Wann ist man ein Sadist?

Der Vorteil eines Masochisten besteht darin, dass er der passive Part ist und sich der Illusion (Beispiel) hingeben kann, die Situation nicht zu kontrollieren, also auch keine „Schuld“ haben zu können.
Viele Sadisten haben aber gerade am Anfang Probleme damit, ihre Neigung zu akzeptieren, denn sie sehen sich selber als Täter oder meinen, als solcher angesehen werden zu können. Natürlich ist die Täter-Opferrolle bei einvernehmlichen BDSM etwas Abstruses, jedoch Denkmuster, die sich festgesetzt haben, müssen nicht immer logisch begründbar sein.


Subjektive Eindrücke

Früher wies ich es weit von mir fort, ein Sadist zu sein, einfach weil ich keine Lust an dieser Art des Spielens hatte. Mir ging es primär um das rein sexuelle Benutzen. In den letzten Jahren kam daneben aber auch die Lust am SM auf und somit bezeichnete ich mich nach einiger Zeit auch als Sadisten.

Jüngst kamen mir jedoch Zweifel, ob diese Bezeichnung wirklich zu mir passt, nachdem ich ein kurzes Spankingvideo gesehen hatte. Die Handlung war einfach: Ein Mann bestraft seine Sklavin und filmt es, wobei das Filmen offensichtlich eine zusätzliche Demütigung ist. Es gibt 25 teils sehr kräftige Schläge auf das Gesäß mit einem massiven Holzpaddle.
Die ganze Szene spricht mich nicht an, aber da ich mich mit dem Jugendschutz befasse, will ich mir die dreieinhalb Minuten ganz anschauen. Bereits ab dem sechsten Schlag weint die Frau und ich merke, wie sich mir alles sträubt.

Ich bestrafe selber eher ungern, deswegen habe ich mir angewöhnt, konsequent zu sein und in den Fällen, in denen eine Strafe sinnvoll ist, hart durchzugreifen. So reduziere ich die Bestrafung auf ein Minimum, da die Grenzen klar gezogen werden und die Konsequenzen unangenehm sind. Eine solche heftige körperliche Strafe, wie in dem Video gezeigt, ist mir ebenfalls nicht gänzlich unbekannt. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich sie bisher zweimal in ähnlich massiver Art und Weise angewandt.

Jedoch gibt es große Unterschiede zwischen jenen Szenen und der Videoszene. Das Wichtigste vorweg: Es gab einen Kontext, nämlich eine zwischenmenschliche Beziehung, verbunden mit einem „Davor“, bei dem ein schwerer Verstoß begangen wurde, der geahndet werden musste und ein „Danach“, bei dem ich die jeweilige Partnerin wieder aufgefangen habe.
Ohne diesen Kontext würde ein Video, welches meine eigenen Bestrafungsaktionen zeigt, vielleicht ähnlich wirken wie jenes. Um es kurz zu machen: gefühlskalt, sadistisch oder einfach unmenschlich. Wenn ich nun sadistisch in diesem Kontext verwende, bin ich mir sehr unsicher, ob ich diesen Begriff durch meine Persönlichkeit wirklich ausfüllen kann oder auch will.


Bin ich ein Sadist und was ist das eigentlich?

Sadismus wird wissenschaftlich zumeist als Lustgewinn oder Befriedigung (beides mit oder ohne eine sexuelle Komponente) definiert, welche der Sadist durch aktive Demütigung, Unterdrückung oder Schmerzufügung erreichen will.

1. Destruktive Gewalt

Ich habe niemals außerhalb des von mir als sozialadäquaten angesehenen Bereichs Gewalt gegen Lebewesen angewandt. Zugegeben, es gab Kabbeleien mit meinem älteren Bruder, aber dies ist für mich sozialkonform und nur natürlich solange sich die Gewalt in Grenzen hält.
Insgesamt sehe ich die Gewalt als Ultimo Ratio an, die durchaus ein probates Mittel sein kann, aber erst dann zum Zuge kommen sollte, wenn ein wichtiges Rechtsgut bedroht ist und der Einsatz verhältnismäßig zu sein scheint.

2. Schmerzzufügen

Das Zufügen von Schmerzen steigert meine Lust nur in sehr seltenen Fällen direkt, indirekt hingegen kommt es häufiger vor. Ich mag die Machtposition (Beispiel 2. Abschnitt), also die reine Möglichkeit zu bestrafen, wenn eine „Schuld“ vorliegt und zugegeben, in sehr seltenen Fällen auch, falls keine Schuld vorliegt (dann wird dies aber auch von mir aus deutlich gemacht).

