ein. Nach wenigen Minuten mag ich nicht mehr. Mir wird es zu warm. So weiche ich der direkten Einstrahlung und laufe los. Meine Bücher klemme ich mir unter den Arm und schnappe mir meine Tasche. Der Park ist noch nicht so überlaufen. Es ist Freitagvormittag und die meisten Leute müssen arbeiten oder liegen noch im Bett. Eine perfekte Ausgangssituation. So kann ich die Ruhe genießen und entspannen. Ich schätze diese Augenblicke sehr. Der Park ist umgeben von hohen Bäumen, deren Äste im Wind hin- und herschwingen. Der Rasen ist saftig und grün. Es sind die ersten sommerlichen Tage in diesem Jahr. Einige angrenzende Wiesen erweitern das Areal. Leichte Hügel lassen den Park zusätzlich unübersichtlich erscheinen. Ich sehe die erste kleinere Gruppe mit Picknickdecken und Getränken über die Wiese schlendern und gehe weiter. In der letzten Woche habe ich einen neuen Weg aus dem Park finden wollen. So fand ich diese kleine Lichtung, leicht erhöht, umgeben von Bäumen und nicht allzu groß. Der perfekte Rückzugsort für mich, um Ruhe zu tanken, wenn sich der Park nach und nach füllt.

Ich kann mich dann besser konzentrieren, um zu lernen oder gar zu schreiben. Wenn ich dazu komme, denke ich mir. So schiebe ich mein schlechtes Gewissen ganz weit von mir weg. So wie meine Gesetzestexte, welche wie von selbst in meiner Tasche verschwinden. An meinem Platz angekommen, lege ich mich in den Schatten. Meine Haare habe ich mir zu einem Pferdeschwanz gebunden. Den öffne ich, damit mein Haar die Haut meiner Schultern kitzelt. Ich mag das Gefühl sehr und noch ist es dafür nicht zu warm. Meine Tasche dient mir als Kissen. Der Himmel ist hellblau. Kein einziges Wölkchen kann ich sehen. Ich winkle meine Beine an. Der Stoff meines Rockes rutscht mir über das Knie. Oh denke ich mir und zupfe ihn zurück an seinen Platz. Ich sehe mein neues Fußkettchen und muss lächeln.
Ich schließe meine Augen und höre die Vögel, die sich zu singen. Die leichte Brise kitzelt meine Sinne und meine Haut. Sämtliche Härchen stellen sich auf. Ich entspanne und lasse los vom Alltag, dem Stress und all der Hektik. Meine Atmung geht langsamer und gleichmäßig. Ich bin ganz bei mir, dem Hier und Jetzt und koste diesen Moment vollends aus. Sekunden um Sekunden verstreichen. Sie werden zu Minuten. Minuten erschaffen die Augenblicke. Augenblicke, die mein Bewusstsein hinfort tragen. Immer weiter und weiter…

„Ihr beide habt jetzt Sprechverbot. Euer Geschnatter geht mir auf die Nerven“, Arik scheint entnervt. Sein Tonfall ist ruhig und gradlinig wie immer. Sein Blick besonnen. Er kennt uns, besser als wir uns selbst. Wirklich genervt ist er nicht. Lyz grinst mich an und ich grinse zurück. Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr ihm dieses Geschnatter auf den Keks geht. Wir prusten erneut los. Arik bringt uns mit einem zurechtweisenden Blick zum Verstummen. Das ist normal bei uns. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Er hat seinen Gefallen daran. Er hat seinen Gefallen an uns. So soll es sein. Wir gehen hintereinander. Arik geht voran, dann kommt Lyz und dann am Ende gehe ich. Ich bin als Letzte hinzugekommen und deshalb stehe ich ganz unten. So hat Arik es mir erklärt.
Es sind die letzten Schritte zu unserem Zielort. Genaueres wissen Lyz und ich nicht. Das ist aber nicht nötig. Arik weiß es.

