"Ich liebe Dich" und "Mein Herr"

Wer genießt es nicht, vollkommen geliebt oder auch begehrt zu werden? Aber kann man es noch genießen, wenn so etwas zu schnell und zu leichtfertig kundgetan wird? Ein "Ich liebe Dich" oder auch ein "Mein Herr", hat das einen Wert, wenn es in den ersten Wochen einer Beziehung oder den ersten Stunden eines Spiels gesagt wird?

Sicher hat es einen Wert, aber nicht den, den es haben könnte und zumindest meiner Meinung nach haben müsste. Eine inflationäre Verwendung solcher Worte führt schnell zu einer Abnutzung. Und wie soll man sie dann steigern, weil man nach einigen Monaten einfach noch intensiver empfindet als beim ersten Mal, als man sie sagte? Eben weil diese Worte das Ultimo sind, das man mit Worten zum Ausdruck bringen kann, gibt es keine vernünftige Steigerung.

Ein anderes Problem ist nicht der Zeitpunkt, sondern die Häufigkeit der Verwendung. Wenn nach jedem Telefonat oder in jeder SMS diese Worte erwartet werden, dann drücken sie nicht mehr ein Gefühl, sondern einen Klammerzustand aus. Der Gedanke ist dabei: Werden sie gesagt, dann ist die Person meins. Wird es nicht gesagt, muss ich mir Sorgen machen.

Solche Erklärungen und Schwüre werden immer noch von den meisten Menschen mit dem Beweis wahrer Gefühle gleichgesetzt. Einigen ist es extrem wichtig, so oft wie möglich ein „Ich liebe Dich“ zu hören. Sie setzen im Großen und Ganzen die Häufigkeit, mit der es gesagt wird, mit der Authentizität der Gefühle in einer Beziehung gleich. Dem ist aber nicht so.

Sagt jemand diese ganz großen Worte häufig und hat er diese auch schon gegenüber vielen Personen verwendet, so bedeutet das nicht, dass er oder sie deswegen mehr lieben oder begehren kann als andere, eher, dass diese Worte für sie/ihn nicht diese große Bedeutung haben.

Aber es gibt auch das andere Extrem: Personen, die mit diesen Worten mehr als nur sparsam umgehen. Dies kann gerade in einer Beziehung zu Problemen führen, wenn der Partner das Gefühl hat, dass die Gefühle nicht wirklich vorhanden sind, weil diese Worte einfach zu selten fallen. Man könnte allerdings auch sagen, dass diese Worte dann viel wertvoller sind, eben weil sie selten sind.

Zudem ist es auch nicht immer leicht, solche Worte zu sagen, weil manch einer das Gefühl hat, sich damit zu irgendetwas zu verpflichten, das über den jeweiligen Moment hinausgeht. Doch eine rechtliche Garantieerklärung ohne Gewährleistungsausschluss dafür, dass die Beziehung noch mindestens zwei Jahre hält, ist dieser Satz sicher nicht.

Wie soll man sich nun verhalten? Nun, dieser Beitrag wird keine abschließende Antwort liefern können, er soll nur auf das Problemfeld hinweisen und zum Nachdenken anregen. Gefährlich sind immer die Extreme.

Zu schnell gesagt, wird es der Partner vielleicht nicht so ernst nehmen. Zu lange hinausgezögert, wird der Partner glauben, solche Gefühle seien nicht vorhanden. Hilfreich kann es hier sein, die Worte langsam zu steigern. Gerade im Bereich der Liebe geht das gut.
Warum nicht einfach in der ersten Zeit ein „Ich habe Dich lieb“ sagen? Dies drückt auch eure Liebe aus, nur eben noch nicht die ganz große. Aber die kommt wenn dann eh mit der Zeit. Liebe ist etwas, das wachsen muss, ebenso wie Vertrauen und die devote Hingabe. Ihr könnt sie durch Worte sicher fördern, nicht aber heraufbeschwören.

Wenn einer der Leser also denkt, dass in seiner Beziehung zu oft oder zu selten diese Worte gesagt werden, dann sollte er nicht vergessen, dass solche Erklärungen nicht quantifizierbar sind und dass die korrekte Menge nicht festgelegt werden kann und noch nie jemand genau definiert hat, wann man diese Worte sagen sollte oder muss und wann nicht.

Eines ist aber sicher, wenn man sie sagt, dann sollte es auch von Herzen kommen und zumindest in diesem Moment sollten sie die jeweiligen Gefühle widerspiegeln. Das bedeutet aber auch, dass man diese Worte nicht erzwingen sollte, denn die Gefühle, die die Grundlage dieser Worte sind, kann man ebenfalls nicht erzwingen und man drängt seinen Partner sonst in eine Zwickmühle.

Ein abschließender Gedanke, der mir beim Schreiben kam und der irgendwie nicht sinnvoll in obigen Text einzufügen ist: Wer zuerst „Ich liebe dich“ sagt, mag auch Angst haben. Angst davor, wie der andere reagieren wird. Wird er es erwidern oder wird er es nicht erwidern? Aber selbst wenn er es nicht erwidert, Liebe ist kein Wettbewerb.

Es geht nicht darum, ein ökonomisches Gleichgewicht herzustellen – wenn ich es zweimal sage, musst du es auch zweimal sagen, ist eben der falsche Gedanke. Zum einen, weil man den Wert dieser Worte individuell bemisst und zum anderen, weil sich Gefühle eben nicht immer gleich schnell entwickeln. Nur Mut, blamieren wird sich keiner, der die Worte sagt, denn es ist ein Ausdruck der eigenen Gefühle und für diese muss sich niemand schämen!

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