BDSM und Dissoziative Störung, das geht nicht! Oder doch?

Nach einigen erfolglosen Versuchen, im Internet etwas sinnvolles über BDSM im Zusammenhang mit einer Dissoziativen Störung zu finden, hab ich mit einem Teil des Systemes beschlossen, gemeinsam etwas zu dem Thema zu schreiben. Natürlich wollen wir auch noch darauf hinweisen, das JEDES System anders ist und dass das nur eine Beschreibung von uns ist.

Welches System gemeint ist? Wir sind viele...

Am einfachsten ist es wohl, wenn man bei der Beschreibung damit anfängt, wie das psychische Innenleben bei einem nicht betroffenen Menschen aussehen sollte. Das gesunde Ich hat zur jeder Zeit und an jedem Ort das Gefühl, vorhanden zu sein. Es ist vollständig, alle Teile können abgerufen werden und die Person empfindet sich als komplettes Ich. Auch in diesem gesunden Ich-Zustand gibt es Rollen des Alltags, Mutter-/Vater-Rolle, Arbeits-Rolle, oder auch die Kind-Rolle für seine Eltern, diese sind ganz normal und völlig gesund.

Einen kleinen Einblick in die Welt der Dissoziativen Störung soll es nun im Folgenden geben:

Wie gesagt, es gibt überall Unterschiede. Bei uns ist es so: Durch eine traumatische, lang anhaltende Situation in der Kindheit haben sich bei der Person, um diese Situation zu überleben, verschiedene Personen (wenn denn man sie so nennen mag) entwickelt. Diese Personen sind sowohl eigenständig, können aber auch miteinander kommunizieren. Teils sind die Persönlichkeiten so abgeschnitten vom Rest des Systems, dass es Amnesien gibt. Dies bedeutet, wenn diese abgeschnittenen Personen "vorne" aktiv sind, bekommt der Rest des System davon gar nichts mit. Diese Personen haben keinerlei Kontakt zu den "bekannten" Teilen des Systems, entweder vollständig oder phasenweise. Kommunikation ist teils auch nur über Zettel, bzw. Computer-Dokumente möglich.

Wobei wir doch einige "kennen" und mit diesen bekannten Personen auch unkompliziert Kommunikation möglich ist.

Diese Personen können genauso unterschiedlich sein wie Menschen, die NICHT im selben Körper wohnen. So gibt es bei unserem System sowohl welche, die Sex überhaupt nicht mögen und BDSM nicht akzeptieren, als auch welche, die diese Neigungen haben.

Vielleicht sind wir auch die Ausnahme, aber bei uns gibt es auch ein paar Teile, die BDSM genießen, insgesamt zwei, um genau zu sein. Zudem auch ein jugendlicher Part, der sich zwar dafür interessiert, es aber nicht lebt - noch nicht. Ich selbst, E., stehe dem etwas kritisch gegenüber, aber möchte mich da auch nicht zu sehr einmischen, da jeder das Recht hat sich selbst zu verwirklichen.

Die Wechsel sind meist unkontrolliert, doch mit den Jahren wurden Abmachungen getroffen, an die sich der Großteil hält.Das bringt eine gewisse Ordnung.

Wie viele Personen genau da sind, kann ich nicht im einzelnen sagen. Es sind mindestens 18, ob es mehr sind, weiß ich nicht. Das ist nicht immer klar ersichtlich. Ist auch schwierig, durch die mögliche tiefe Abspaltung. Manchmal verschwindet auch ein Teil und taucht zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf. Altersmäßig unterscheiden wir dabei in Kleinkind, Kind, Jugendlichen und Erwachsenen. Egal wie alt die Person letztendlich ist. Das macht es etwas einfacher.

Die Personen sind abgespalten, das bedeutet, jeder hat eigene Interessen und eine eigene Persönlichkeit. Da es mir unmöglich ist, alle zu beschreiben, geb ich nur einen kurzen Einblick. Wir haben eine Künstlerin. Sie malt die schönsten Bilder, doch wenn sie nicht da ist, ist das künstlerische Talent eher mittelmäßig. Wir haben eine Tänzerin. Sie tanzt auf Spitze und trainiert sehr hart dafür. Wir haben Kinder - nicht nur eins - die es lieben, mit Brot Enten zu füttern usw. Zudem sind sie nicht nur in ihren Vorlieben verschieden, sondern auch in ihrer Persönlichkeit. Es gibt welche, die klar wissen was sie wollen, energisch oder gar aufbrausend, aber auch die, die schüchtern und ängstlich, introvertiert und zurückhaltend sind.

Wichtig ist noch zu erwähnen - wir schreiben hier mit abgekürzten Namen, da volle Namen nach Ansicht des Systems zu gefährlich sind.

Als erstes beginne ich mal mit dem Thema "Spielpartner".

Ich, E., habe seit 5 Jahren eine feste Beziehung. In dieser Zeit hat sich die Neigung von R. und einer bisher Namenlosen, beide an BDSM interessiert, erst entwickelt. Beide sind devot. Nebenbei ist zu erwähnen, dass dieser Freund in der festen Beziehung auch Dom ist. Das BDSM-Interesse im System ist irgendwann zum Vorschein gekommen. Was genau der Auslöser dafür war, weiß ich nicht. Ich weiß, dass es im System viele gibt, die Sex und alles damit Verbundene strickt ablehnen und auch soweit gehen, dass sie das nicht als Spielart, sondern als Vergewaltigung ansehen. Allerdings bin ich der Meinung, dass auch diese darauf Rücksicht nehmen sollten, dass es eben nicht nur SIE gibt. Andersrum sollte auch die andere Seite Verständnis zeigen, bei solchen Meinungen.

