Die erste Session - gerne, aber wie?

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Zunächst einmal halte ich fest, dass ich das Wort „Session“ nicht so gerne mag. Warum? Das ist eine gute Frage und nicht so ganz einfach zu erklären. Es könnte vielleicht daran liegen, dass die deutsche Übersetzung von „Session“ so viel wie „Sitzung“ bedeutet. Und für mich ist eine erotische Zusammenkunft mit meinem Partner alles andere als eine „Sitzung“.
Bei „Sitzung“ denke ich eher an die Zusammenkunft eines Gremiums zwecks Informationsaustausch oder an einen Tätowierer oder Piercer, vielleicht auch noch an Musiker, die ja ganz gerne mal eine Jam Session miteinander machen, um Neues auszuprobieren. Auch Termine bei diversen Therapeuten werden ja immer gerne als Sitzung bezeichnet. Vielleicht mag ich es deshalb nicht so gerne verwenden. Vielleicht ist es ja aber auch nur reine Gewöhnungssache. So lange bin ich halt nun auch noch nicht dabei.

Das Schwierigste an der Geschichte ist zweifellos die Frage, wie man seinem Partner beibringt, dass man BDSM gerne mal mit ihm ausprobieren würde oder auch, sofern man schon tiefer in der Materie steckt, dass man auf BDSM steht.

In meinem Fall war es so, dass ich schon recht lange mit meinem Partner zusammen war, als ich feststellte, dass BDSM eine gewisse Faszination auf mich ausübt. Welche verschiedenen Wege es gibt, um das Thema BDSM beim Partner auf den Tisch bzw. ins „Spiel“ zu bringen, ist im Artikel "BDSM in der Beziehung - Wie sag ich´s meinem Herzblatt" anschaulich in einigen Beispielen beschrieben. Worauf im Artikel nur am Rande eingegangen wird, ist der innere Kampf mit sich selbst, der nahezu jedem potentiellen BDSM-Neuling bevorsteht. Denn wir sind nun einmal i.d.R. so erzogen, dass wir Gewalt oder Machtausübung im Bereich der Sexualität ablehnen und wir sind wohl alle mehr oder weniger mit der Vorstellung aufgewachsen, dass beide Partner stets gleichberechtigt sind, also auch im Bereich Erotik ergo im Bett.

Doch plötzlich stellt man fest, dass es einen durchaus kickt, einmal die Zügel aus der Hand und die Verantwortung an den Partner abzugeben und sich unterzuordnen. Oder man stellt fest, dass einen der Gedanke an die Machtlosigkeit und/oder Unterwürfigkeit des Partners beim Liebesspiel doch mehr anheizt, als man es zunächst wahrhaben möchte.

Dies seinem Partner einzugestehen, erfordert schon eine gehörige Portion Mut. Denn die Reaktion des Partners ist nicht unbedingt zu hundert Prozent vorhersehbar. Die eigene Scham, die eigene Erziehung, die erworbenen Rollenbilder und die Angst, den Partner zu verlieren, sollte er das Interesse an BDSM nicht teilen, verzögern und erschweren das erste Herantasten an das Thema beim Partner sehr.

Wagt man schließlich doch den entscheidenden Schritt und öffnet sich seinem Partner, kann dies der Beginn einer wundervollen gemeinsamen Reise durch die Welt des BDSM werden. Oder auch einfach nur eine Intensivierung der Gefühle füreinander durch Einbeziehung einer neuen Ebene in Bezug auf sexuelle Interaktion.

Jedenfalls waren meine ersten Erfahrungen, die ich mit meinem Partner im Bereich BDSM sammeln durfte, durchweg positiv. Wir haben uns allerdings auch recht viel Zeit genommen, um uns über das Thema an sich und über die positiven wie negativen Erfahrungen anderer mutiger Zeitgenossen, die es vor uns versucht haben, zu informieren.

In vielen Gesprächen, basierend auf Informationen aus Büchern, Filmen und Internetseiten, näherten wir uns langsam an das an, was für uns beide ging und was nicht. Ein genauer Ablauf der Session wurde nicht festgelegt, wohl aber ein Safeword, bei dessen Nennung das Spiel sofort abgebrochen werden würde. Allein eine Liste mit Vorlieben und Tabus, die wir beide getrennt ausfüllten, steckte unseren Rahmen ab.

Und was soll ich sagen? Schön war´s – unser erstes „Spiel“!
Während der ersten Session

Wer hier jetzt aber eine detaillierte Beschreibung unserer ersten „Session“ erwartet, den muss ich bitterlich enttäuschen. Ich werde mich hier auf die Beschreibung einiger weniger Eckpunkte beschränken und den Schwerpunkt auf meine Gefühlswelt während der neuen Erfahrung setzen.

