Heute, nach langen Überlegungen, bin ich mir sicher, dass ich bereits seit meinen frühesten Jahren dominant veranlagt war. Auch wenn ich mich vielleicht nicht detailliert daran erinnern kann, aber ich fühlte bereits früh, dass ich nach der Rolle des Anführers greifen sollte. Doch leider, bedingt durch meine anständige Erziehung, wurde mein Streben nach der Führungsrolle aus „Anstandsgründen“ unterdrückt. Doch der Drache schlief nur, tief in seiner Höhle.
Was ich zu dieser Zeit noch nicht wusste, nicht wissen konnte, jedoch über die Jahre lernte: Führung verlangt auch ein großes innewohnendes Maß an Verantwortung. Es reichte eben nicht aus, das Mädchen beim Indianerspiel an den Baum zu fesseln. Man musste auch dafür sorgen, dass sie wieder losgebunden wurde. Da sie sich bereit erklärt hatte, sich fesseln zu lassen, musste man sich um sie kümmern und zwar rechtzeitig, bevor die Spielstunde um war. Egal wie zickig und sauer sie dann schon war, weil der vermeintliche „Anführer“ da vermutlich bereits eine andere zur „Prinzessin“ gemacht hatte und sie nun leer ausging. (Ich jedoch hatte schon immer ein Faible für die Mädchen, die sich vertrauensvoll fesseln ließen und dabei meist ganz erwartungsvoll schauten.)
Auch später dann, beim Tanzen, zeigte sich, dass Mädchen und Frauen die Männer bevorzugten, die mehr taten, als nur cool rumzustehen. Männer, die sich kümmerten.
Mit der Zeit festigte sich bei mir die Überzeugung, dass es da eine wichtige Sache gibt, etwas bei dem ich zutiefst glaube, dass es einen guten Dominanten ausmacht: Das überwältigende und drängende Gefühl für jemanden zu sorgen, (an-) zuleiten, zu unterstützen. Dabei aber durchaus auch zu fordern & fördern, zu führen & zu erziehen, also das Beste aus ihr herauszuholen und sie erstrahlen zu lassen. Oder – vielleicht auch – dabei eine meiner eigenen Grenzen zu überwinden. Ich realisierte, dass dieser Teil, dieser Drang in mir, mich zu einem dominanten Menschen macht.
Dominanz im BDSM Kontext definiert sich für mich nicht über einen Titel oder Status. Es ist egal, ob ich Geschäftsführer bin, oder Angestellter, selbständig oder Geselle. In dem Moment, in dem ich für einen anderen Menschen Verantwortung übernehme, mir dessen bewusst bin, diesen Menschen anleite und zu seinem besten fördere, habe ich eine dominante Position inne und fülle sie mit Leben.
Dies kommt ganz tief aus mir heraus.
Jeden Befehl gebe ich nicht (nur), um es mir besser gehen zu lassen. Damit verbunden ist auch die Gewissheit, dass ich damit jemandem die Chance gebe zu wachsen. Ich liefere die Gelegenheit und ggf. auch die Anleitung zur weiteren Entwicklung, als Person und als selbstbewusstes Individuum.
Sicher, das alles passiert im Spiel. Im realen Leben sind Befehle gerade etwas aus der Mode gekommen.
Natürlich, Kontrolle über eine andere Person zu haben ist schon eine unglaubliche Bestätigung des eigenen Selbst. Bekommt man den umfassenden, freiwilligen Gehorsam, die Lust zu dienen und in jeder Hinsicht Freude zu bereiten, so ist dies ein außerordentliches Geschenk. Es ist keine Spende, es ist kein Mitbringsel oder nur eine Aufmerksamkeit. Es ist ein Geschenk! (Es gibt keine Steigerung für dieses Wort; glaubt mir ich habe jeden Thesaurus befragt!)
Doch genau hier liegt ebenso eines der größten Risiken für einen Dominanten: nämlich, dass es zu Kopf steigt, dass es die Verantwortung vergessen lässt (die ja noch immer vorhanden ist), für den sich in seiner Hingabe mir anvertrauenden Menschen.
Es ist so einfach, es „die dunkle Seite“ zu nennen und sich dabei cool zu fühlen. Klar kann man es raushängen lassen, während man mit diesen ganzen verrückten Typen in Lack, Latex und Leder abhängt. Aber das wäre definitiv der falsche Ansatz.
Alles in allem ist es für mich nicht nur die Kontrolle und Macht über einen devoten Menschen und den Service, den ich damit genieße. Es ist mehr das zwingende Wissen eine große Verantwortung und damit auch Pflichten zu haben, innerhalb dieser speziellen Beziehungsform. Ohne diese Verantwortung auf Seiten des Dominanten ist es ein gefährlicher Weg. Für beide!
