Eine lange Zeit

Seit fast 2 Stunden sitzt sie nun wie versteinert auf ihrem Bürostuhl, hört nicht die fröhlichen Stimmen, die durch das geöffnete Fenster zu ihr hinauf klingen; ihr Blick sieht nicht den wolkenlosen Himmel und obwohl das Thermometer 32 Grad anzeigt, scheint sie zu frösteln, denn sie zittert.
Ihre bebende Hand hält krampfhaft ein Blatt gelbe Elefantenhaut umklammert, sodass ein eventueller Beobachter leicht zu dem Schluss käme, eine furchtbare schriftliche Nachricht hätte sie in diesen Zustand versetzt. Doch es ist ganz anders wie es scheint.

Ihr Blick liegt wie fest getackert.

Übereignungsvertrag

Ich, Sebastian Müller, geb. am 14 April 1961, verzichte mit dem heutigen Tage für 10 Jahre auf mein Selbstbestimmungsrecht und ordne mich in allen Bereichen den Entscheidungen meiner Lady unter.
Nach diesen Jahren bin ich ein freier Mann und nicht mehr ihr Eigentum und werde mein Leben wieder selbst gestalten.

Hamburg, den 30. Juni 1998


Sebastian Müller


Ihr war seit Wochen bewusst, dass das Datum, das den Vertrag zwischen ihnen beendete, sich unaufhörlich näherte und auch, was es für sie selbst bedeutete, doch bis heute hatte sie die Augen davor verschlossen.

Sie, die ihn in diesen Jahren formte, benutzte, demütigte, quälte, wollte ihn nicht freigeben, nein, sie wünschte, das alles so bliebe. Er sollte ihr jeden Morgen um 7 Uhr eine Tasse Kaffee und 2/2 belegte Brötchen ans Bett bringen und danach, während sie dieses Frühstück genoss, das Bad für die Morgentoilette vorbereiten.
Erst so waren die Morgenstunden für sie perfekt, die wenigen Male in den letzten Jahren, an denen ihre Tage anders begonnen hatten, weil er ernstlich erkrankt war, hatte sie nur in allzu schlechter Erinnerung.
Seine angenehme, sonore Stimme, die sie danach fragt, ob sie ihn abends benötigt, streichelte ihre Seele und sie weiß schon einige Jahre, dass er sich in ihr Herz geschlichen hatte. Nie hatte sie mit ihm darüber gesprochen, denn er war ihr Sklave und mehr, das hatten sie zu Beginn vereinbart, sollte er auch nie sein.

Damals, als er sich bei ihr bewarb - ihre Augen schließen sich und sie sucht in ihrem Gedächtnis nach den dazu passenden Bildern -, da machte er ganz deutlich, dass er fremdbestimmt dienen wollte und er nur den Zeitrahmen vorgab, mit dem sie sich einverstanden erklärte.
Zu Beginn war er durch eine harte Schule gegangen, denn in den ersten Jahren stand ihm oft sein Stolz und sein starker Wille im Wege und nicht immer gelang es ihr, ihn mit sanftem Druck zu dirigieren. Sie hatte ihn konsequent auch für den geringsten Fehler bestraft. Oft hatte er die Peitsche oder den Rohrstock gespürt, bis er sein Gesicht tränennass zu ihr wandte und sich dafür entschuldigte, dass er ihrer unwürdig sei.
Sie hatte dafür gesorgt, dass er beruflich erfolgreich durch das Leben ging, indem sie dies förderte und ihm dazu Freiraum gewährte, seine andere Lebenszeit gehörte ihr und sie verfügte nach ihren Bedürfnissen darüber.

Für einen Moment huscht ein Lächeln über ihr Gesicht, als in ihrer Erinnerung sein Gesichtausdruck auf sie wirkt, mit dem er im vierten Jahr ihr Geschenk, einen Keuschheitsgürtel betrachtet hatte.
Diesen trug er seit dieser Zeit oft für einige Wochen, denn eine verantwortungsvolle Herrin, ist auch dafür da, einen Mann vor sich selbst und seiner erhöhten Libido zu schützen. Sie wusste, dass das Keusch sein ihm viel abverlangte, denn sie nannte ihn oft: “Kleines, geiles Miststück.“

