Der Sklavenvertrag

Eigentlich müsste bei dem Wort Vertrag in Kombination mit Sklave (na ja, eigentlich besser Sklavin) mein Herz höher schlagen. Immerhin bin ich seit einigen Jahren schon ein Dom und eben auch Jurist. Irgendwie regt sich da bei mir aber so gar nichts bei dem Wort Sklavenvertrag und das liegt daran, dass ich grundsätzlich eine gewisse Abneigung gegen typische Sklavenverträge hege.

Für den Artikel habe ich mir die zwei großen Anbieter von Sklavenverträgen angeschaut. Die gute Nachricht: Ja, es gibt sie standardisiert und zum Ankreuzen im Netz. Wenn das nicht eine Freude ist. Löblich zu erwähnen wäre da noch, dass beide Anbieter darauf aufmerksam machen, dass ein solcher Vertrag nur moralisch, aber niemals rechtlich binden kann und dort echt eine Menge an Punkten aufgeführt ist, was Sub alles so zu beachten hat.

Jedoch, sind Dom und Sub nicht gleichwertig? Sollten also nicht auch die Rechte von Sub sowie die Pflichten von Dom aufgeführt werden? An diesen Stellen fassen sich die Verfasser der Verträge recht kurz und die Hälfte, was zu diesem Thema geschrieben wird, spiegelt die eh geltende Rechtslage (die vor einem Gericht, nicht die im Spielzimmer) wider.

Noch lustiger sind so manche selbstverfassten „Verträge“, bei einem kamen 143 Paragraphen zusammen, die ich zumindest überflogen habe (leider war dieser "Vertrag" nicht jugendfrei; eine jugendfreie aber nicht weniger lustige Variante ist im Anhang zu finden).
Hier war wirklich alles für die Sklavin reglementiert. Ihre Körperteile erhielten spezielle Namen, Rasuren wurden mit Uhrzeit und Material festgeschrieben und selbst der Gang zur Toilette war geregelt. An dieser Stelle meine Hochachtung, an was man alles denken kann! Nur wie kann so etwas praktikabel sein?
Dom verpflichtet sich ja zumindest im Umkehrschluss aus dem Vertrag heraus über die Einhaltung der Regeln zu wachen. Bedeutet dies, er sitzt bei jedem Gang zur Toilette daneben?
Meiner Vermutung nach ist es hier mal wieder ein Fantasie-BDSMler gewesen, der zwar über keine reale Erfahrung, aber über sehr viel Zeit und Vorstellungskraft verfügt.

Gerade für Neulinge und labile Persönlichkeiten stellen Sklavenverträge eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Manche glauben, dass wenn sie in der ersten Woche der „Beziehung“ einen solchen Vertrag schließen - zum Teil ohne genau zu wissen, wie sich die ein oder andere Praktik real anfühlt oder gar nicht mal wissen, wofür manche Fachbegriffe stehen - an diesen Vertrag gebunden sind.
Wegen solcher Trugschlüsse und aus Angst, den lange gesuchten Dom zu verlieren, lassen sie Dinge mit sich machen, zu denen sie eigentlich nicht bereit sind. Dies kann im Anschluss zu erheblichen psychischen Belastungen führen.

Bei einem Vertrag geht es darum, dass beide Seiten eine für sie vorteilhafte - zumindest glauben sie das - Vereinbarung fixieren. Somit kann ein Vertrag nur über Dinge geschlossen werden, die beide Seiten kennen und der Missverständnisse durch Konkretisierungen ausschließt.
Nicht jeder Partner ist gleich, daher sollten sich auch erfahrene BDSMler erst einmal kennen lernen, bevor sie einen solchen Vertrag aufsetzen. Solange die jeweiligen Begierden und natürlich auch Grenzen nicht ausgelotet sind, ist ein Vertrag eher hinderlich, denn er müsste ständig wieder angepasst und damit neu aufgesetzt werden.
Hier mag ein Regelbuch sinnvoll sein, in dem Regeln eingetragen und gegebenenfalls wieder gestrichen werden können.

Auch wenn der Vertrag nicht nach den gängigen gesellschaftlichen Ansichten als „fair“ zu bezeichnen ist, sollte die „Vertragsverhandlung“ auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Dom kann ohne Sub genauso wenig Dom sein, wie Sub ohne Dom Sub sein kann. Dies führt zwar nicht zu einer Gleichberechtigung, wohl aber zu einer Gleichwertigkeit der beiden Personen. Also müssen auch Wünsche und Bedürfnisse beider Parteien in den Vertrag mit einfließen.

Nun aber zu den guten Seiten eines solchen Vertrages, denn auch diese gibt es. Wie ein Ring oder ein Halsband ist auch er Symbol für die Zusammengehörigkeit und je mehr Mühe sich beide mit dem Vertrag geben, umso symbolträchtiger ist dieser.
Gerade die handschriftliche Form eines Vertrages und die selbstformulierten Regeln machen einen solchen Vertrag zu etwas sehr persönlichem. Das Stück Papier, auf dem die Regeln geschrieben wurden, ist die materialisierte Form der gegenseitigen emotionalen Bindung und vielleicht kann es sogar mit einem handschriftlich gefertigten Ehegelübde oder einer Urkunde verglichen werden.
Setzt man sich zusammen und entwirft einen solchen Vertrag, macht man sich gemeinsam Gedanken zu jedem Punkt und lernt so, die Bedürfnisse und Wünsche vielleicht noch etwas besser kennen.

Auch hat dies eine gewisse Sicherheit zur Folge: Jeder kann sich auf den Vertrag berufen und niemand sich damit rausreden, er/sie hätte etwas nicht gesagt oder so gemeint. Ob ein Sklavenvertrag sinnvoll, nötig, notwendig, schön oder wichtig ist, muss jedes Paar für sich selber beantworten. Wenn die Antwort ein ja ist, hier noch ein paar kleine Tipps.

1. Einleitungstexte (Präambel) können sehr romantisch sein, bevor es zu den Paragraphen geht. Die Standardformulierung, es gibt nur eine moralische, aber keine gesetzliche Bindung, ist Geschmackssache, eigentlich sollten das die Parteien wissen.

2. Der Vertrag kann zeitlich begrenzt werden, sowie Verfallsklauseln und Aufhebungsgründe haben.

3. Neben dem Vertrag kann im Vertrag auf ein Regelbuch verwiesen werden. Dortige einvernehmliche Änderungen gelten z.B. für den Vertrag und es muss nicht immer ein neuer aufgesetzt werden.

4. Bedenkt die Rechte und Pflichten auf beiden Seiten und dass es auch für Dom und Sub eine Tagesform gibt.

5. Folgende Dinge können mehr oder weniger sinnvoll geregelt werden:
Tabus (ganz oder eingeschränkt), Safeword, Treue, Fürsorgepflicht Dom, Kommunikation (Anrede, Blickkontakt, unaufgefordertes Sprechen), Kleiderordnung, Spielpause, Freizeit, Körperpflege, häusliche Pflichten, Finanzen, Beruf, Verhalten (privat, öffentlich), Sexualität, Strafen, Meldepflichten, Schiedsstelle und was ihr denkt, das noch alles geregelt werden sollte („uns“ Deutschen wird ja nachgesagt, regelungswütig zu sein).

Ein Vertrag, den ich mit einer Expartnerin geschlossen hatte

Amüsantes Beispiel, wie man es in meinen Augen nicht machen sollte...

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