Vor einem modernen Gebäude bleiben wir stehen. Es ist geradlinig und im eleganten Anthrazit gehalten. Die Außenfassade wird indirekt beleuchtet. Richtig edel wirkt das. Um einzutreten wird ein Zahlencode benötigt. Arik tritt vor und gibt ihn ein. Jede Taste quittiert das Eingabegerät mit einem lauten Piepsen. Die Eingangstür entriegelt sich und wir treten ein.
Die letzten Schritte zu unserem Ziel. Es ist nicht das erste Treffen und doch kann ich diese Nervosität nicht abschütteln. Das Prickeln und die Spannung auf das was kommt. Auf das was uns erwartet. Wie es wohl um seine Erwartungen bestellt ist? Ich schweife ab. Gedanklich jedenfalls. Ihm fällt es auf. Arik steht vor mir und mustert mich. Seine Arme hält er verschränkt hinter seinem Rücken. Seine gesamte Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet. Sein Blick ruht auf mir. Er brennt sich nahezu ein. Seine Augenbraue ist hochgezogen. „Störe ich Dich?“, fragt er mich seelenruhig. „Niemals. Es tut mir leid, dass ich… kurz unaufmerksam war.“, antworte ich kleinlaut. Er wirkt auf mich. Seine Körpersprache verscheucht das freche Ding. Zum Vorschein kommt der andere Teil meiner Selbst. In seiner Gegenwart werde ich zu Wachs. Ich bade in dieser Empfindung. Ich koste solche Momente aus. Es ist ungewohnt, aber es fühlt sich gut an.
Ich bin mir jeder Faser meines Körpers bewusst. Ein Teil bebt, der andere zittert. Ein Gemisch aus Unsicherheit und der Wahrnehmung seiner Präsenz. „Dann ist es ja gut. Ich erwarte von Dir, dass Du heute besonders aufmerksam bist.“, erwidert Arik. Dann fügt er hinzu: „Auf dem Tresen liegt etwas für Dich.“ Er schaut zu einem Mann, der hinter ihm im Türrahmen erscheint. Arik nickt ihm zu und wendet sich von mir ab. Erst als er losgeht, wage ich einen Seitenblick.

Wir stehen in einem Vorraum, einer Art Foyer. Ich schaue mich um. Der Raum ist quadratisch und der erwähnte Tresen ziert die gesamte rechte Seitenwand. Auf ihm sehe ich einige Pflanzen und Flyer und zwei Umschläge. Zudem stehen dort ein paar Dekofiguren. An der gegenüberliegenden Wand hängen ein paar Bilder. Sie sind nicht so groß und in kalten Naturtönen gehalten. Es könnten Landschaftsbilder sein, so genau kann ich das bei meinem kurzen Umherschauen nicht erkennen. Zwei schmale schwarze Ledersessel stehen um einen kleinen Tisch vor dieser Wand. Die Eingangstür ist groß und massiv. Daneben hängen bodenlange schwere graue Vorhänge. Ich tippe auf bodentiefe Fenster. Das Licht ist angenehm und zum Teil indirekt. Der Boden ist dunkel gefliest. Eine kleine Herausforderung mit meinen Absätzen, aber eben nur eine kleine, denn ich habe geübt. An der Wand gegenüber ist ein Durchgang, durch den Arik und der andere Mann gegangen sind. Ich gehe zum Tresen. Drei Pflanzen in schwarzen Übertöpfen. Diverse Dekostücke stellen eine Frau und einen Mann dar. Sie halten und küssen sich. Daneben liegen verschiedene Flyer für Fetischveranstaltungen und Bondagevorführungen. Alle finden in der Nähe und recht zeitnah statt. Dann gibt es nur noch diese beiden Umschläge.

Ich grübele, er sagte er habe etwas für mich. Er sagte nicht, ob es ein oder zwei Dinge sind. Aber er betonte, ich solle aufmerksam sein. Ich schaue mir die Umschläge genauer an. Einer hebt sich durch einen leichten Grauton vom anderen ab. Arik bevorzugt graues Papier, doch das reicht mir nicht. Ich drehe beide um. Sie sind beide verschlossen, aber unterschiedlich. Der eine ist mit einem Klebestreifen zugeklebt. Dieser ist etwas schief angebracht. Der andere ist offensichtlich adäquat verschlossen. Ich nehme mir den grauen adäquat verschlossenen Umschlag und öffne ihn. Ein perfekt gefaltetes Blatt kommt zum Vorschein. Das bestätigt mich in meiner Annahme. Ich entfalte das Papier. Darauf sind fünf durchnummerierte Regeln aufgelistet. Die geschwungene Überschrift lautet: „Diese Regeln sind ab diesem Moment gültig.“

1. Du senkst den Kopf und schaust mir nicht ins Gesicht.
2. Du sprichst nur, wenn es Dir gestattet ist. Solltest Du mich etwas fragen wollen, sprichst Du mich mit „Mein Herr?“ an und wartest ab.
3. Wenn Du auf die Toilette musst, dann fragst Du und es wird nicht abgeschlossen
4. Du sitzt auf dem Boden.
5. Du isst und trinkst nicht, bevor ich begonnen habe und es Dir gestatte.

