Verbotene Fantasien?

Vor kurzem las ich eine Szene in einem Buch, die mich danach eine Zeit lang beschäftigte. Eine Frau sollte Geschlechtsverkehr mit einem Hund haben, sie lehnte dies eigentlich ab, tat es dann doch und es erregte sie.

Was war mein erster Gedanke? - An dem Punkt ist die Geschichte zu weit gegangen. Die Frage ist jedoch, zu weit für was? Für mein persönliches Empfinden? Oder für gesellschaftlich gültige Moralvorstellungen? Denn, wie ich mir selbst eingestehen musste, die Szene hat mich erregt. Und das ist es, was mich beschäftigt. Bitte versteht mich nicht falsch, dies soll kein Plädoyer für Zoophilie werden. Ich habe selbst einen Hund, und noch nie sind mir sexuelle Gedanken im Zusammenhang mit ihm gekommen, auch nicht mit anderen Hunden oder Tieren. Für mich ist ganz klar, dass ein Lebewesen, welches sein klares Einverständnis nicht geben kann (und das können Tiere nun einmal nicht), geschützt und nicht in sexuelle Handlungen einbezogen gehört. Auch würde ich die Szene aus dem Buch nicht als Masturbationsfantasie nutzen. Aber während des Lesens war ich erregt, da gibt es nichts zu beschönigen. Doch warum erregte es mich und warum fühle ich mich beim Gedanken daran trotzdem so unwohl?
 
Ich beginne mal mit der zweiten Frage. Dieses unwohle Gefühl, dieses "das sollte so nicht sein", ich denke, das ist einfach Scham, erst einmal vor mir selbst, denn auch wenn ich diesen Gedanken für mich behalten hätte, wäre er da gewesen. Habe ich mich schon einmal für eine Fantasie geschämt? Ich rede nicht vor der Scham, anderen (einem Partner) davon zu erzählen, das braucht ja manchmal eine Portion Mut und Vertrauen; nein, hatte ich selbst ein schlechtes Gewissen wegen irgendwelcher Dinge, die nur in meinem Kopf passieren?
 
Gehen wir mal 20 Jährchen zurück; ich erinnere mich, damals schon Vergewaltigungsfantasien gehabt zu haben. Und ja, ich habe mich dieser geschämt und hätte niemals mit einer Freundin darüber gesprochen. Ich war mir sicher, wenn ich erregt werde durch Gedanken an eine Tat, die für diejenigen, die ganz real Opfer einer Vergewaltigung werden, traumatisierend sein muss, dann stimmt doch was nicht mit mir. Irgendwann las ich dann in einer Mädchenzeitschrift, dass laut einer anonymen Umfrage eine sehr hohe Prozentzahl (ich habe sie nicht mehr in Erinnerung und will nicht lügen) aller befragten Mädchen schon derartige Fantasien gehabt hätten. Erleichterung machte sich bei mir breit, die Scham vor mir selbst war nicht mehr so schlimm, jedoch die Scham vor anderen blieb, denn es dauerte noch einige Jahre ins Erwachsenenleben hinein, bis ich mit einem Partner über meine Fantasien sprechen konnte. Wohlgemerkt mit einem Partner, der verstand, dass es eben auch Fantasien gibt, die man gar nicht ausleben möchte, die Kopfkino bleiben sollen. Und das ist vielleicht der Punkt: Das Bewusstsein, dass es in Ordnung ist Fantasien zu haben, die aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden sollten, wenn man eben weiß, dass man in der Realität niemals etwas tun würde, was anderen Menschen/Lebewesen schadet. 
 
Ich kenne keine Statistik über die Häufigkeit von Vergewaltigungsfantasien bei Männern, aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch sie diese haben. Wenn zwei Menschen sich auf ein Rapegame einigen, kommt das vermutlich nicht von ungefähr. Und ich vermute, dass es in diesem Punkt für einen Mann vielleicht noch viel schwieriger ist, solch eine Fantasie zu gestehen. Er muss ja Angst haben, als tickende Zeitbombe zu gelten. Aber wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, hat vielleicht jeder die eine oder andere Fantasie, die er so, wie sie im Kopf ist, nicht 1:1 umsetzen würde. Und wenn man sich diese Tatsache vor Augen führt, wenn man sich mit seiner eigenen Sexualität auseinandersetzt, gibt es auch keinen Grund mehr, sich zu schämen - vor sich selbst schon mal gar nicht.
 
