Da war doch noch was

Warum ich mir manchmal wünsche, Rücksichtnahme nicht nur in Beziehungen vorzufinden

Neulich in unserer SM-Kneipe saßen mein Herzblatt und ich mal wieder bei einem Glas Wein mitten unter unseren Freunden. Zwischen amüsanten Anekdoten, kessen Sprüchen und sinnlosem Gerede gab es natürlich auch das eine oder andere interessante Gespräch. Meistenteils bleibt es jedoch beim üblichen Nonsens. Schließlich will man sich ja amüsieren und keine weltbewegenden Diskussionen führen. Was eindeutig den Vorteil hat, dass so jeder seinen Spaß hat. Es tut halt gut, dem Alltag und seinen Sorgen einfach mal den Laufpass zu erteilen. Mir jedenfalls machte der Abend höllisch Spaß, und wie immer war ich zumindest verbal auf der Gewinnerseite.

Kurz vor 23 Uhr kam noch ein Pärchen aus unserem Freundeskreis dazu. Als Karen, ich nenne sie der Einfachheit halber mal so, mich sah, fing sie sofort an zu lachen und rief schon von weitem: „Na Brie, dass war ja mal wieder so ein typisches Ding von dir …“ Ich muss ziemlich bedeppert ausgesehen haben, denn ich wusste zuerst gar nicht, was sie genau damit meinte – bis mir dann schlagartig einfiel, dass es sich nur um einen Vorfall auf einer SM-Geburtstagfeier handeln konnte, die zwei Wochen zurücklag.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich hin und wieder an einer sagen wir gewissen Begriffsstutzigkeit leide. Nicht, weil ich zu blond bin – man möge mich also mit den üblichen und völlig überflüssigen Blondinenwitzen verschonen. Sondern weil es einfach Sachen gibt, die ich für so unpassend halte, dass ich mir gar nicht vorstellen mag, dass man sie ohne Rücksicht auf andere auslebt. Natürlich ist mir klar, dass wir uns bei einer SM-Feier nicht auf einer abendlichen Tanzveranstaltung der freiwilligen Feuerwehr befinden und ehrlich gesagt bezweifle ich, dass es da nur ums Tanzen geht.

Dennoch bin ich der Ansicht, dass man unter SM-geneigten „Freunden“ ruhig auch mal ein klein wenig mehr Rücksicht auf andere nehmen sollte. Allerdings ist meine Erfahrung, dass die meisten nach dem Motto „Was mir gefällt, muss auch anderen gefallen“ agieren anstatt einfach mal einen Gang runter zu schalten. Wem tut es weh, wenn man die nicht ganz so „feinen“ Praktiken lieber auf später verschiebt und wartet bis man zu Hause ist? Niemanden, würde ich sagen, und obendrein beweist man damit doch nur, dass man nicht ganz unter mangelnder emotionaler Intelligenz leidet.

In diesem speziellen Fall war nicht mangelnde Intelligenz sondern wohl eher willenlose Triebhaftigkeit schuld daran, dass wir anderen Gäste am frühen Morgen sozusagen live und in Farbe miterleben durften, was ein Pärchen gemeinsam auslebt um auf Touren zu kommen. Schön, wenn es ihnen gefallen hat. Mir jedenfalls hat es nicht gefallen, obwohl ich sonst der Ansicht bin, dass ein jeder nach seinem eigenen Gusto leben sollte. Und glaubt mir, ich hab schon mehr nackte und pralle Hinterteile über Stühlen, Bänken und Strafböcken liegen sehen, als ich mir jemals hab träumen lassen.

Und irgendwann hab ich auch aufgehört, die nach oben reckenden und nicht warten wollenden „Männlichkeiten“ zu zählen und auf die vielen offenen und entblößten weiblichen „Himmelspforten“ zu achten, weil man abstumpft und einiges nicht mehr so wahrnimmt, und weil man irgendwann selbst zu einem agierenden Teil des ganzen bizarren Schauspiels wird.

Ich bin weder die Unschuld vom Lande noch ein Kind von Traurigkeit; und doch gibt es gewisse Praktiken, auf die ich gerne verzichten kann und deren Zeuge ich auch nicht in der Öffentlichkeit sein will. Ich nehme mir einfach das Recht heraus zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter.“ Schlussendlich gibt es noch so etwas wie ein Zuhause.

Und ebensowenig, wie ich sehen möchte, wie sich jemand mit dem Pudel seiner Herrin vergnügt, weil seine Leidenschaft nun einmal die Sodomie ist, oder sich jemand mit Vorliebe die Vorhaut nageln oder die Brüste mit soundsovielen Nadeln durchbohren lässt, möchte ich Zeuge davon sein, wie zwei gegenseitig sich auf einer öffentlichen Toilette von oben bis unten über den ganzen Köper urinieren.

Erstens finde ich es unhygienisch, und zweitens gehört so etwas nicht in die Öffentlichkeit. Nein – ganz und gar nicht!

Aber das ist eine andere Geschichte. Also, genau gesehen hab ich es nicht. Aber nur deshalb nicht, weil ich zum fraglichen Zeitpunkt nicht für „kleine Königinnen“ gehen musste. Mitgekriegt hab ich es dadurch, als sich beide pitschnass zu uns an den Tisch setzen und ich erstaunt nachfragte, ob es jetzt nach dem Umbau Duschen im Keller gäbe. Natürlich erhielt ich keine direkte Antwort – dafür schallendes Gelächter.

Karen war es, die mich dann beiseite nahm und mir zuraunte: „Du, die stehen auf gegenseitiges Bepinkeln.“ Fein, dachte ich. Und warum hier und nicht zuhause?

Ich finde, diese Frage darf man schon mal stellen, wenngleich ich mich an diesem Morgen nicht mehr getraut hatte. Ich war eh schon die Dumme!

Ach ja, übrigens: Umarmt hab ich beide nicht, als wir nach Hause gingen, und das obwohl das bei uns „Freunden“ Sitte ist. Und man mir im Nachhinein versicherte, beide hätten sich auf der Toilette kurz gewaschen: Na, wer’s glaubt, wird selig …

Herzlichst Eure brianna

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