Ich glaube, das kann ich schaffen. Es dauert bis man Verhaltensregeln verinnerlicht. Es sind nicht die ersten, aber sie geben mir mehr vor. Langsam aber sicher verabschiede ich mich von meinem Welpenschutz. Ich freue mich. In meinen Gedanken gehe ich die Regeln einzeln durch. Immer wieder und wieder. Nach meiner Unachtsamkeit möchte ich mir nichts mehr erlauben. Arik soll stolz auf mich sein. Lyz steht hinter mir und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Sie ist ein gutes Stück größer als ich. Ihr Parfum entlarvt sie sofort. Ich lehne meinen Kopf an ihren und genieße die Nähe zwischen uns.

Arik erscheint im Türrahmen und ich nehme ihn direkt wahr. Heute soll ich schließlich besonders aufmerksam sein. Lyz geht vor und ich folge ihr. Wir gehen eine Etage höher und nehmen die kleine verwinkelte Treppe. Dann biegen wir rechts ab und folgen dem Gang bis zur zweiten Tür auf der linken Seite. Ich merke mir das alles genau. Die Tür ist nur angelehnt und wir treten ein. Ein großes Bett, ein Whirlpool, eine kleine Sitzecke, ein Kleiderschrank mit verspiegelten Schiebetüren und eine abgehende Tür. Ich vermute dahinter ein Bad. Der Bitte die Tür zu schließen komme ich direkt nach.

Es summt. Es kitzelt. Ich weiß nicht woher das kommt. Meine Umgebung verschwimmt. Lyz, der Whirlpool und Arik. Es ist wie vernebelt. Das Summen wird lauter. Das Kitzeln im Gesicht lässt sich nicht ignorieren. Der leichte Windhauch, das Vogelzwitschern. Alles ist präsent. Ich bin zurück. Zurück im Hier und Jetzt. Zurück in der Wirklichkeit. Ich verscheuche die lästige Fliege und drehe mich auf die Seite. Die Luft erwärmt sich nach und nach von der Sonne. Ich lege meine Hand unter meinen Kopf. Meine Traumwelt zerrt mein Bewusstsein in die Tiefe. Und so schlummere ich erneut ein. Das Vogelgezwitscher wird leiser. Alles ist so dunkel und ruhig…

Ich stehe breitbeinig da. Lyz beugt sich über meinen linken Fuß und schließt die letzte Schnalle. Lyz ist sein verlängerter Arm. Ihr widersetze ich mich nicht, denn es fällt auf sie zurück. Arik weiß das und er nutzt es aus. Er genießt es, wenn ich mit mir kämpfe und mich ihr zähneknirschend füge. Meine Arme habe ich hinter meinem Rücken verschränkt. Sie sind nicht gefesselt. Wir beide tragen ein Korsett und einen Spitzenslip. Lyz trägt zudem ihr Halsband. Es ist besetzt mit kleinen Steinchen und funkelt wunderbar. Sie nimmt mir die letzte Bewegungsfreiheit. Weglaufen kann ich nicht mehr. Auf sein Geheiß natürlich. „Wie ich sehe, hast Du den richtigen Umschlag gewählt. Ich hätte mich auch gewundert. Das war eine sehr simple Aufgabe.“, stellt Arik zufrieden fest. Er lässt mir keinen Moment des Triumphs. Er lässt mich nicht verschnaufen und fordert mich weiter. Es folgt eine neue Ebene. Ein hoher Anspruch. Ariks Anspruch.

Lyz soll sich mir gegenüber stellen. Auch sie steht breitbeinig da und auch sie verschränkt ihre Arme hinter dem Rücken, so vermute ich es jedenfalls. Lyz senkt ganz automatisch den Kopf. Sie steht gerade, nur der Kopf dementiert ihre stolze Haltung. Oder unterstreicht er diese noch? Arik stellt sich vor sie, mit dem Rücken zu mir. Seine Stimme durchbricht die Stille: „Nun folgt ein kleines Experiment. Ihr könnt einander erlösen, indem ihr Stopp sagt und ich von der Person ablasse und mich dann der anderen zuwende. Habt ihr verstanden?“ Fast parallel antworten wir, „Ja mein Herr.“ Lyz ist nicht masochistisch. Sie gelangt sehr schnell an ihre Grenzen, bei mir soll das anders sein. Zumindest ist das die Meinung von Arik. Wir werden sehen.