Die Natur eines Dominanten ist nicht Bestrafung, sondern Verständnis und Führung durch offene und direkte Kommunikation. Es ist die Pflicht eines Dominanten zu versuchen, Einblick in den Kopf seiner devoten Partnerin zu gewinnen. Sie lesen zu können und damit ihre Wünsche, Hoffnungen und Bedürfnisse zu erkennen.
Durch diese Kenntnisse erlangt und festigt der Dominante seine Macht und ist in der Lage, sich um seine devote Partnerin zu kümmern und ihr zu geben was sie braucht.
Was nicht zwangsweise das ist, was sie gerade annimmt zu brauchen oder sich wünscht.
Nennt mich ruhig einen hoffnungslosen Romantiker! Jedoch der Wunsch für jemanden in dieser Form zu sorgen, ist bei mir eine starke innere Kraft.
Autor Existentmale
Crystal schrieb am 28.12.2019
Das sind schöne Gedanken. Leider scheint sie längst nicht jeder Dom zu teilen. Ich habe kürzlich die sehr verletzende Erfahrung machen müssen, dass ein Mann mein Geschenk nicht gewürdigt hat. Was auch zu Fragen führt, die in Teilen hier erwähnt werden.
Der Anfang war großartig und viel zu schön, um wahr zu sein, die Kommunikation war stimmig, das erste Treffen bezaubernd und ich war auch in der Folgekommunikation sowas von bereit und teilte es ihm auch mit mich zu unterwerfen, nur diesem Herrn zu dienen.
Er tauschte mit mir Fantasien aus, die er verwirklichen wollte und ich wollte diese gerne mit ihm ausprobieren. Und wir hatten sehr tiefe, emotionale Gespräche, in denen wir uns kennenlernten; eben über Wünsche, Bedürfnisse und Hoffnungen ganz offen gesprochen haben. Kurz gesagt, ich war wirklich bereit wie du schreibst: „voller Lust zu dienen“ und „in jeder Hinsicht Freude zu bereiten“ und wir machten einen Termin für eine Session aus.
Und dann ging es abwärts. Von einem Tag auf den anderen stimmte die Kommunikation nicht mehr…, er verschloss sich…, ging nicht auf Fragen ein…, irgendwann schrieb er immerhin, dass es familiäre Probleme gäbe und er „da jetzt keinen Kopf für sowas hat“… (hier die Frage wo endet die Verantwortung…, ist es in Ordnung für Dom einfach alles was bis dato war wegzuwerfen, zu tun als wäre nichts gewesen…?)
Ja und als unerfahrene bin ich natürlich abgestürzt… Es hat etwas gedauert, bis ich mich von mir aus lossagen konnte, um nicht weiter enttäuscht und verletzt zu werden. Oder hoffnungslos auf ein Zeichen zu warten…
Ich habe mal gelesen, dass die Ablehnung der totalen Hingabe ähnlich verletzend sein kann wie Liebeskummer - und ja, das kann ich eingestehen, es tat wirklich verdammt weh, obwohl ich sicher weiß, dass ich nicht verliebt war.
Ich weiß nicht genau was los ist, weiß nicht ob dieser Mann je die Wahrheit gesagt hat, oder ob er einfach nur die Kontrolle und Macht über eine starke Frau gesucht hat, um sie dann zu brechen? Jedenfalls stimmte gar nichts mehr, als hätte es diesen verständnisvollen, aufmerksamen Mann von zuvor nie gegeben. Aber es ist nicht körperlich geworden, die Session wird nicht stattfinden. Die Frage bleibt nun: wo beginnen Verantwortung und Pflicht einer dominanten Person und wo hört es auf? Ich denke, das sieht jeder Dom anders, aber wie soll man als normaler Mensch den passenden Dom finden, wenn ein Mensch so charmant und wundervoll sein kann und auf der anderen Seite ein vollkommener, unverantwortlicher, ungehobelter… Idiot? (Das passendste Wort, das mir im Moment einfiel). Nun ich für meinen Teil werde wohl auch nie mehr so unbedarft auf jemanden zu gehen können…
Wie wäre ein wirklich verantwortungsvoller Dom wohl weiter vorgegangen? Vielleicht werde ich das noch herausfinden.
Durch diesen Blog bin ich zum Entschluss gekommen, meine Gedanken zu schreiben, also danke Existentmale. Sollten diese Gedanken jedoch woanders hingehören, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Liebe Grüße Crystal
Anosmie schrieb am 27.11.2019
Ich finde den Text sehr schön, da er alles beinhaltet, was ich über dieses Thema denke. Der Mut und die Lust sich hinzugeben, kann nur durch Vertrauen entstehen. Das erreicht Mann aber nicht durch ständige Härte und unbarmherzige Dominanz, sondern durch "Kümmern". Ich finde dieses Wort sehr gut gewählt.