Bleibt noch die Frage, warum erregen mich gewisse Dinge, die ich gar nicht umsetzen möchte, überhaupt? Darüber habe ich fast noch länger nachgedacht, bis mir auffiel, was all meine "verbotenen Fantasien" gemeinsam haben: Es geht um Macht und Unterwerfung. Es geht darum, an Grenzen (und darüber hinaus) gebracht zu werden, Dinge zu tun, die man für unmöglich hielt oder auch Dinge zu tun, die nicht zur eigenen Freude dienen, die eben nur aus der Lust heraus, jemand anderem Lust zu bereiten, geschehen. Und da ich mir sicher bin, niemals Fantasien umzusetzen, die außer mir selbst (und das auch nur in sehr geringem und möglichst kalkulierbarem Maße) noch jemand anderem schaden könnten, bzw. dass mir das klar ausgedrückte Einverständnis aller beteiligten Personen wichtig ist, kann ich mein Kopfkino weiterhin unbeschwert genießen und mache mir auch hoffentlich nicht mehr allzu viele Gedanken, wenn mich mal wieder etwas erregt, was für mich in der Realität ein Tabu ist.

Autorin Soleil


Kommentare:


gabigrau schrieb am 24.03.2016


Seltsam,
ich habe auch sehr wilde Fantasien, aber ich habe sie nie hinterfragt.Sie sind , was sie sind. Und sie sind ich.
Auch nicht als Teenager. Da frag ich mich heute, woher ich die Bilder hatte.
Das meine Fantasien mit D/ s zusammenhängen, hab ich erst vor kurzen verstanden. Und nein, ich möchte nicht alle ausleben.

lg gabi


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Leila schrieb am 16.05.2015


Liebe Soleil, liebe ksB,

ich bin heute das erste Mal auf dieser Domaine und durchaus fasziniert von der Klarheit und Offenheit, mit der das Thema BDSM diskutiert und gelebt wird.

Jetzt erst mal zu Eurem Thema "Vergewaltigungsphantasien". Ich bin heute 47 Jahre alt und wurde mit 12 das erste Mal von einem Familienmitglied vergewaltigt. In Folge waren es noch 3 Mal.
Wie hat sich mein Sexualleben entwickelt? Also mit 17 Jahren hatte ich den ersten wirklich schlechten eigen bestimmten Sex. Männer hatte ich viele und keiner hat mich zum Orgasmus gebracht. Immer habe ich an einem bestimmten Punkt gedacht, wann er wohl fertig ist. Und ich habe es immer so erlebt, dass der Mann nur auf sich achtet. Über die Vergewaltigung, oder nennt es Mißbrauch habe ich nie nachgedacht, weil ich es verdrängt hatte. Perfektionierter Eigenschutz.
Mit 29 Jahren habe ich Zuge einer Ausbildung (Osteopath), in der sehr intensiv in Strukturen gearbeitet wird, die unter der Oberfläche liegen, einen totalen emotionalen Absturz gehabt. Alles kam auf einen Schlag wieder hoch. Ich war in einer Psychotherapie und habe nach einem Jahr abgeborchen, weil ich mit dem Thearpeuten "gespielt" habe. Meine Überlebensstrategie (Situatonen schon zu ahnen, bevor sie passieren - sämtliche Emotionen sehr früh wahrzunehmen, um mich zu schützen - die Menschen um mich rum zu manipulieren, damit niemand etwas merkt) von damals war so stark, dass er mich nicht zu fassen bekommen hat.
Ich erzähle Euch das, um Euch zu entlasten. Es ist ein Weg für ein echtes Vergewaltigungsopfer sich aus diesem substantiellen Vertrauensbruch zu befreien und seine ganz eigene Sexualität zu finden. Es gibt bestimmt sehr viel schlimmere Erfahrungen als meine, keine Rede.
Aber selbst diese Vergewaltigungen hatten micht Macht, Dominanz und Verlust des Urvertrauens zu tun. Ich denke, das ist es was Euch beschäftigt. Es gibt aber einen Unterschied. Ich seid hoffentlich in sicheren Händen, die nicht Eurer Vertrauen zerstören.

