Ist BDSM Kunst?

BDSM ist für jeden etwas anderes: Liebe, Lebenseinstellung, das einzig Wahre, eine Krankheit, Poesie, Tanz, Glück oder auch Kunst. Für mich ist es vor allem eins: Lust.
Jedoch hat BDSM viele Elemente, die mit der ein oder anderen Aussage in Verbindung gebracht werden können. Für mich ist an dieser Stelle der Kunstbegriff der Passendste, denn egal ob Künstler oder Dom, beide benötigen eine gewisse Veranlagung, Motivation und Kreativität.

Vor dem Werk steht die eigene Idee. Falls jemand also nur ein Schema, welches er zum Beispiel in einem Buch gelesen hat, kopiert, fehlt es diesem an der Schaffenskraft, um von Kunst zu sprechen. Bringt er eigene Gedanken ein und unterliegt sein Handeln einer kreativen persönlichen Note, könnte er hingegen durchaus als Künstler bezeichnet werden.

Die in meinen Augen facettenreichste Kunstform ist die Musik, von daher will ich diese als Vergleich heranziehen, auch wenn ich diesbezüglich leider nur passiver Genießer bin. Bevor alles beginnt, benötigt ein Musiker, aber auch ein Dom, zwei Dinge: ein Instrument und die Veranlagung, auf diesem mit Freude spielen zu können.

Erschaffen

Wenn es darum geht, eine Sklavin zu formen oder gar zu erschaffen, sehe ich mich gerne als Bildhauer. Zuerst muss das Material und die Form erfasst werden, erst dann kann das Abbild des Kunstwerks wie auch der Plan dieses zu realisieren im Geiste entstehen. Jeder Mensch ist einzigartig und so kann nicht aus jeder Person die gleiche „Skulptur“ mit den gleichen Werkzeugen erschaffen werden.

Ganz davon abgesehen, wo bliebe dann die Herausforderung? Hier gilt es die Werkzeuge passend zum Material und seiner Form auszuwählen. Mit einem Holzhobel wird kaum ein Granitfelsen zu bearbeiten sein und aus einem ungeschliffenen Diamanten wird keine imposante Statue entstehen können.
Ähnlich wie jeder Dom daran scheitern wird, eine Extremmasochisten durch Schläge zu sanktionieren und damit zu erziehen.

Wie bei Menschen wird auch bei Musikinstrumenten von einem Charakter gesprochen und wie ein Instrument durch seinen Schöpfer mit einem Stempel versehen wird, so erhält auch die Sklavin besonders von ihrem ersten Dom einen Stempel. Ich hoffe nur, dass kein Dom dabei auf die Idee kommt, einen Brandstempel wie im Geigenbau zu verwenden, das Prägen einer Sklavin ist nämlich etwas inner- und nicht äußerliches.

Ich bevorzuge schlanke, facettenreiche und starke Frauen. Dies könnte im übertragenden Sinne mit der schlanken Form und dem breitem Klangspektrum einer Geige vergleichbar sein. Der Geigenbauer formt, verbindet, poliert die verschiedenen Werkstoffe und am Ende hat er ein oberflächlich gesehen perfektes Instrument. Ein vollkommenes Werk ist es aber nicht.
Ähnlich schnell kann ein erfahrener und empathischer Dom eine Sklavin formen, lediglich der Feinschliff würde in diesem Fall fehlen und es wäre nur der Standard, mit dem man zugegebenermaßen dennoch viel Freude haben kann.

Will der Geigenbauer ein wirkliches Spitzeninstrument erschaffen, spielt er das neue Instrument eine Zeit lang und merkt sich genau, welche Töne noch nicht perfekt sind. Die Fehler, die er findet, behebt er, indem er die Geige wieder zerlegt, um dann an den passenden Stellen etwas von dem Korpus abzuhobeln. Die Kunst ist dabei zu wissen, welche Veränderungen welche Töne hervorrufen. Dies kann auch mehrfach wiederholt werden.
Eine Sklavin zur perfekten Begleiterin zu erziehen, ist ähnlich komplex und das Wissen, was wie bewirkt werden kann, ist dabei die hohe Kunst.

