Stammtisch

Es scheint eine Besonderheit unseres Kulturraums zu sein, zu jedem Thema einen Stammtisch zu gründen. So ist es kein Wunder, dass es eigentlich in jeder Region in Deutschland zumindest einen BDSM-Stammtisch gibt.
Hier treffen sich Leute, die zumindest eines verbindet: das Interesse oder auch schon der Spaß an BDSM. BDSM ist somit das Bindeglied aller Beteiligten, was auch bedeutet, dass die Leute sehr oft sehr verschieden sind, sei es von der Einstellung zu BDSM, den Umgangsformen, dem Bildungsniveau oder was auch immer.

Die meisten Stammtische verzichten auf einen Dresscode und oftmals ist es auch untersagt, in einem eindeutigen BDSM-Outfit zu erscheinen, denn diese Treffen finden zumeist in einem ganz normalen Lokal statt und nicht jeder will sich dabei outen.
Es gibt aber auch Stammtische, an denen ist ein eindeutiges Outfit akzeptiert oder sogar vorgeschrieben ist. Daneben gibt es zudem Stammtische, die nicht nur dafür da sind, sich verbal auszutauschen, sondern auf denen gespielt wird. Gerade letztere sind für Anfänger ungeeignet und erinnern mich eher an einen Swingerclub mit BDSM-Anteilen.

Der Großteil der Stammtische ist aber so angelegt, dass es nur um ein nettes Beisammensein geht und oftmals, gerade zur Enttäuschung von Neulingen, wird gar nicht wirklich so viel über BDSM geredet. Dies ist wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Teilnehmer oftmals seit vielen Jahren BDSM betreiben und sich somit auch schon sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Ein Stammtisch kann sich immer nur ganz fix zu einem Termin treffen, aber es gibt auch viele, die außerhalb dessen gemeinsame Unternehmungen (Kochen, Ausgehen, private Party etc. pp.) planen. Oftmals gibt es ein kleines Vorgespräch, bevor der Neuling auf den Stammtisch gehen darf. Dies dient dazu, dass der Stammtisch nicht von Gaffern besucht wird, die einfach nur mal sehen wollen, wie Perverse denn so aussehen. Bei einem solchen Gespräch wird meist nur geschaut, ob man ernsthaftes Interesse an BDSM hat.

Was eindeutig für den Besuch eines Stammtischs spricht, ist die Ungefährlichkeit, denn hier treffen sich viele BDSMler und somit kann nichts passieren. Eine Einzelperson zu treffen, die man nur aus der virtuellen Welt oder auch vom Telefon her kennt, ist in meinen Augen viel gefährlicher.
Auch, wenn BDSM nicht immer das beherrschende Thema bei einem solchen Stammtisch ist, so hat jeder die Möglichkeit, an dieser Stelle seine Fragen (mehr oder weniger) kompetenten Personen zu stellen oder einfach den Gesprächen zu lauschen und zu merken, dass BDSMler Menschen wie alle anderen sind.

Bei den Stammtischen, bei denen es um einen reinen Austausch geht, ist es egal, ob jemand Dom, Sub oder Switcher ist. Natürlich wird es mal den einen oder anderen Kommentar geben, aber unterm Strich wird jeder mit dem gleichen Respekt behandelt.

Der klassische Stammtisch ist keine Kontaktbörse. Da BDSMler auch nur Menschen sind, gibt es wie überall die typischen Schattenseiten einer solchen Veranstaltung. Auf vielen Stammtischen herrscht ein Männerüberschuss, also wird sich zum Teil auf die weiblichen Neulinge gestürzt. Dies kann mehr oder weniger charmant erfolgen. Schlimmer als in einer Disco, in der es einen Männerüberschuss gibt, wird es jedoch nicht sein und umsetzen oder einfach gehen ist immer eine Option.

Meine Erfahrung ist, je kleiner ein Stammtisch ist, desto besser passen auch die Persönlichkeiten zusammen und umso angenehmer ist es auf Dauer. Ein großer Stammtisch hat hingegen den Vorteil, dass man sehr viele unterschiedliche Persönlichkeiten kennen lernen kann. Insgesamt habe ich sechs Stammtische besucht und bin beim sechsten hängen geblieben. Wem also der erste nicht gefällt, der kann bei einem anderen mehr Glück haben.

Warum tun sich viele Menschen so schwer, ihren ersten Stammtisch zu besuchen? Ich denke es ist eine Art Schritt in eine Gemeinschaft Gleichgesinnter und damit der erste (und sicher einer der schwersten) Schritt(e) raus aus der Fantasiewelt hinein in die Realität.
Der Besuch ist damit eine Art inneres Outing und das fällt vielen nicht leicht, da oft eine Vielzahl an Vorurteilen selbst bei BDSM Interessierten besteht. Wer Probleme hat, gleich auf eine geballte Anzahl von BDSMlern zu treffen, der sollte einfach bei dem jeweiligen Stammtisch nachfragen, ob ein Gespräch mit einer einzelnen Person im Vorfeld möglich ist. Sollte ein solches Vorgespräch nicht eh schon vom Stammtisch aus erwartet werden, so findet sich sicher jemand, der es dennoch gerne mit dem oder der Interessierten führen wird.

Der andere Knackpunkt, der für viele gegen den Besuch eines solchen Stammtischs spricht, ist: „Was mache ich, wenn ich dort erkannt werde?“ Also bei einem normalen Stammtisch erscheinen die Leute nicht in Outfit, die anderen Gäste (das Personal weiß es meist, wenn sich regelmäßig an dieser Stelle getroffen wird) der Lokalität werden demnach kaum wissen, dass sich hier BDSMler treffen.
Falls einer der Teilnehmer ein Dir bekanntes Gesicht ist, sei es Bekannter, Kollege, Chef oder auch Untergebener, sollte dies kein Problem sein, man ist unter sich und sitzt am gleichen Tisch (bzw. im gleichen Boot). Wer ganz große Bedenken hat, kommt einfach viel zu spät und geht erst mal am Tisch vorbei, um zu schauen, ob eine „Gefahr“ besteht ;-)

Von wirklich negativen Erlebnissen bei normalen Stammtischen (also welche, an denen nicht auch gespielt wird) habe ich noch nichts gehört. Sehr viele fanden aber dort Menschen, mit denen sie sich real und auf eine angenehme Art und Weise austauschen konnten.

Also, gefällt Dir der erste Stammtisch nicht, probier einfach einen anderen aus. Bei mir hat es auch etwas gedauert, bis ich den für mich wirklich passenden gefunden habe. Missen möchte ich diese Zusammenkünfte aber nicht mehr.

Wer Interesse an einem Stammtisch in seiner Region hat, kann zur Suche das Stammtischverzeichnis nutzen.

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