Heute nache einem langen Weg, habe ich es für mich akzeptiert, dass es mir durchaus gut tut, einen sehr sehr verantwortungsvollen Dom zu haben, der das Spiel aus Dominanz und Sicherheit beherrscht. Erst mit meinen Gehversuchen mit BDSM habe ich den ersten Orgasmus meines Lebens gehabt und dadurch das Gefühl wiedererlangt vollständig zu sein. Eine vollwertige Frau. Und das ist unbezahlbar. Ich kann Euch nur sagen, es ist ein Frauenthema immer darüber nachzudenken, warum wir uns dazu bewegt fühlen uns etwas zu wünschen, oder zu tun. Macht was Euch gut tut - und vor allem genießt es.

Leila


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Alex schrieb am 09.03.2015


Ein wirklich toller Artikel, vielen Dank für deinen Mut darüber zu schreiben!


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Corina schrieb am 07.03.2015


Hallo Soleil,

also erst einmal Respekt für deine Ehrlichkeit und den Mut uns an deinen Phantasien teilnehmen zu lassen. Was sich da in deinem Kopf abspielt ist nicht krank, sondern etwas was dich beschäftigt, erregt und dennoch kannst du zwischen Kopfkino und Realität sehr gut unterscheiden und das ist in meinen Augen etwas, was verhindert, dass du es in der Wirklichkeit ausleben würdest. Unser Unterbewusstsein spielt uns gerne so manchen Streich und jeder hat die ein oder andere dunkle Phantasie .


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kleines-sub-Biest schrieb am 07.03.2015


Liebe Soleil,

du hast mich an meine Überlegungen erinnert. An einige Überlegungen und den Scham den so manche Fantasien hervorrufen. Die Fragen warum man solche Fantasien hat oder warum sie einen erregen, habe ich mir schon im Teenie alter gestellt. Und vor allem, warum sie mich erregen. Alleine die Fragen danach haben mich in ein Schamgefühl getrieben, das ich sehr lange nicht abstellen konnte. Auch mir gegenüber nicht.
Vergewaltigungsfantasien habe ich schon mit 13 oder sogar früher, aber ich bin damit nicht fertig geworden. Bis zu dem Moment, als ich meinen Mann kennenlernte. Wir haben Rapegame, schon sehr früh gemacht. Es ist nicht zu vergleichen mit einer wirklichen Vergewaltigung, aber kommt dem sehr nah. Hier habe ich zum ersten Mal darüber geredet/geschrieben. Aber ich habe selbst dabei ein furchtbares Schamgefühl.
Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich im laufe der Jahre Opfer kennengelernt habe und mich dafür schäme, solche Situationen im Rapegame (nach) zu spielen. Damit werde ich immer noch nicht fertig. Und ich frage mich manchmal, ob ich ganz normal ticke.
Meine andren Fantasien, verarbeite ich oft in meinen Storys. Für mich persönlich möchte ich sie aber nicht aus meinem Kopfkino raus lassen. Sie wären nicht kompatibel in meine Beziehung/Leben, wie auch immer...
Dieser Fantasien schäme ich mich heute noch. Kann es einfach nicht abstellen. Nur wenn ich meine Storys schreibe, kommen diese Fantasien vor. Nicht in jeder, aber doch in einigen.
Aber ich glaube, es würde nicht so viele Bücher geben, wenn nicht so viele Menschen Kopfkino hätten. Alleine Krimis oder Thriller, die Autoren haben doch auch Kopfkino. Fantasien, ob sie sie anregen möchte ich nicht sagen. Bei meinen Storys ist es auf jeden Fall so. Auch heute schäme ich mich dafür und vor allem es hier zuzugeben. Meine Fantasien sind zwar nicht so extrem, aber für mich sind sie ein Grund mich zu schämen.

Liebe Grüße
ksB


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