Musiker

Ein Instrument muss genutzt werden, ansonsten verliert es schnell seine Eigenschaften, gleiches gilt auch für eine Sklavin. Die Kunst beim Spielen ist es, die richtige Technik mit Taktgefühl und Leidenschaft zu verbinden.
Am Anfang steht das Einspielen des Instruments, denn ein solches muss gestimmt werden. Dies ist ähnlich wie das Lesen der Sklavin vor einem Spiel, denn vieles ist von der Tagesform abhängig und sollen bestimmte Töne erzeugt werden, muss man die Sklavin zum Teil erst mal richtig (ein-)stimmen.

Beherrscht der Spieler all dies, kann er dem Instrument – Entschuldigung – der Sklavin eine sehr breite Palette an Facetten entlocken. Sklavin wie auch Geige benötigen daneben aber auch Pflege und wie der Musiker übernimmt auch der Herr dafür die Verantwortung. Dass ein Musiker sein Instrumente nicht verleiht, kann ich zudem sehr gut nachvollziehen, denn auch ich würde eine mir wichtige Sklavin nicht einer anderen Person überlassen.

Komponist

Der Komponist hat die Aufgabe, dem Musiker ein Stück zu erstellen, mit dem dieser arbeiten kann. Dies ist in meinen Augen der kreativste Part und das Stück muss auf das Instrument angepasst sein.
Ein Herr, der nicht nach einem übernommen Schema spielt (eben nicht eine Art Ritual-BDSM betreibt), übernimmt genau diese Aufgabe. Er legt die Noten, im Rahmen dessen was ihm auf diesem Instrument möglich ist (Tabus), fest. Ähnlich wie ein Schriftsteller wird er dazu einen Spannungsbogen aufbauen. Da nur er den weiteren Ablauf kennt, kann der devote Part ähnlich wie das Konzertpublikum nur erahnen, wohin es gehen wird, zumindest wenn er/sie sich etwas auskennt.

Was wirklich passiert, weiß aber nur der, dem die Partitur vorliegt und selbst bei einem vorher im Kopf entstandenen Plan kann ein guter Dom auch zur Improvisation übergehen und in eine andere Richtung schwenken.

Dirigent

Nun wer die Befähigung hat, kann noch einen Schritt weitergehen und Dirigent werden. Wenn er den (Takt-)Stock beherrscht und die ausreichende Autorität hat, steht es ihm oftmals frei mit mehr als nur einem Instrument zu spielen.
Das Spiel mit zwei Sklavinnen kann auch als kleines Konzert angesehen werden, bei dem der Dirigent die Fäden in der Hand hält und es neben der ersten Geige (Partnerin) vielleicht noch eine zweite (Sklavin) gibt.

Aktionskünstler

Ja, auch das gibt es und jeder kann selber entscheiden, womit der Aktionskünstler zu vergleichen wäre. Für mich ist es ein Bondageprofi, denn dieser kann eine wirklich ästhetische Inszenierung schaffen und dies meist auch binnen sehr kurzer Zeit.
Natürlich kann aber auch ein gutes Mindgame Aktionskunst sein, denn diese Spielart ist immer ungewöhnlich und meist unerwartet (auch wenn oftmals eine Menge Planung drin steckt).

Und die Sklavin?

Die Sklavin ist somit Instrument wie auch Publikum zugleich. Auf ihr wird gespielt, aber sie ist es auch, die den Kopf abschalten und das Stück vollends genießen kann. Der Preis dafür ist eigentlich nur Hingabe und Vertrauen.

Und die Frage?

Der Kunstbegriff ist sehr weit und unter dem Aspekt, dass ein wirklich guter Dom in meinen Augen ein Virtuose ist, kann BDSM auch Kunst sein und findet interessanterweise auch immer neue Wege in den klassischen Bereich der Kunst. BDSM und Kunst sind eben für die menschlichen Sinne gedacht.

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Dieser Artikel ist Grundlage für einen sehr schönen humoristischen Vergleich: BDSM ist wie Motorradfahren!

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