Langsam fällt die Erstarrung von ihr ab, denn sie weiss, dass sie dieses Mal nur als Bittstellerin, als liebende Frau agieren müsste, wenn sie möchte, dass er bleibt. Kein Befehl kann ihn halten, er ist nach dem heutigen Abend frei.
Vorhin, hat er kurz hier bei ihr im Büro vorbeigesehen und ihr den Vertrag und die Schlüssel zu ihrer Wohnung zurückgegeben, da glaubte sie für einen Augenblick Traurigkeit in seinen Augen zu sehen, aber sie schien sich getäuscht zu haben, denn er sagte nur ganz ruhig:
„MyLady, ich würde mich freuen, wenn Sie an unseren letzten Abend mit mir ausgingen. Ich werde einen Tisch für uns bestellen, wenn es Ihnen angenehm ist, darf ich Sie zur gewohnten Zeit abholen?“
Während dieser Sekunden, wurde ihr klar, das sie ihn nun unwiderruflich verlor und genau das ließ sie und die Welt um sie erstarren.
Sie brachte irgendwie ein Ja über ihre Lippen und war erstaunt, als sie sich sogleich alleine im Raum wiederfand. Er hatte sich schnell abgewandt und war so gleich entschwunden.

Ihr Blick fiel nun auf die Uhr, es wurde Zeit sich zu richten, die Büroräume für heute zu verschließen und die Treppen hinauf zu ihrem Reich zu erklimmen.

Auf die Sekunde pünktlich fährt Sebastian im Auto auf den Parkplatz, steigt aus und öffnete ihr galant die Türe.
Wortlos steigt sie ein und auch er ist ungewohnt still, eine zwischen ihnen bisher unbekannte Sprachlosigkeit, die den Abend prägt.

Sie isst kleine Köstlichkeiten, ohne diese genießen zu können. In ihrem Kopf schwirren verschiedene Szenarien durcheinander. Worte, Sätze, doch sie kann nicht aus ihrer Haut und der Schlag ihres Herzens hämmert gegen ihre Brust… lange ist es her, dass sie sich hilflos gefühlt hat und dieses Gefühl lähmt sie.
Sie kann ihn nicht bitten zu bleiben, sie ist töricht. Sie, die immer die Richtung vorgibt, ist zu schwach, ihm zu gestehen, dass sie ihn *braucht*.

Eine Stunde später sitzen sie immer noch schweigend nebeneinander im Auto, das Sebastian geschickt durch den Verkehr lenkt.
Vor ihrem Haus hält er an, seine Hände liegen auf dem Lenkkrad und sie sieht im Schein der Straßenlaterne, dass er es fast krampfhaft umklammert, ähnlich wie sie heute Nachmittag den Bogen Elefantenhaut.

„Sebastian, ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Lebensweg. Es war eine schöne Zeit mit dir.“ Ganz ruhig klingt ihre Stimme, fast unbeteiligt, gerade so, wie man es wohl auch von einer Lady erwarten darf.
Langsam löst er seine Hände vom Lenkkrad, steigt aus und öffnet ihr die Türe. Galant wie immer ist er ihr beim aussteigen behilflich, hält ihre Hand einen Moment zu lange, bevor er sich formvollendet über diese beugt und sanft ihre Fingerspitzen küsst.
„Leben Sie wohl MyLady.“ Abwenden, damit er die Tränen nicht sieht - doch da heult der Motor seines Wagens auf und mit quietschenden Reifen rast er davon.
Oben im Schlafzimmer lässt sie ihren Tränen freien Lauf, bis die Müdigkeit das Leid für diese Nacht besiegt und der Schlaf sie sanft bettet.

Fremdartige Geräusche wecken sie und es dauert, bis sie erkennt, dass an ihrer Haustüre Sturm geläutet wird. Es ist 7 Uhr. Welcher Idiot traut es sich, sie so zu wecken und wo steckt Sebastian?
Wie eine Ohrfeige trifft sie die Erkenntnis, er ist ja nicht mehr *ihrer*.
Immer noch klingelt es an ihrer Türe und verschlafen, wie sie ist, wirft sie sich den Morgenmantel über und öffnet die Tür.
„Guten Morgen MyLady, ich hoffe, ich werde hier benötigt.“
Sanft schiebt er sie von der Türe weg, nimmt sie auf den Arm und trägt sie zu ihrem Bett, wo er sie absetzt.
„Kaffee und Brötchen haben heute 15 Minuten Verspätung und ich bitte, dies zu entschuldigen.“

Bewegungslos liegt sie nun da und lauscht den Geräuschen aus der Küche.
Dieses Klappern, die Musik, er ist da, bleibt da! Er, der Mann, der … Sie werden heute gemeinsam frühstücken und sie werden reden. Es gibt vieles zu besprechen und sie wird ihn *bestrafen*, dafür, dass er sie warten ließ. Strafen, so wie sie es für richtig hält und wie es ihnen beiden bestens bekommt, seit 10 Jahren und nun einem Tag.


Verfasserin Lady Marion

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