Vor einigen Monaten hat sich meine Lieblingsautorin dazu entschieden ihre BDSM Webseite einzustellen und mir offeriert, dass ich ihre Texte hier einstellen darf. Ende 2024 oder spätestens 2025 werde ich ihre Texte hier bei uns eingefügt haben, bis dahin ein kleiner Appetithappen.
Wenn in einer SM-Community das Thema „Demütigung“ zur Debatte steht, scheiden sich die Geister: Einige lehnen sämtliche Praktiken, die „erniedrigend“ wirken könnten, für sich ab. Andere bestreiten deren demütigenden Charakter, denn es geschehe schließlich alles im Konsens. Viele geben aber auch zu, auf Demütigungen abzufahren und dadurch erregt zu werden, doch lese ich selten etwas darüber, warum dem eigentlich so ist.
In der Gesellschaft ist die Praxis, den Partner im erotischen Kontext zu demütigen, noch weit mehr tabuisiert als das Zufügen und Genießen körperlicher Schmerzen. Und doch spielen auch „Stinos“ mit Demütigung, z.B. im „Dirty Talk“, oder wenn sich die Frau mal ganz besonders „nuttig“ gibt, bzw. so behandelt wird („geile Schlampe!“).
Im SM-Bereich sind demütigende Praktiken nicht immer so aufs Sexuelle bezogen – zum Beispiel:
bis hin zu verbalen Erniedrigungen, Ohrfeigen, Anspucken oder zeitweiliges Ignorieren. Männliche Subs schätzen auch die „Zwangsverweiblichung“ als demütigende Behandlung (Eine Entsprechung fürs weibliche Geschlecht existiert bezeichnenderweise nicht).
Datenschlag behandelt das Thema im Artikel „Die Psychologie des Sadomasochismus“ unter „psychische Empfindungen“:
„Psychischer Schmerz wird durch Gefühle der Erniedrigung, Degradierung, Ungewissheit, Besorgnis, Machtlosigkeit, Sorge und Furcht hervorgerufen. In der SM-Subkultur ist der häufigste psychische Schmerz die Erniedrigung, aber es gibt allgemein erniedrigendes Verhalten. Diese Empfindungen können durch verbale Äußerungen oder Handlungen erzeugt werden. Den Submissiven verbal zurechtweisen oder vom Submissiven niedrigende oder peinliche Handlungen verlangen oder ihn in einer verletzlichen Situation allein lassen usw.“
Warum aber finden so viele diesen „häufigsten psychischen Schmerz“ geil? Warum will man etwas erleben, das man gleichzeitig für den eigenen Alltag komplett ablehnt?
Wo immer ich diese Frage stelle, fühlen sich nicht wenige aufgefordert, mir zu sagen, für wie müßig und überflüssig sie solches „Grübeln“ halten. Trotzig-offensiv wird verlautbart: Ich bin eben pervers und das ist gut so! Gleichzeitig wird mir unterstellt, ich hätte PROBLEME mit meiner sadomasochistischen Identität und solle daran arbeiten, mich zu akzeptieren, wie ich nun einmal bin.
Was für ein beschränkter Standpunkt! Ich habe keine „sadomasochistische Identität“ (mal abgesehen vom leider nötigen Pseudonym, das ich hier nutze), sondern bin ein Mensch mit Eigenschaften und Sehnsüchten, die sich im Lauf der Erfahrungen verändern. Für mich ein klarer Beweis, dass es eben kein „angeborenes SM-Gen“ gibt, das zwangsläufig ein paar exotische Vorlieben mit sich bringt. Alles, was ich erlebe, hat seine Gründe und Bedingungen – ob es nun das perverse Vergnügen an fettem Eisbein mit Sauerkraut ist oder die abgründige Lust an erotischer „Erniedrigung“.
Im Artikel „Von Spiel mit der Scham“, der schon ein wenig an der Oberfläche dieses Themas kratzt, kam ich zum Schluss, die Neigung und ihre spezifischen Sehnsüchte als unbewusstes Streben nach Vollständigkeit, nach Unabhängigkeit von äußerer Bestätigung, nach Ganzheit und innerem Frieden anzusehen.
Das klingt vermutlich für manche schwer esoterisch, ist aber ganz praktisch gemeint: Ein GANZER Mensch kann ALLE Gefühle und Empfindungen fühlen, die es gibt: Freude und Leid, Glück und Traurigkeit, Mut, Scham, Angst, Trotz, Wut, Mitgefühl und vieles mehr. Ist jemand ganz „bei sich“ und hat keine inneren Mauern gegen so manche Gefühle errichtet, reagiert er spontan auf die Zumutungen des Lebens, fühlt die Gefühle und drückt sie ebenso spontan aus. Nichts wird unterdrückt und aufgestaut, die Emotionen und Gefühle gehen so schnell vorüber, wie sie aufgekommen sind.