Es mag für den Außenstehenden schwierig klingen und vermutlich auch nicht nachvollziehbar sein, aber BDSM funktioniert im System nur, wenn gewisse Absprachen gemacht und befolgt werden. Konflikte können ebenfalls meist nur durch Abmachungen gelöst werden. Es ist nicht möglich, dass zwei zur gleichen Zeit etwas völlig unterschiedliches machen. Es gibt nur einen Körper. Manchmal ist das sehr schwer. Einerseits kann ich froh sein, dass der Versuch unternommen wird, vernünftig mit dem Thema und gegebüber allen Teilen des Systems umzugehen. Denn es sollte durch Vorlieben, Abneigungen usw. niemand verzichten müssen, aber auch niemand zu Schaden kommen.

Ein schwieriges anderes Thema ist: Was passiert, wenn während einer Session jemand aufkommt, der nichts mit BDSM zu tun hat oder zu tun haben sollte? Durch Abmachungen ist es möglich, dass während der Session wirklich nur die an BDSM Interessierten nach außen können. Ich, E., und die anderen sind während dieser Zeit innen. Bzw. kann man es sich wie eine Luftblase vorstellen. Solange man da drin ist, hat man keinen Bezug nach außen. Keine Gefühle, nichts.

Dennoch kann es passieren, dass jemand, der da absolut nichts zu suchen hat auftaucht. Da hilft nur höchste Achtsamkeit von Dom. Er muss die Session sofort abbrechen und wenn es etwas mitbekommen hat, den Versuch unternehmen, diese Person zu beruhigen.

Dieses Senario ist mir, R., bisher einmal passiert. Ein kindlicher Teil des Systems ist vor nicht allzu langer Zeit während eines Spieles mit Wachs aufgetaucht. Sie war für 3 - 4 Sekunden da. Ich selbst hab es in dem Moment gar nicht realisiert, dass da jemand da ist, der gar nicht da sein sollte. Ich teile ungern *gehässig grinse*. Ich liebe diese Art zu spielen, auch wenn ein Therapeut einmal sagte, ich würde mich selbst vergewaltigen wenn ich so etwas zulasse. Ich mag es trotzdem. Ich mag es, alles abzugeben, mich fallen zu lassen und für ein paar Sekunden das ganze System, die ganze Scheiße, die hier tagtäglich am Laufen ist, zu vergessen. Es ist angenehm. Ich mag es, geschlagen und benutzt zu werden, auch wenn es Viele im System gibt, die es nicht mögen. Am Anfang durfte ich durch bestimmte Regeln so manches nicht. Durfte nicht an die Wand gedrückt werden zum Beispiel, weil dann die Gefahr eines Wechsels zu groß gewesen wäre. Aber das wird immer besser. Ich darf mehr als am Anfang. Darf neue Sachen ausprobieren, weil ich immer mehr die Kontrolle darüber habe und auch der Dom weiß, wann er aufhören muss, weil jemand anderes da ist.

E. : Wenn jemand doch hervorkommen sollte, ist es durch viel Arbeit und viel Zeit auch möglich, zu beruhigen. Trotzdem ist es für Dom, gut möglich den Wechsel zu erkennen, sofort abzubrechen und diesen Teil des Systems zu beruhigen. Was nicht zu 100% garantiert ist wenn es nur wenige Sekunden sind. Aber das was da mitbekommen wird ist auch nur gering. Letztens, im bereits beispielhaft geschilderten Fall, hat es sogar weder R. noch Dom nicht mitbekommen. Vermutlich wegen des kurzen Zeitraums. Für alle, die sich fragen: Ja, dieser Teil des Systems hat sich inzwischen wieder so gut wie beruhigt, bekommt Zeit draußen, bekommt Regeln und bekommt Zeit, sich in seiner Welt zu bewegen. Genauso wie R. Zeit bekommt, sich in ihrer BDSM Welt zu bewegen.

Da wären wir wieder bei den Regeln. Eine Regel ist z.B., dass die Körpersprache nicht zu sehr eingeschränkt werden darf. Ein eher kindlicher Teil des Systems wird sich bemerkbar machen. Sei es durch eine andere Art zu sprechen, sei es durch zusammenrollen. Was auch dazu gesagt werden sollte, natürlich merkt man, wenn sich das Verhalten von Sub plötzlich gravierend verändert. Sollte man zumindest bemerken. Eine andere Regel - keine wechselnden Partner. Wir haben einen Partner. Zwar kommt immer mal wieder von R. und der Namenlosen der Wunsch auf, einen erfahreneren Spielpartner zu haben, was jedoch nicht weiter beachtet wird. Das ist eine Regel, an die sich gehalten werden soll. Ich, E., liebe diesen Typ und da gibt es keine Wahlmöglichkeit. Und ich erwarte auch, das diese Regel befolgt wird. Aber solange jeder halbwegs das bekommt, was er will, funktioniert alles ganz gut.

Der Umgang mit anderen Menschen: Wir binden niemandem das "Betroffensein" auf die Nase und würden es definitiv auch nicht sofort erwähnen. Im Gegenteil, der Großteil des Umfeldes weiß nichts davon. Das System ist gut im Tarnen. Amnesien werden mit einem Lächeln weggespielt und Persönlichkeitsveränderungen mit Sätzen wie "Ja, ist nur gerade eine Phase oder bin heute ein wenig überdreht", erklärt und wird somit unsichtbar für den Unwissenden.

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