Die Möglichkeit würde aber ihren Reiz sehr schnell verlieren, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht werden würde. Zudem würde mangelnde Konsequenz auf Dauer eine Belastung für eine Beziehung sein, in der der Bereich DS keine gänzlich untergeordnete Rolle spielt.
Neben diesem Aspekt gibt es die Freude daran, dem anderen Lustschmerzen zuzufügen, also Schmerzen, welche von meiner Partnerin in Lust verwandelt werden. Hierbei genieße ich es, den anderen auf eine sehr spezielle Weise zu verwöhnen und zu spüren, wie diese Handlungen ihre Lust immer weiter steigern.

3. Demütigen

Bei der Demütigung ist es ähnlich wie beim Schmerz. Für eine devote Frau kann es durchaus sehr erregend sein, gedemütigt zu werden, aber eine andere Form der Demütigung mag für sie eine Strafe sein. Meine Motivationslage ist daher sehr mit denen beim Schmerz vergleichbar.

4. Unterdrücken

Ich interagiere im Bereich BDSM nur mit devoten Frauen und sehe es somit als eine Symbiose an, beide Seiten ergänzen sich und von einem realen Unterdrücken will ich in diesem Kontext nicht sprechen. Meine Partnerin hätte zu jeder Zeit die Möglichkeit, mittels eines Safewords alles abzubrechen oder auch mich zu verlassen.

Umgangssprachlich herrscht eine etwas abgewandelte Definition. Hierbei wird das Wort Sadist für eine Person verwendet, die sich am Leid anderer erfreuen kann. Für mich bedeutet Leid etwas stark Negatives.
Spiele ich also mit einer BDSMlerin, leidet sie nicht wirklich unter mir. Würde sie es tun, würde sie schnell das Weite suchen. Mit jemandem, der keine Freude am Spiel hätte, könnte ich nicht spielen. Natürlich gehört auch das Bestrafen dazu, dieses ist aber essentieller Bestandteil der Interaktion und würde dies fehlen, würde es bald ein Problem mit der Konsequenz geben und es wäre ein reines Handeln als Wunscherfüller.
Diese Art des Spielens wäre nichts für mich, aber auch nichts für die meisten devoten Spielpartner, denn sie würden die inkonsequente Person schon bald nicht mehr als Dom ernst nehmen können.


Humor

Sagt die Masochistin zum Sadisten: "Schlag mich, bitte schlag mich!" Daraufhin der Sadist: "NEIN!"
Auch ohne körperliche Gewalt anzuwenden, wurde hier aus dem Mann ein Sadist, denn indem er nicht schlug, ließ er die Masochistin leiden.

(Text stammt aus der Rubrik Humor)


Spitzfindigkeiten

Innerhalb der BDSM Szene hat sich aus ähnlichen Überlegungen heraus der Begriff des Realsadisten entwickelt. Danach ist ein Sadist jemand, der einvernehmlich mit einem Masochisten oder einer devoten Person seiner sadistischen Neigung nachgeht.
Hingegen ist ein Realsadist eine Person, die nur die eigenen Bedürfnisse im Sinn hat und sich über die Einvernehmlichkeit hinwegsetzt.

Ist dieser Mittelweg der Weisheit letzter Schluss und ist die Definition wirklich korrekt? Ein Partner, der seine sadistische Neigung an einer rein devoten Person auslebt, setzt seine Bedürfnisse ebenfalls über die Bedürfnisse seines Partners. Es könnten hier viele Argumente für und gegen diese Sichtweise folgen, mir ging es aber allein darum, Problemfelder aufzuzeigen, die selbst bei dieser Definition auftreten mögen.


Fazit

Eine kleine sadistische Ader steckt wohl in jedem von uns. Wer hat sich nicht schon mal an einer Person gerächt und dadurch eine Form der (kurzfristigen) Befriedigung erlangt? Ob zudem auch eine sexuelle sadistische Ader bei jedem vorliegt, ist fraglich.

Interessant ist vor allem die Frage, wie intensiv eine solche Ader allgemein ausgeprägt sein muss, um aus einem Menschen einen Sadisten zu machen. Durch die Medien ist das Wort sehr negativ behaftet und wenn ich es mir recht überlege, kann ich derzeit auch nicht sagen, ob ich nun ein Sadist bin oder nicht. Dies hängt sehr von der jeweiligen Auslegung dieses Begriffes ab.
Das einzige, was ich für mich sicher sagen kann, ist, dass eine gewisse sadistische Ader vorhanden ist, diese aber bei weitem nicht so weit geht, um unter den Begriff des Realsadisten zu fallen. Aber trotz dieser kleinen Ader kann ich ohne Weiteres auf den Sadismus verzichten wenn es für meine Partnerin ein Tabu ist.
Die Frage „bin ich ein Sadist?“ bleibt demnach für's Erste unbeantwortet und sollte auch von jedem selber beantwortet werden.

Über eine andere Darstellung dieser Thematik durch eine Leserin oder einen Leser würde ich mich freuen, da es doch eine recht persönliche Sichtweise ist.

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