Metamorphose

Einsteiger, die den folgenden Artikel lesen, will ich vorab etwas die Angst nehmen. Beim richtigen Partner (was primär eine Sache des Verantwortungsgefühls sowie des Einfühlungsvermögens und nur sekundär der Erfahrung ist) wird niemand mit einer Situation wirklich überfordert werden. BDSM sollte nicht übereilt, sondern Schritt für Schritt entdeckt werden und wer das Spiel bestimmt, ist eh eine gute Frage. Denn üblicherweise stellt der devote Part die Tabus und damit auch die Grenzen des Spiels auf und hat in Form des Safewords auch eine Art Veto.

Menschen verhalten sich nicht immer gleich, ihr Verhalten hängt von inneren und äußeren Faktoren ab. Das Verhalten im Beruf wird oftmals vom Verhalten in einem privaten Umfeld abweichen und auch in vielen anderen Bereichen kommt es auf die Gesamtumstände der Situation an.
Ähnlich ist es, wenn das „Alltagsich“ verschwindet und das „BDSMich“ an seine Stelle tritt. Die Wortwahl mag nicht ganz glücklich sein und ein BDSMler ist weit davon entfernt, schizophren zu sein, aber beide Seiten können sich sehr prägnant voneinander unterschieden.

Eine Frau im normalen alltäglichen Kontext zu schlagen, sehe ich als eine nicht verzeihbare Handlung an, die von geringem Selbstwertgefühl und nicht vorhandener Selbstkontrolle, also einem sehr schwachem Charakter, zeugt. Sehe ich eine solche Handlung, schreite ich ein, was zumindest in diesem Jahr einmal der Fall war.
Ist es hingegen zwischen den Partnern abgesprochen und dient es dem Spiel und nicht der Auseinandersetzung über Alltagsdinge, so tue ich dies ja selber, jedoch ist der Gesamtkontext ein vollkommen anderer, denn beide wollen diese Art des körperlichen „Austauschs“.

Mir selbst sind natürlich die Veränderungen in der Art des Umgangs mit der jeweiligen Partnerin aufgefallen, aber es kann sich noch weitaus mehr verändern. Ich rede im Allgemeinen gerne und viel und nach Aussage anderer verfüge ich über eine angenehme warme Stimme.
Im Spiel hingegen werden meine Sätze kürzer, die Aussprache härter und auch die Tonlage tiefer. Am eindringlichsten wird mir aber meist die Veränderung des Blicks beschrieben, der sehr durchdringend werden soll. Die letzte Person, mit der ich gespielt habe, glaubte sogar, meine Augenfarbe hätte sich beim Spielen verdunkelt.
Grundsätzlich kann sich die Augenfarbe eines Menschen wohl verändern und Mediziner vermuten Zusammenhänge mit der Stimmungslage, aber ob dies innerhalb einer so kurzen Zeit möglich ist, da hege ich doch größere Zweifel. Als mir meine eigene „Verwandlung“ das erste Mal von einer Frau beschrieben wurde, war ich sehr schockiert von mir selber. Dies hat sich zum Glück schnell geändert, nachdem ich mich mit dem „Warum“ auseinandergesetzt habe.

Ich halte Sexualität für einen sehr starken Trieb und BDSM ist in meinen Augen noch mal eine Steigerung dieses animalischen Triebs. Die Reduzierung auf das Wesentliche, also die Rolle und der Sex sowie der Wegfall vieler sonst üblicher gesellschaftlicher Konventionen, mag eine Art Urgewalt sein, in der auch die Akteure in ein archaisches Grundmodell zurückfallen.
Je intensiver die Rollenverteilung in diesem Moment gelebt wird, umso weniger zählen die gesellschaftlichen Konventionen. Natürlich gibt es immer noch die Ratio, die über allem wacht und ich bin froh, sie gar nicht ganz ausschalten zu können, denn sie sorgt dafür, dass egal, wie intensiv das Spiel ist, es keine Schäden geben wird und man offen bleibt für die Signale des Partners.

Hier unterscheidet sich die dominante Rolle von der devoten, denn der devote Part kann, wenn er den richtigen Partner hat, dem er vertraut, seine Ratio komplett abstellen und sich treiben lassen. Würde hingegen der dominante Part die Ratio abstellen, wären Verletzungen körperlicher oder seelischer Natur nicht auszuschließen.

Da viele sexuell devote Personen im Alltag über ein großes Selbstbewusstsein verfügen und oft als Mediziner, Pädagogen oder Geschäftsleute Verantwortung für andere Menschen übernehmen, ist ihre „Verwandlung“ in meinen Augen noch viel intensiver. Das „Alltagsich“ ist oft sehr weit von ihrer Rolle im Spiel entfernt, aber genau dies wird dann auch genossen, eben die Verantwortung abzugeben an einen Menschen, dem sie vertrauen können.
Neben diesem Genuss kann es aber auch dazu kommen, dass Personen diese beiden Seiten an sich nicht miteinander vereinbaren können, gerade Anfänger sind hiervon betroffen. Hier hilft es sich deutlich zu machen, dass es zwei Wesenszüge sind, die sich ergänzen können und von der jeder der beiden seine Daseinsberechtigung hat.

Für viele ist es ein angenehmer Ausgleich und ein Mensch ist wegen seiner sexuellen Neigung nicht mehr oder weniger wert als ein anderer. Was andere darüber denken, sollte nachrangig sein, entscheidend ist, ob man sich selber und auch der jeweilige Partner sich dabei Wohlfühlen. Tun sie dies, was soll daran bitte schön wirklich schlecht sein?

Meist beginnt ein solches Spiel mit einem intensiven Reiz, der Griff in den Nacken oder an die Kehle, eine Ohrfeige, das Anlegen eines Halsbandes (für mich hat dies eine hohe Symbolkraft) oder ähnlichem.
Noch wichtiger als der passende Einstieg ist aber das passende Ende, hier ist der dominante Part gefragt. Das lieblose Ende eines Spiels, bei dem z.B. die Fixierung nach dem Ende der Benutzung von Sub gelöst, aber die Person allein im Bett zurückgelassen wird, kann viel mehr zerstören als ein Spiel das schief lief. Der alleingelassene devote Part, der eben nicht aufgefangen wird, ist nun auf sich allein gestellt und sehr oft findet er nicht den Weg zurück zum „Alltagsich“ oder noch schlimmer, findet zwar den Weg, aber behält die präsenten Emotionen aus dem Spiel und fühlt sich damit auch als Mensch und nicht nur als Sub benutzt.

Vom Anfang eines Spiels bis zu dessen Ende und dieses endet nicht, wenn Dom seinen Spaß hatte, trägt der dominante Part einen sehr großen Teil der Verantwortung für das Wohlergehen des devoten Parts. Er muss dem Partner zeigen, dass eine hohe Wertschätzung vorliegt und die Handlungen, die vorgenommen wurden, eben auf dieses Spiel beschränkt sind.
Aus diesem Grund sollten Alltagsprobleme auch niemals mit dem Mittel BDSM gelöst werden, denn wirkliche Probleme erfordern ein „Aufeinanderzugehen“ innerhalb einer guten Partnerschaft.
Ein Dom, der diesen Verantwortungen nicht gerecht wird, sollte verlassen werden, denn er schätzt die Hingabe von Sub nicht wirklich und Sub wird sich bei ihm nie ganz fallenlassen können, weil sie ihm nicht vertrauen kann, dass er sie auffangen wird.

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