Strafe als Tabu

Wenn ich eine Tabuliste bräuchte, so hätte die Strafe dort definitiv einen Platz.

Doch vorweg ein paar Worte zu mir.

Ich bin weiblich, 47 Jahre alt, seit 25 Jahren verheiratet, habe einen erwachsenen Sohn und bin devot, was ich aber noch nicht sehr lange und mein Mann noch weniger lang weiß. Ich habe das Glück, einen Mann zu haben, der mich nicht für verrückt hält, oder krank oder mich ausgelacht hat, als ich ihm davon erzählt habe. Am Beginn unserer Reise hat er viele Dinge einfach deshalb gemacht, weil ich mir das gewünscht habe. Er hat mir angemerkt, wie sehr ich unsere Spielereien genieße. Und das gefiel ihm. Inzwischen ist es so, dass er auch einfach seinen Spaß dabei hat. Achja, auch wenn er am Anfang behauptet hat, er wäre gar nicht dominant, hat er für sich akzeptiert, dass er das sehr wohl ist. Wie gut, dass es so ist. Was würde ich wohl machen, wenn es nicht so wäre? ;-)

So, nun aber zum eigentlichen Thema.

Als ich anfing, mich mit BDSM zu beschäftigen, stellte ich fest, ein recht großer Bereich betrifft etwas, dass sich „Erziehung“ nennt und dazu gehören auch irgendwie Strafen. Diese Strafen hatten meist etwas mit Schlägen zu tun. Erziehen? Mich? Ich bin doch längst erwachsen. Wozu sollte das gut sein? Das fand ich alles sehr befremdlich. 

Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass es eben auch Bereiche gab, die ich sehr spannend fand, die mein Kopfkino zum Laufen brachten und die meine Knie weich werden ließen. Aber um diese Dinge soll es hier gar nicht gehen.

Und nun saß ich da in meinem Dilemma. Einerseits habe ich mich in vielen Erklärungen wieder gefunden und andererseits haben mich andere Themen einfach nur abgestoßen. Tja, was sollte ich da jetzt machen?

Ich habe da eine gewisse Macke, wenn ich schon etwas machen will, dann entweder richtig oder gar nicht. Also dachte ich eine ganze Weile, dass dieser ganze BDSMkram gar nicht zu mir passt. Das ist alles Quatsch. Vielleicht einfach nur angeschubst durch die Medien.
 Aber was soll ich sagen? Ich bin immer noch da.

Ich musste für mich einen gangbaren Weg finden. Und dieser Weg hat in erster Linie nur etwas mit mir zu tun, nur in zweiter Linie mit meinem Mann.

Auf dieser Seite hier, habe ich unglaublich viel Zeit verbracht. Es gibt auch ein Forum und auch in diesem habe ich viel gelesen und auch Fragen gestellt. Dem Herrn dieser Seite habe ich Löcher in den Bauch gefragt.

Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich meinem Mann gestatte mich zu schlagen, mir den Hintern zu versohlen, als Strafe, weil ich irgendetwas getan habe, was ihm nicht gefallen hat oder weil ich etwas nicht getan habe, was er aber doch gewollt hat.

Es dauerte eine ganze Weile bis ich verstanden habe, dass es gar nicht die Schläge sind, die mich abstoßen, sondern die Tatsache, dass es eine Strafe ist.

Strafen erinnern mich an meine Kindheit. Ich hatte sehr strenge Eltern. Obwohl ich mich immer bemüht habe, eine sehr liebe Tochter zu sein, erinnere ich mich an viele Strafen. In meiner Kindheit war es eben auch noch üblich, sein Kind zu Erziehungszwecken zu verprügeln. Und es wurde alles Mögliche genutzt, Kochlöffel, Kleiderbügel, Schuhe etc. Auch gab es noch diverse andere Strafen z.B. Hausarrest oder Liebesentzug.

Und mit diesen Erinnerungen in meinem Kopf las ich u.a. Geschichten von Gentledom,  in denen er Küchenutensilien nutzt u.a. zum Schlagen. Nicht als Strafe, einfach als erotisches Spiel. Und ich konnte dem nichts abgewinnen. Für mich lagen Strafe und Schlagen noch zu nah beieinander.