Ich kann sie nicht ansehen, denn er versperrt mir die Sicht. Was macht er da gerade? Sie zieht hörbar die Luft ein. Lyz Atmung geht schneller. Ich muss ihr helfen, sie mag doch keinen Schmerz, er kann doch nicht? „Stopp“, bringe ich hervor. Arik lässt von ihr ab und dreht sich mir zu. Mit zwei Fingern hebt er meinen Kopf an. Ich komme seiner Aufforderung zögerlich nach und schaue ihn an. Eine kurze schnelle Ohrfeige folgt. Meine Wange brennt. Viel mehr als meine Haut trifft sie mich. Ganz tief drin im Kern. Wieder weist seine Hand ganz zärtlich den Weg zurück. Wieder schaue ich ihn an. Es fällt mir schwer, seinem Blick zu begegnen. Lieber würde ich mich zusammenkauern zu seinen Füßen. Wieder folgt eine Ohrfeige. Dieses Mal ist es fester. Sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Innerlich falle ich weiter. Ganz tief. All das wiederholt sich mehrmals und ich gebe keinen Ton von mir. Man hört nur, wenn seine Hand meine Wange trifft. Meine Seele. Mein Ich. Ich nehme das „Stopp“; leicht vernebelt wahr. Einen kurzen Moment, den brauche ich jetzt. Meine Wange brennt. Ich sortiere meine Gedanken. Sie erlöst mich und ich bin ihr dankbar.
Ich atme bewusster, tief ein und aus. Alles ist so friedlich. Und dann höre ich ihr Jammern. Lyz hat Schmerzen und ich kann sie ihr nehmen. Ich zögere keinen Augenblick und beende das schnell mit einem „Stopp“. Ich vernehme ein erleichtertes Seufzen. Arik hat unser soziales Band immer gefördert.

Wieder dreht er sich mir zu. Er wird doch nicht wieder? Ängstlich wage ich mich nicht, ihm in die Augen zu blicken. Ich sehe nur seinen Mund. Ein schelmisches Grinsen breitet sich darauf aus. Die Gefahr löst ein Kribbeln aus. Mit jedem Augenblick kehrt meine Sicherheit zurück. Ich lege meinen Kopf zur Seite. Und dann folgt der Schmerz. Ich ließ mich ablenken. Ich wurde unaufmerksam. Die kleinen Spitzen pieksen meine Haut und der Druck erhöht sich, während das Nadelrad seine Bahnen über meinen Nacken fährt. Mit dem Druck erhöht sich auch der Schmerz und ich genieße es. Gänsehaut breitet sich aus. Ist das eine Falle? Das Kribbeln. Es fährt mir geradewegs zwischen die Beine. Der Schmerz erregt mich. Die Situation ebenso, ich bin ihm ausgeliefert. Die Empfindungen überrollen mich. Arik beobachtet mich. Er erforscht jede Reaktion und er weiß sie besser zu deuten, als ich selbst dazu imstande bin. Es tut so unendlich gut. Ich kann einfach loslassen. Ganz klein sein oder auch mal gierig. Das folgsame Ding oder der kleine Rebell. Im Einklang mit mir. Mit der Situation. Mit ihm. Ich muss mich nicht zurücknehmen, denn er kommt damit klar. Mit mir und all meinen Facetten.
Und dann höre ich es. Mit einem Mal ist es zu Ende. Zu früh denke ich mir. Ich möchte mehr. Es ist nicht das so vertraute Wort, sondern Ariks Stimme, die mich herausreißt.

„Was zeigt das mittlere Bild im Foyer?“, fragt mich Arik.
„Es ist die Abbildung einer Landschaft. Ein Strand, eine Küste, brodelndes Meer…“, beschreibe ich. Ich sehe die Gerte in seiner Hand. Eine stille Drohung. Eine potentielle Gefahr. So lauernd. So gierig. So lechzend nach meiner Haut, nach meiner Reaktion. In jedem Fall bedrohlich.