Nicht so, wenn man sich innerlich gegen bestimmte Gefühle „gerüstet“, bzw. abgeschottet hat! Viele Männer können zum Beispiel nicht weinen und auch vielen Frauen fällt es schwer. Im SM ist so manches Verlangen nach Grenzerfahrungen im Reich der Schmerzen auch durch die Sehnsucht begründet, endlich mal in eine Verfassung zu kommen, in der WEINEN wieder möglich ist. Bei mir hat es etliche Experimente auf dem „masochistischen Spielfeld“ gebraucht, bis ich es schaffte, meine Weichheit und Verletzlichkeit wieder zuzulassen und auch mal in Tränen auszubrechen – bis dahin war ich die „Indianerin, die keinen Schmerz kennt“.
Ich entdeckte damals zu meiner Verwunderung, dass es eine eigene Entscheidung ist (quasi ein aktives, innerseelisches Tun), nicht an der inneren Härte festzukleben, sondern sich auch wirklich berühren zu lassen. Es war ein Irrtum gewesen, zu meinen, man werde durch die Aktionen des Tops irgendwie „überwältigt“ – nein, meine Sturheit musste ich selber umschiffen lernen und es war eine wundervolle Entdeckung, endlich mal wieder weinen zu können! Das bedeutete nämlich auch das Wieder-zulassen-können einer ganzen Menge weicher Gefühle und Befindlichkeiten, die ich mir durch die Entwicklung zur „Indianerin“ abgeschnitten hatte: Schwachheit, kindliche Spontaneität, Zärtlichkeit, Schüchternheit, echtes Mitgefühl. Ich bin sensibler geworden, seit ich wieder weinen kann.
Nicht viel anders verhält es sich mit der Demütigung: Die Neigung verlangt danach, doch erkennen wir nur die „miese Seite“ dieser Gefühle, und es irritiert durchaus, sich im erotischen Kontext davon erregen zu lassen. Was aber ist „die andere Seite“ der Demütigung?
Wer durch nichts und niemanden gedemütigt werden kann, weil er sich einen dicken Gemütspanzer zugelegt hat, wird das nicht wissen, vielleicht aber die Sehnsucht spüren, es zu erfahren. Und wie könnte das besser gehen als im kontrollierten Rahmen einer BDSM-Beziehung, in der die Partner sich gut kennen, entsprechend vertrauen und genau wissen, dass – jenseits der physischen und psychischen „Praktiken“ – das Verhältnis von Liebe und Achtung geprägt ist???
Die Aufklärung, woher so ein „Gemütspanzer“ kommt, kann nur jeder für sich leisten. Einerseits erzieht und konditioniert uns die Gesellschaft dazu, möglichst stark und unverletzlich zu erscheinen. Schon das allein ergibt ein psychisches Ungleichgewicht, eine gewisse chronische Verspannung im Gefühlsleben, die gar nicht mehr gespürt wird, doch untergründig durchaus Wirkungen entfaltet. Bei vielen – auch bei mir – gibt es Erlebnisse in der Kindheit, die es nötig machten, sich gegen Schmerz und Demütigung komplett innerlich abzuschotten, um irgendwie weiter zu leben und nicht zu verzweifeln. Das müssen nicht immer die ganz großen Skandalgeschichten sein (wie etwa expliziter Kindesmissbrauch), es reichen auch weniger spektakuläre Formen des Erziehungsversagens, die ein Kind psychisch „teil-vereisen“ lassen können. Auch Einwirkungen von außerhalb des familiären Umfelds und spätere Erlebnisse können diese Wirkungen haben, bzw. verstärken.
Je nachdem, wie virulent die alten Wunden noch sind, ist es wichtig oder gar nicht mehr wichtig, nach den auslösenden Erlebnissen zu fragen. Aus meiner Erfahrung kommen „einschlägige“ Erinnerungen ins Bewusstsein, sobald der Panzer sich auflöst – da muss man gar nicht viel „grübeln“! Sehr viel wichtiger und nützlicher als die „Aufklärung“ ist tatsächlich die „Auflösung“ der Blockaden – und manchen ist es gegeben, sie im Rahmen faszinierender BDSM-Szenarios zu erleben.
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