Viele viele dieser Strafen empfand ich einfach nur als ungerecht. Oft hatten sie einfach etwas damit zu tun, dass meine Eltern wohl überfordert waren. Und sie wussten sich keinen anderen Rat, als mich zu verprügeln. Sie machten mich damit aber ganz klein. Ich fühlte mich, als wenn ich nichts wert wäre, als könnte ich nichts richtig machen. Jedes Mal zerbrach wieder ein Stück meiner kleinen Seele.

Eine Bekannte sagte mir einmal, für sie war es nicht schlecht, mal einen Klaps auf den Po bekommen zu haben. Ich konnte nichts sagen, ich konnte nur für mich denken:“ Doch, für mich war es schlecht!“

Und als ich anfing mir vorzustellen, wie es wohl wäre, mein Mann würde mich bestrafen, wenn ich etwas falsch machen würde, hatte das gar nichts mehr mit erotischen Spielereien zu tun. Ich bekam einfach nur Angst. Die Vorstellung reichte schon, um in mir ganz ungute Gefühle zu wecken. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Wie soll ich eine Ehe führen, wenn ich vor meinem Mann Angst haben müsste? Ich liebe es,  gefesselt zu sein. Wie kann ich das noch genießen, wenn in meinem Kopf nur noch Angst ist, ob ich alles richtig mache? Wie kann ich überhaupt unsere Schlafzimmerspiele genießen, wenn ich andauernd Angst haben müsste, dass ich etwas verkehrt mache und er mich deshalb bestrafen könnte? Wie sollte ich weiterhin vertrauen? Und was ist dann mit meinem Wert?

Und ganz langsam habe ich verstanden, dass für mich Strafen eben ein Tabu darstellen und ich das so für mich akzeptieren muss. Auch wenn das vielleicht bedeutet, dass ich mit meiner Überzeugung bei einigen Leuten etwas anecke. Dann ist das eben so. So bin ich.                                                                  

Ich habe für mich beschlossen, ich bin nicht da, um gewisse Vorgaben zu erfüllen, sondern, um mit mir im Reinen zu sein.

Ich brauche es auch überhaupt nicht, dass mein Mann seine Autorität mir gegenüber beweist. Es ist wie es ist.

Ich mag nicht kämpfen. Ich gebe mich ihm einfach gerne hin, ich brauche keinen Zwang, ich tue das sehr gerne, ganz freiwillig. 

Ich möchte auch nicht „erzogen“ werden. Das kenne ich schon und brauche ich nicht wieder.  
Mein Mann braucht es übrigens überhaupt nicht, mich zu bestrafen. Das weiß ich aber erst, nachdem wir darüber geredet haben. 

Und trotzdem war es mir einfach wichtig, mich zu sortieren. Es ist  mir wichtig, mir darüber klar zu werden, was für mich noch gerade zu ertragen ist und was ich sehr gerne mag. 

Ich beschäftige mich ja noch nicht lange mit diesem Thema und somit ändert sich auch immer mal wieder etwas. Inzwischen durfte ich erleben, dass die Mischung aus Hintern versohlen und Zärtlichkeit etwas unglaublich schönes, intensives sein kann.

Alles hat seine Zeit ;)

Rosalie


Kommentare:


JamieLyn schrieb am 29.09.2014


Egal wie bunt BDSM ist irgendwann wärs halt doch wieder Vanilla...

Liebe Rosalie,

danke für den sehr persönlichen Artikel. Ich bin über das Thema im Forum darauf gestoßen. Bevor ich dieses gelesen hatte, hätte ich dir 100% zugestimmt, ich fand aber, ein paar der Argumente - für mein BDSM - wirklich überzeugend. Allen voran das mit dem "Loslassen können von eigenem Fehlverhalten" wie Erlant es beschrieben hat.
Trotzdem war dein Artikel wichtig für mich, denn auch ich bin immer noch hin und wieder am Zweifeln, was ich hier eigentlich will. :-)
Ich hab als angehender Teenager einmal eine Ohrfeige bekommen, ansonsten war meine Erziehung gewaltfrei. Dennoch möchte ich meine devote Seite allein aus Zuneigung und Liebe ausleben dürfen und nicht aus Angst vor einer Strafe. Und dafür wünsche ich mir dann jemanden der mich stabilisiert und nicht für die Dinge bestraft, die ich ihm geben möchte aber (noch) nicht kann.

Vielen Dank, Jamie


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redcat schrieb am 04.06.2013


Danke!

Liebe Rosalie,

vielen Dank für diesen Artikel. Dieses Gefühl- egal was man tut, es niemals richtig und gut genug zu machen und damit am Ende auch selbst als Person nie gut genug zu sein, sitzt bei mir auch zu tief, als das ich Strafe akzeptieren könnte.