Sein dunkles Hemd ist oben aufgeknüpft und seine Ärmel hochgekrempelt. Mein Kopf ist gesenkt. Ich darf ihm nicht ins Gesicht schauen, sage ich mir immer wieder. Jetzt wo mein Denken nach und nach wieder funktioniert. Krampfhaft versuche ich mich zu erinnern, was auf dem Bild abgebildet ist. „Der Himmel ist grau und düster. Ein Gewitter zieht auf.“; ergänze ich. Fünf schnelle Schläge gehen auf meine Innenschenkel nieder. Ich ziehe die Luft ein, verziehe ein wenig mein Gesicht. Doch ich gebe keinen Ton von mir. „Das ist das falsche Bild. Nochmal“, weist Arik mich an. Seine Stimme ist fordernd und streng. Sein Tonfall ist ein ganz anderer, als zuvor. Bye bye gewohnter Welpenschutz. Er verschwindet Stück für Stück. Es spornt mich an, aber ich weiß es nicht mehr. Ich habe mir die Bilder nicht genau angesehen. Die Erkenntnis trifft mich nun. Psychisch mehr als physisch. Ich enttäusche ihn. Ich bin frustriert und sauer auf mich selbst. Mein Gewissen arbeitet für ihn. Resigniert erwidere ich: „Ich weiß es nicht, mein Herr.“ „Hände nach vorn und zusammen. Die Handflächen nach oben.“, sagt Arik. Ganz ruhig, ganz besonnen. Ist er sauer oder enttäuscht? Zweites mit Sicherheit und selbst das lässt er nicht durchblicken. Ich gehorche und betrachte meine Handinnenflächen. Ich handele ohne nachzudenken. Kein Zweifel und keine Angst. Es fühlt sich gut an und es ist so leicht. Es wird immer selbstverständlicher. Der erste Schlag saust auf meine Hände nieder. Nicht so fest, wie auf meinen Schenkel aber stechend. Ich stöhne auf und bin erschrocken, wie weh ein Schlag auf die Hand tun kann. Ich ziehe meine Hände kurzzeitig weg, nur um sie ihm direkt wieder hinzuhalten. Ein zweiter Schlag folgt. Mein Seufzen wiederholt sich, doch ich beherrsche mich. Ich ziehe meine Hände nicht weg. Ein dritter und vierter Schlag kratzen leicht an meiner Selbstbeherrschung. Wenn ich seine Fragen schon nicht beantworten kann, dann kann ich zumindest jetzt gehorsam und tapfer sein. Ich erwarte den nächsten Schmerz, den nächsten Teil meiner Strafe, doch sie bleibt aus. Ein Teil von mir führt einen Freudentanz auf. Der andere Teil schweigt. So schweigt auch Arik. Innerlich bitte ich um ein erlösendes Wort. Ein Wort kann so befreiend sein wie richtend. So wie es ihm behagt. Er schnipst und Lyz ist sofort bei ihm. Arik beobachtet mich weiter. Ich kann es spüren. Ich fühle seinen Blick, doch ich schaue nicht hoch zu ihm. Ich darf auch nicht, erinnere ich mich. „Bitte beschreibe das mittlere Bild“, bittet Arik freundlich. Zügig antwortet Lyz: „Ein See so klar und türkis, inmitten zweier Berge. Die Sonne steht hoch am Himmel. Ein leeres Boot treibt auf diesem Gebirgssee. Mein Herr.“Er dreht sich zu ihr und ich höre ihr wohliges Seufzen. Ich brauche sie nicht zu beobachten, um zu wissen was geschieht. Er streichelt ihr mit der Handaußenseite zärtlich über die Wange. Das ist seine Belohnung für ihre präzise und korrekte Antwort. Eine so vertraute und zarte Geste inmitten von Peitschen, Leder und strenger Konsequenz. Nähe und Distanz. Lust und Schmerz. Demut und Dominanz. Das ist unsere Welt in all ihrer Vielschichtigkeit.

Es wird immer wärmer um mich herum. Ich nehme es immer stärker wahr. Das Rauschen der Blätter, das Vogelzwitschern und die leisen Geräusche von Gesprächen. Aussagen, die ich nicht verstehe. Dafür sind sie zu weit entfernt. Ich öffne die Augen und sehe direkt in die Sonne. Sie blendet. Schnell schaue ich weg und setze mich auf. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die plötzliche Helligkeit. Ich fische mein Handy aus meiner Tasche und stelle erschrocken fest, dass es schon mittags ist. Die Wärme staut sich so langsam. Ich binde mir meine Haare zusammen und schnappe mir meine Tasche. Ich laufe los, etwas gehetzt, etwas gestresst. Ich habe doch so viel vor. Außer Atem erreiche ich meine Wohnungstür. In der Wohnung laufe ich hektisch umher. Ich räume im Eiltempo die im Wohnzimmer ausgebreiteten Ordner und Blöcke zusammen. Suche die Kleidung, die ich noch dringend waschen muss und stopfe sie in die Waschmaschine. Als nächstes eile ich in die Küche. Dann halte ich inne. Es läuft mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich gehe zurück in den Flur und schaue auf den Boden. Und dann habe ich ein Déjà-vu. Es fühlt sich so vertraut an. Vor der Tür auf dem Boden liegt ein Umschlag. Er hat einen grauen Glanz und er ist akkurat mit einem Klebestreifen verschlossen.

Autorin Beautifully (Die Geschichte ist die Gewinnergeschichte unseres 3. BDSM Geschichtenwettbewerbs)

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