Tagesform

Schon vor dem Weckerklingeln weiß ich wie der Tag wird. Die gleichen Sonnenstrahlen, die mir die letzten Tage sanft die Haut streichelten, sind heute einfach nur schmerzend, stechend hell. Die Dusche lässt sich partout nur heiß oder kalt stellen und meine Haare sehen trotz waschen und striegeln aus, als hätte ich mit Strom gespielt.
Der Versuch, mir mit meinem heiß geliebten Kaffee den Start in den Tag zu retten, scheitert; er ist einfach nur bitter. Noch bevor ich die Klinke hinter mir zuziehe, weiß ich - heute wäre ich besser im Bett geblieben. Nichts ist heute wie es sein sollte, nichts ist heute so wie sonst...

So, wie mir nicht einmal mein Kaffee einen solchen Morgen retten kann, so auf den Kopf gestellt können meine Wahrnehmungen und Reaktionen auch innerhalb einer BDSM Session sein.

Schmerz, der mich sonst in bitter-süßen Wellen der Lust entgegen treibt, mir die Kruste des Alltags von der Seele schlägt und einem Gewitterguss gleich allen Ballast aus meinem Kopf spült, verletzt mich an diesen Tagen nur. Sonst so geliebte kleine, spitzfindige Bemerkungen und derbe Worte, die mich weiter anheizen sollten, beleidigen mich nur, denn ich kann das Kompliment dahinter nicht hören. Jede Fesselung erscheint mir so unbequem, dass ich mich nicht darin einfinden und nicht zur Ruhe kommen kann. Kurzum, an einem solchen Tag ist Hopfen und Malz verloren.

So drastisch entgegen gesetzt werden die Empfindungen natürlich nur in seltensten Fällen und an einem wirklich schlechten Tag sein. Damit ist der Unterschied in der Reaktion aber auch nicht so deutlich sichtbar. Welche Dosis an Schmerz ich als befreiend, noch zu ertragen oder als nur noch verletzend empfinde, schwankt mit meiner Tagesform genauso, wie der Grad zwischen derben, verbalen Anheizern und Beleidigung variierend breit oder schmal sein kann.

Auch ein Tanz mit immer gleichem Rhythmus und gleicher Schrittfolge wird lebendig mit dem Paar, das ihn tanzt. Keine Drehung wird je dieselbe sein wie die davor, kein Impuls immer in die gleiche Richtung führen. Jede Begegnung birgt die Geburt eines neuen Moments und jedes Mal gilt es zu erforschen, wie weit man HEUTE gehen kann.

Im diesem Sinne - alles bleibt anders...

Redakteur: