Bondage mit Einschränkungen

Meine Krankheitsgeschichte ist auch eine recht lange und verzwickte. Ich habe eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, aufgrund derer ich weder Muskulatur noch Fettgewebe über ein geringes Maß hinaus aufbauen kann, aber das ist das kleinste Problem. Ich habe ein Lungenvolumen von noch ca. 35%, drei Herzfehler und einige Deformationen des Oberkörpers, die man kaum sieht, solange ich angezogen bin, aber sehr deutlich, wenn die Kleidung fällt. Ich habe viel Zeit meiner Kindheit in Krankenhäusern verbracht und um die zwanzig Operationsnarben am Körper, und meine Wirbelsäule besteht zu einem guten Teil aus Titan. Das reicht dann auch alles schon für einen GdB von 100%. Im Alter von 24 habe ich noch Diabetes dazubekommen, was mit dem ersten Krankheitsbild absolut in keinem Zusammenhang steht, das ist einfach dumm gelaufen. Und weil das immer noch nicht reicht, habe ich mir vor zwei Jahren noch den rechten Oberarm gebrochen und habe seitdem eine Muskelverkürzung in der rechten Schulter, kann den Arm also nicht mehr komplett bewegen. Im Alltag fällt das überhaupt nicht auf und stört auch nicht, ich kann ihn aber nicht mehr hinten auf den Rücken anwinkeln, was für einen Takate Kote bei Shibari mal echt blöd ist...

Na ja, und dann dachte ich eben, dass es verdammt schwierig wird, jemanden zu finden, der Lust hat, mit mir eine ordentliche Bondage-Session zu starten, schließlich ist es wirklich viel, auf was man bei mir aufpassen muss; die Wirbelsäule darf nicht unter Zug kommen, die Fesselung darf mir die Luft nicht nehmen, ich bin bestimmt ziemlich empfindlich hinsichtlich der Festigkeit der Fesselung, da ich kaum Fleisch auf den Knochen habe, der rechte Arm geht nicht richtig nach hinten, und ich halte bestimmt sowieso nur viel kürzer durch als eine durchschnittlich gesunde Frau. Außerdem kommen natürlich immer meine Komplexe dazu, sobald ich die Hüllen fallen lasse. Das ist zwar im Laufe der letzten Jahre und im Zuge ständig steigenden Selbstbewusstseins deutlich besser geworden, aber leicht fällt es mir noch lange nicht. Auch brauche ich ein wirklich dickes Maß an Vertrauen, bevor ich mich jemanden so komplett übergeben kann, wie man das bei einer Fesselung eben tut. Und dann ist etwas passiert, mit dem ich absolut nicht gerechnet habe: Mein erster Rigger, der mit mir mit viel Gesprächsvorlauf und sehr viel Vorsicht und Feingefühl an die ersten Sessions herangegangen ist, war völlig begeistert von mir als Fesselopfer. Er hat eine derart schöne Stimmung geschaffen und war so lieb und entspannt, dass ich überhaupt kein Problem damit hatte, als er mir gleich in der ersten Session eine Oberkörperfesselung angelegt hat, obwohl seine Hände dabei an den Stellen waren, an denen ich defintiv anders bin als der Durchschnitt. Eines der Symptome meiner ersten Krankheit ist, dass ich etwas übergelenkig bin (also noch lange kein Schlangenmensch), aber für eine Bondagesession scheint das wohl einen ziemlichen Unterschied zu machen, mein Rigger meinte, an mir würden noch so manche ihre Freude haben. Außerdem scheine ich laut seiner Aussage eine echt gute Durchblutung zu haben, ich habe die Positionen richtig lange ausgehalten und fand sie gemütlich und entspannt. Ich kann wohl mit Sicherheit behaupten, dass wir beide eine verdammt gute Zeit miteinander und großen Spaß aneinander hatten. Ich habe mich selten in meinem Körper so wohl gefühlt wie in diesen Sessions, was eine unglaublich tolle Erfahrung war. Die eingeschränkte Beweglichkeit meines rechten Arms zu kompensieren, war auch überhaupt kein Problem, wir haben die Standardfesselungen einfach variiert.

Was sich mir dadurch wieder mal gezeigt hat und was ich hier weitergeben möchte: Es geht nicht um die Umstände, die man mit sich bringt, sondern darum, was man daraus macht, das gilt für alle Aspekte im Leben. Und hinsichtlich BDSM, braucht man nur den richtigen Spielpartner dafür an seiner Seite. Ich habe mir im Vorfeld schon gedacht, dass das gut werden kann mit meinem Rigger der Wahl, sonst hätte ich mich ihm ja nicht anvertraut, aber dass ich auch bei ihm eine solche Begeisterung auslöse, trotz all meiner Probleme, das hat mich echt wahnsinnig gefreut und total umgehauen, das war mehr als nur unverhofft.

Ich hoffe mal, das geht so weiter bei mir - und bei euch auch. Aber was spricht schon dagegen.

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren