Akzeptanz in der Gesellschaft und Medizin

Zwei Texte zur Akzeptanz von BDSM. Der erste Text behandelt ein medizinisches Thema, der zweite die gesellschaftliche Situation.

ICD10 F65/5

ICD ist die Abkürzung für "International Classification of Diseases and Related Health Problems". Dieser Diagnoseschlüssel wurde 1855 von William Farr entwickelt und wird seit vielen Jahrzehnten von der WHO benutzt. Auch in den meisten europäischen Staaten, wie Deutschland und Österreich, findet er Verwendung.

Medizinisch gesehen wird BDSM in diesem Katalog der Krankheiten als krankhafte psychische Störung eingeordnet. Die Spezifikationen sind aber so ungenau, dass eigentlich alles oder nichts darunter fallen kann. Das Problem ist demnach, dass jeder Arzt eine solche Störung der Sexualpräferenz diagnostizieren kann und diese dann bei ihm, aber auch den Krankenkassen gespeichert wird.

Die führende amerikanische Psychologenvereinigen, die American Psychiatric Association, hat aus diesem Grund auf Grundlage auch von ICD10 Diagnosekriterien veröffentlicht. Danach können die sexuellen Ausprägungen von BDSM eindeutig nicht mehr als Störung der Sexualpräferenz angesehen werden.
Die Diagnose z.B. von Masochismus (DSM IV 302.83) oder Sadismus (302.84) darf demnach hinsichtlich der sexuell motivierten Ausprägung dieser Störungen lediglich gestellt werden, wenn der Betroffene nur noch durch die Ausübung von SM sexuelle Befriedigung erlangt oder er seine eigene Neigung ablehnt und sich dadurch in seinen Lebensumständen eingeschränkt fühlt oder anderweitig darunter leidet.

Obwohl sich Mediziner auch in Deutschland darüber einig sind, dass BDSM, wenn es nach den Regeln SSC ausgelebt wird und die Person nicht belastet wird, nur noch als eine soziologisch andersartige Neigung, aber nicht sehr seltene Ausprägung der individuellen Sexualität, darstellt. Dieses Kriterium ist jedoch nicht im Schlüssel enthalten und nicht jeder Mediziner wird sich auch in diesem Bereich weitergebildet haben.
Dies kann dazu führen, dass ein Patient rein nach dem Wortlaut des Schlüssels beurteilt wird, was eine Fehldiagnose darstellt. Die Übergänge zwischen individuell ausgeprägter Sexualität und Störung der Sexualpräferenz können zudem ohne eine wirkliche Spezifikation nicht in allen Fällen sicher definiert werden.

Im Übrigen enthielt der internationale medizinische ICD10 Standard über viele Jahre hinweg auch die Homosexualität. Diese wurde aber inzwischen aus dem Katalog gelöscht. Die Lage von BDSMlern ist zwar nicht so schlecht, wie der der Homosexuellen vor jener Streichung, kann aber in Teilen verglichen werden. Gerade Therapeuten sehen oft eine Kausalität zwischen der sexuellen Identität und den psychischen Problemen. Dies mag zum Teil stimmen, ist aber sicher nicht immer so. Wird diese pauschale Annahme nicht hinterfragt, kommt es sehr leicht zu vollkommen falschen Therapien.

Es gibt viele Aktionen für die Streichung von Teilen oder des gesamten ICD10 F65 Schlüssels. Hier ein ausführliches und nicht schlecht begründetes Beispiel. Ob es wirklich sinnvoll ist den gesamten Bereich F65 zu löschen, wage ich zu bezweifeln. Eine Überarbeitung und genauere Spezifikation sollte hingegen dringenst erfolgen.

Gesellschaftliche Akzeptanz der Neigung

Oftmals wird bei der gesellschaftlichen Akzeptanz auf die Lobbyarbeit der Schwulen und Lesben verwiesen, die inzwischen relativ akzeptiert sind innerhalb der Gesellschaft. Dieses ist zu begrüßen und dem Beispiel nachzueifern ist sicher ein guter Ansatz. Ganz so leicht dürfte es aber nicht werden, aus verschiedenen Gründen:

Je nach Untersuchung ist die Anzahl der Homo- und Bisexuellen innerhalb der Gesellschaft deutlich höher als der der BDSMler, es gibt also eine breitere Basis. Diese Zahlen werden auch belegt, wenn man die größte BDSM Community (SZ) mit der größten Schwulen Community (Gay Romeo) vergleicht. Letztere weist im Durchschnitt achtmal mehr Besucher auf und richtet sich ausschließlich an schwule Männer, also nur einen Teil der homosexuellen Bevölkerung.

Viel entscheidender dürften jedoch der Blick und das Verständnis der Gesellschaft sein. Jeder kann sich mit etwas Fantasie grob ausmalen, was ein schwules (z.B. Anal-/Oralverkehr) oder lesbisches Paar (z.B. Lecken, Fingern) so miteinander anstellen könnte, denn so unterschiedlich sind die möglichen homo- und heterosexuellen Handlungen auch nicht. Zudem erfreuen sich gerade Männer an bisexuellen Frauen, die miteinander schlafen, aber auch einen Mann einbinden würden (Stichwort Dreier).

Wer aber kann sich vorstellen, was ein BDSMler so machen wird, bewegen sich die Partner hier doch oftmals weit entfernt von den gängigen sexuellen Handlungsweisen, die zudem noch negativ besetzt sind (Züchtigung, Sklaven etc.). Ich habe keinen homosexuellen Bekannten, der jemals gefragt wurde, ob denn auch Kuscheln in die Partnerschaft gehört. Als BDSMler wird einem die Frage schon häufiger gestellt (und ja, ich kuschel gerne).
Wenn sich jemand nicht vorstellen kann, was die anderen (=BDSMler) da miteinander machen und wie das überhaupt abläuft, wird diese Person es immer schwerer haben, vorurteilsfrei zu bleiben. Der Mensch neigt dazu, Dinge, die er nicht versteht erstmal abzulehnen.

Zum Glück wird die Gesellschaft sexuell immer offener und inzwischen gehören Fesselspiele durchaus zu den üblichen Spielarten in deutschen Schlafzimmern. Ein Bondageliebhaber wird daher heute viel leichter akzeptiert werden, als noch vor einigen Jahrzehnten, zum einen weil die meisten es im Kleinen kennen und zum zweiten, weil es durchaus in Teilen, gerade in der Kunst, gesellschaftsfähig geworden ist.

Es schadet sicher nicht als BDSMler an einem Umzug teilzunehmen und sich dort im Outfit zu präsentieren, um Präsenz zu zeigen und Leute an den Anblick zu gewöhnen. Noch wichtiger wäre es aber zu zeigen, dass man außerhalb dessen ein ganz normaler Mitbürger ist, der verantwortungsvoll mit sich, seinem Partner und den Mitmenschen umgeht.

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