Wir sind beide Switcher, haben uns aber für unseren ersten Versuch eine dem gängigen Klischee entsprechende „klassische Rollenverteilung“ ausgesucht. So war ich verpflichtet, mich ihm zu fügen und nach seinem Willen zu handeln. Diese ungewohnten Voraussetzungen sorgten bei mir schon vorab zu einem wohligen Schauer, der mir nicht nur einmal über den Rücken lief, da mein Partner es sich nicht nehmen ließ, mich von Zeit zu Zeit wissen zu lassen, was er so alles mit mir ausprobieren wollte.

Bisher haben wir uns eigentlich immer gegenseitig mehr oder weniger direkt gesagt, was wir beim Liebesspiel schön finden und was nicht und wir haben uns innerhalb von relativ eng festgelegten Grenzen bewegt.

Doch nun nutzte mein Partner seine auf Zeit gewonnene Vormachtstellung mit Genuss aus. Es war eine völlig neue Erfahrung, sich so unterordnen zu müssen und ich gebe offen zu, dass ich mehrfach „aufgemuckt“ habe, weil ich das nicht so einfach hinnehmen konnte, bzw. wollte.

Dank seiner sehr ausgeprägten körperlichen und mentalen Durchsetzungsfähigkeit und seiner unerwartet geschickten Fesselungskünste (er hat mir bis heute noch nicht verraten, woher diese stammen…), war ich ihm jedoch recht schnell wehrlos ausgeliefert. Eine Augenbinde wurde mir auch noch verpasst.

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten konnte ich mich so nicht mehr für die nun folgenden Zärtlichkeiten, die sich jetzt immer wieder mit neuen Gemeinheiten abwechselten, revanchieren.

Einfach mal dem Partner durch die Haare fahren, ihn am Hinterkopf kraulen, küssen oder streicheln war nicht mehr drin. Auch der Einsatz der Fingernägel oder Zähne, ein sehr effektives Mittel um Missfallen, aber auch höchste Wonne zum Ausdruck zu bringen, war nicht mehr möglich.

Darüber hinaus konnten Zuwendungen, welche so nicht oder nicht in der angewandten Form oder nicht an dieser Stelle erwünscht waren, nicht mehr abgewehrt bzw. verhindert werden – was mir durchaus die eine oder andere neue Erfahrung bescherte.

Auch der Überraschungseffekt der verschiedenen Aktionen wegen der Augenbinde, die mir die Chance auf entsprechende mentale Vorbereitung nahm, war nicht zu unterschätzen.

Die Folge war zumindest bei mir, dass sich die Empfindungen sowohl aufgrund der Gemeinheiten wie auch der Zärtlichkeiten erheblich intensiviert haben. Eine Erfahrung, die durchaus als angenehm beschrieben werden kann. Auch stimmen die verschiedenen Berichte wohl, wonach man sich viel besser fallen lassen kann, wenn man die Verantwortung abgeben darf.

Ich denke, wir haben letztendlich beide davon profitiert, dass wir uns schon so lange kennen. Er wusste, wie er meine Reaktionen einzuschätzen hatte und infolgedessen auch, wie weit er gehen konnte. Ich dagegen hatte genug Vertrauen zu ihm, welches mir ermöglichte, mich auf dieses Spiel einzulassen und es auch genießen zu können.
Nach der ersten Session - und dann?

Wir haben unsere erste Session, die ich immer noch lieber als „Spiel“ bezeichnen möchte, beide heil und unversehrt überstanden (wenn man von einem Knutschfleck am Hals einmal absieht ) und werden sicher weiter experimentieren, was für uns alles geht und was nicht.

Schön war auch der Moment, als meine Fesseln wieder gelöst wurden und wir uns aneinander gekuschelt einfach nur überwältigt in die Augen schauten. Wir tauschten noch ein paar Zärtlichkeiten aus und unterhielten uns nach anfänglichem Zögern angeregt darüber, was für uns besonders schön und was eher nicht wiederholungsfähig war.

Während wir so aneinandergeschmiegt schließlich nach und nach einschliefen, lief mein Kopfkino schon auf Hochtouren, denn beim nächsten Spiel würde ich diejenige sein, die bestimmen durfte, was wie mit wem gemacht wird…

Fazit: Nach dem ersten Spiel begann für mich eine sehr aufregende, abenteuerliche Reise in die Welt des BDSM, die sicher noch lange nicht beendet sein wird. Meine Neugierde ist nicht gestillt, es gibt noch so vieles, was ich ausprobieren und wissen möchte. Ob dies in dem berühmten „schneller, höher und weiter“ gipfeln wird, was einige ja für unvermeidlich zu halten scheinen, weiß ich noch nicht, kann es mir momentan aber eher nicht vorstellen.

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