Ich hab den kleinen gedanklichen Trick mit dem ich mir da intuitiv beholfen hab im Forum beschrieben ;-).

lg redcat


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Danke für den Kommentar ;)

INP schrieb am 04.06.2013


Strafe als Chance

Liebe Rosalie,

du bist nicht allein. Auch andere empfinden wie du. Meine Sklavin hat ein sehr ähnliches Problem. Sie gibt auch freiwillig, bedingungslos und empfindet Strafe auch (vielleicht auch deshalb) oft als ungerecht. Sie verbindet es auch mit Erfahrungen die sie gemacht hat und hat Empfindungen die sie gehabt hat.

Ich möchte dir dazu nur mal einen anderen Aspekt aufzeigen. Ich empfinde Strafe als Chance. Wenn meine Sklavin einen Fehler gemacht oder etwas nicht erledigt hat wie ich es verlangt habe, dann habe ich die wunderschöne Möglichkeit sie zu bestrafen. Damit kann ich ihren Fehler quasi mit einem Handstreich aus der Welt schaffen. Ich brauche nicht böse sein und sie muss sich nicht grämen, dass sie mir nicht das gegeben hat was ich verlangt habe. Es ist ein so schönes Mittel um einerseits mit einem Thema abschliessen zu können und andererseits an ihrer Entwicklung (ich sage jetzt extra nicht Erziehung) zu arbeiten und sich gemeinsam zu entwickeln. Wunderbar, es ist sooo einfach. So schön.

Ist es aber leider nicht. Weil Menschen nunmal unterschiedlich ticken. Und da sie es ähnlich empfindet wie du, droht sie mir abzustürzen, wenn ich sie bestrafe. Gräm dich also nicht, du bist nicht allein. Und wenn ihr das für euch gemeinsam so leben könnt, dann ist es doch toll- euer SM ist etwas genz besonderes.
Gruß
INP


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Danke für den Kommentar

Elderon schrieb am 04.06.2013


zur geposteten Kurzgeschichte

Hallo Rosalie,

habe nochmal schnell die Geschichte überflogen, zwar gibt es dort "Erziehungsmaßnahmen" aber nicht viel und auf die möchte ich jetzt auch nicht eingehen.

Bei der Geschichte solltest du eher dein Augenmerk darauf legen, das man auch ohne diese Spielereien Dominant/Devote Spiele führen kann ohne dabei eine Gerte oder ähnliches zu zücken. Man(n) muss nur ein bissl kreativ werden ;)

Gruß

Elderon


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Ich denke Rosalie und ihr Mann, haben ihren individuellen Weg BDSM auszuleben gefunden ;)

Elderon schrieb am 04.06.2013


BDSM ist bunt

Hallo Rosalie,

als ich dein Artikel las, fiel mir sofort nur eine Sache ein: es wird oft geschrieben das BDSM "bunt" sei, was auch stimmt.

für alle die es nicht wissen, ist BDSM ein mehrschichtiges Akronym (https://de.wikipedia.org/wiki/BDSM#Teilaspekte)
dabei steht es für:
BD = Bondage and Discipline
DS = Dominance and Submission
SM = Sadism and Masochism

und wie man schon im Wiki-Artikel liest ist B & D (Bondage and Discipline) nicht ein muss, dass es zusammen gehört.

Es sind wiederum nur 2 Aspekte und anhand deiner Vergangenheit kann man bei einer Skala von 0 bis 100 bei dir Sagen das bei dir das "D" definitiv auf 0 steht. Das ist nicht schlimm, jeder Mensch ist anders und es gibt genügend Bereiche die dir aber im BDSM auch gefallen (DS und Fesselspiele).

BDSM steht nicht dafür das man ausgepeitscht, erniedrigt oder sonst was machen muss. Man(n) sollte seine Partnerin kennen und wissen was ihr gefällt und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Wenn also Frau auf sowas nicht steht, wird man bestimmt auch andere Spiele oder Verführungen finden, die für dich sehr schön sein können.

Als Beispiel sei dabei diese schöne Kurzgeschichte hingewiesen: http://www.gentledom.de/lounge/bdsm-geschichten/maennliche-dominanz-v/das-erste-treffen/

wenn ich mich recht erinnere war in dieser Geschichte keinerlei Strafe o.ä. dabei.

Gruß

Elderon


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