Abgründe

Ich habe jetzt wirklich sehr lange nicht mehr über das Thema BDSM geschrieben. Irgendwie habe ich es immer damit gerechtfertigt, dass ich momentan wenig Zeit habe. Mit meinem Wiedereinstieg zu beschäftigt bin. Andere Probleme habe. Letztendlich wurde mir klar, dass ich mich die ganze Zeit davor gedrückt habe, aufzuschreiben, was mit mir passiert ist in den letzten Wochen/Monaten. Und noch während ich schreibe, bin ich unsicher, ob ich jetzt gerade wirklich etwas dazu sagen sollte. Aber jetzt habe ich schon einmal angefangen und werde sehen, wo mich dieser Text hinbringt.

Angefangen hat alles ganz harmlos mit einem berufsbedingten Ausfall; geendet ist es in einem persönlichen Horrortrip den Experten „Retraumatisierung“ nennen. Und ich bekam mal wieder zwei Dinge bewiesen.
Erstens: Nein, es ist wohl wahr; devote Frauen haben alle mehr oder weniger ein Problem. Und nein, entgegen meiner Selbsteinschätzung bin ich wohl keine Ausnahme.
Zweitens: Borderline baut viele kleine listige Hintertürchen in die Seele und ich kenne vermutlich nicht einmal die Hälfte von dem, was ich von mir zu kennen glaubte.

Was die Tür aufgestoßen hat: Ich weiß es nicht. Ich war völlig arglos, völlig offen und nicht einmal ansatzweise auf das vorbereitet, was mir da entgegengesprungen kam. Ich WUSSTE nichts davon! Was ich allerdings weiß, ist, dass mein Leben seitdem nicht mehr ist, was es einmal war. Meine Rolle als Frau und noch stärker als Sub ist bis in die Grundfesten erschüttert. Und was vorher schon kompliziert war, wird jetzt zum Fluch.
Dumpfe Erinnerungsblitze umkreisen mich wie die Geier das Aas und warten nur darauf, plötzlich aus dem Nichts auf mich herabzustürzen. BDSM ist ein Spiel, ein Spiel mit Nähe und Distanz, mit Lust und Sinnlichkeit, mit Bestrafung und Belohnung... Im Moment ist nichts davon möglich. Bestrafung? Ich erstarre vor Schreck, wenn in meiner Nähe ein lautes Wort fällt. Lust? Fehlanzeige. „Sichere“ Nähe ist Nähe, die nichts von mir fordert. Eine andere gibt es für mich zurzeit nicht. Ich kann von Glück sagen, dass mein Mann mir nicht nur im Spiel, sondern auch im richtigen Leben ein verlässlicher und sicherer Fels in der Brandung ist, „in guten wie in schlechten Tagen“.

Ich habe mich in einer Session nie als „das Opfer“ gefühlt. Mir war immer bewusst, dass ich das Spiel aus freien Stücken mitspiele und „nein“ sagen kann. Und auch wenn ich mich manches Mal für meine Gefühle geschämt habe, war es doch immer eine Erfüllung für mich, ihnen nachzugeben. Und es hat mich stolz gemacht, mich zunehmend unterwerfen, fallen lassen zu können und mich doch stark und als Frau zu fühlen...
Doch wie ich diese Erfahrung nun in mein Leben, insbesondere in mein Sexualleben, integrieren soll, ist mir völlig schleierhaft. Ein Opfer zu spielen und eines zu sein, sind einfach zwei völlig unterschiedliche Dinge. Und plötzlich vermischt sich die Sklavin mit dem Kind in mir und es scheint unmöglich, das eine zu retten, ohne dass das andere dabei zu Grunde geht.

Dennoch: Die Sklavin ist ein wichtiger Bestandteil von mir, und ich habe sie sehr liebgewonnen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in naher Zukunft sowohl als Frau als auch als Sub wieder aufstehen kann, selbstbewusst und gestärkt, frei von alten Dämonen. Denn auch wenn ich nicht daran glaube, dass die Zeit alle Wunden heilt – das hat sie ganz offensichtlich in über zwanzig Jahren nicht getan – habe ich doch eines gelernt:
Schmerz geht immer irgendwann vorbei. Man muss nur bereit sein, ihn loszulassen...


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