Gedanken...

Wenn ich so an die letzten Monate zurückdenke, fühle ich mich irgendwie völlig verwandelt. Ich lese meine ersten Blog-Einträge und muss teilweise schon ein wenig schmunzeln, teilweise auch den Kopf darüber schütteln, wie verwirrt ich zu Beginn meines „Outingprozesses“ war. Viele Dinge, die mir damals ganz furchtbare Angst gemacht haben, scheinen trotz (oder vielleicht auch wegen?) aller überwundener Schwierigkeiten plötzlich ganz einfach...

Ich habe darüber gerätselt, wie BDSM und Treue jemals zueinander passen können. Wie sollte das gehen, fragte ich mich, den Kick zu fühlen, fliegen zu lernen – mit jemandem, den ich zu gut kenne?
Etwas mehr als ein Jahr später frage ich mich plötzlich, wie BDSM OHNE Treue funktionieren soll. Denn wie könnte ich meinen geliebten Herrn hintergehen – den Menschen, dem ich über alles vertrauen will, dem ich GEHÖREN will?
Ich habe es damals als Nachteil gesehen, dass ich ihn zu gut kenne, ihm zu sehr vertraue. Mittlerweile weiß ich – ich habe ihm damals nicht wirklich vertraut, auch wenn ich es dachte. Anstatt meine Ängste und Sorgen mit ihm zu teilen und ihm ganz offen zu sagen, was ich empfinde, bin ich um den empfindlichen Punkt herumgewandert. Und so offen ich in Bezug auf meinen vereinbarten „Seitensprung“ dann doch noch sein konnte, war ich doch nicht offen, was meine Motive betraf...
Ich hatte damals einfach wahnsinnige Angst davor, nur noch einem Mann zu gehören, eingeschränkt und eingesperrt zu sein. Und wahrscheinlich erschreckte es mich auch, WIE gut er mich schon kannte (und kennt), während er es immer noch schafft, mich jeden Tag auf's Neue zu überraschen.

Ich habe auch darüber gerätselt, wie die Sklavin in mir jemals eine Heimat finden soll, mit all den Ängsten und der Rastlosigkeit in mir. Wie ich diesen Teil, mit dem ich soviel Ärger im Leben hatte, jemals richtig annehmen und akzeptieren soll. Und ob jemand anders ebenso gut mit diesem Teil in mir umgehen kann. Auch hier mangelte es mir an Vertrauen... wie soll jemand denn mit dem Teil in mir umgehen, wenn ich ihn nicht zeigen kann?
Die Renitente zu spielen kann bisweilen reizvoll sein, aber wirklich glücklich war ich damit nicht – ganz im Gegenteil. Heute weiß ich, dass er die ganze Zeit nur geduldig darauf gewartet hat, dass ich ihm sage, was ich eigentlich wirklich will. Nicht dass es nötig gewesen wäre – er wusste es mal wieder schon vor mir. Und entgegen all meiner Ängste ließ er mich nicht fallen, hatte er keine Angst vor dem, was er sah.
Egal wie rau und stürmisch die See auch zwischendurch war, steuerte er mich und damit uns doch immer zielsicher in den sicheren Hafen. Und deswegen hat seine Macht über mich auch nichts mit Ausnutzung oder reiner Erniedrigung zu tun: Er hat sich meinen Respekt und mein Vertrauen sehr redlich verdient und ich sehe gern zu ihm auf. Mit ihm kann ich mich in meiner Neigung sicher fühlen.

Mein Fazit: Ich habe im Nachhinein viel in der Ferne gesucht, viel zu viel vermisst – und hätte doch nur einmal die Augen aufmachen müssen, um zu sehen, dass mein Gegenstück in jeder Hinsicht direkt vor mir sitzt.
Weder der perfekte Herr noch die perfekte Sub (die es ja beide ohnehin nicht gibt) fallen vom Himmel. Miteinander zu spielen hat etwas von Musizieren: Man muss kontinuierlich miteinander üben und offen sein, auch den Stil des anderen zu akzeptieren. Wenn dieser dem eigenen dann noch ähnlich ist, steht einer echten Harmonie nichts im Wege.
Und wie ich jetzt weiß, kann es trotzdem spannend sein, zu sehen, wozu man miteinander fähig ist.


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