Amy (27)

Stelle dich bitte kurz vor:

Ich bin 27 Jahre alt, sehe ganz passabel aus und bin... devot? Zurzeit mache ich eine Ausbildung zur Krankenschwester. Außerdem leide ich unter kontinuierlichem Bewegungsdrang und brauche viel frische Luft, gutes Essen und intellektuell anregende Gespräche. Meine Hobbies sind Lesen, Kochen, Singen, Wandern, Motorradfahren (Sozia). Außerdem liebe ich Tiere. Kurz gefasst: quietschlebendig, liebend, menschlich...


Seit wann reizt dich BDSM, gab es einen Auslöser?

Seit ich denken kann, schon als Kind liebte ich entsprechende Szenen in Büchern oder Filmen, in denen Kinder eingesperrt oder gefesselt wurden.... mit steigendem Alter passten sich diese Fantasien dann natürlich an. Da ich sehr streng religiös erzogen wurde, dauerte es sehr lang, bis ich mir problemlos eingestehen konnte, was ich fühlte.
Mit 19 machte ich dann meine ersten vorsichtigen Erfahrungen mit einer Frau. Als ich das erste Mal BDSM mit einem Mann praktizierte, war ich 23. Mittlerweile kann ich mir ein Leben und eine Beziehung ohne nicht mehr vorstellen!


Was genau reizt dich an dem sehr weiten Feld BDSM?

Die intensive Nähe, die durch das Spiel entsteht. Deshalb steht bei mir Erziehung ganz oben auf meiner Faveliste. Ohne diesen Rahmen des DS sind alle angewandten Maßnahmen wie Spanking etc. nur eine hohle, reizlose Farce.


Falls du BDSM inzwischen auslebst: Hat sich „dein“ BDSM im Lauf der Zeit verändert?

BDSM ist für mich eine sehr persönliche Sache und damit wohl auch demselben Reifeprozess unterworfen... Am Anfang habe ich in alle Richtungen experimentiert um herauszufinden, was mir Spaß macht. Mittlerweile hat sich beim Spielen eine Linie herauskristallisiert, der Rahmen, in dem experimentiert wird, ist enger geworden. Außerdem habe ich seit einem Absturz während einer Session etwas Probleme, mich fixieren zu lassen, weswegen ich zumindest zurzeit mehr auf psychische Varianten ausweiche, aber Probleme sind dazu da, sie zu beheben:-)

Mein BDSM wurde natürlich auch durch Partnerwechsel beeinflusst. Mit einen Partner war das Spiel geprägt von Spontaneität und vielen Experimenten; außerdem war ich auf Grund seiner devoten Ader gezwungen, ungewollt zu switchen. Mit meinem jetzigen Gefährten sind die Spiele zwar seltener, dafür aber intensiver geworden und sie färben jetzt auch öfters mal ein bisschen den Beziehungsalltag:-)


Welchen Stellenwert hat BDSM für dein Leben und für deine Beziehung?

Ich merke gerade, dass diese Frage für mich sehr schwer zu beantworten ist... Fangen wir mal von vorne an. Früher dachte ich wirklich mal, dass Sex für eine Beziehung nicht relevant ist, mittlerweile kann ich mir eine Beziehung komplett ohne BDSM gar nicht mehr vorstellen. Ich brauche es einfach ab und an, es ist mein Urlaub vom Alltag.
Viele meiner Fantasien drehen sich um BDSM, meine Beziehung ist geprägt von kleinen Sticheleien, Gesten etc. Doch obwohl mein inneres Leben sehr von BDS geprägt sind, spielt das „Spiel“ in meinem regulären Alltag eher eine untergeordnete Rolle. Ich lebe meine Veranlagung nur im allerengsten Freundeskreis und nicht öffentlich, da ich zu 90% in Männergruppen verkehre und es mir einfach nicht leisten will, als Persönlichkeit nicht mehr ernst genommen zu werden, denn in meinem realen Leben ist mein Nein nun mal schlichtweg ein Nein, Punkt.
In meiner Beziehung verwischen die Grenzen da schon eher mal: allerdings könnte ich das jederzeit unterbinden. Zusammengefasst ist BDSM sicher nicht das Wichtigste in meinem Leben, aber trotzdem nicht wegzudenken.


Wie lebst Du BDSM in deiner Beziehung aus, beziehungsweise wie würdest du es ausleben wollen?

Wieder so eine schwere Frage...
Ok, die Fantasie: ein strenger aber gütiger Herr, der mich konsequent formt und erzieht, dabei immer seine Fühler ausgefahren hat und jeden Stimmungsumschwung zielsicher erfasst und reagiert er macht niemals Zugeständnisse, wo keine sein dürfen, ist niemals zu hart, wo es nicht angebracht ist und hält mich in einem ständigen Reizzustand bis ich am Ende einfach nur noch schmelzen will...

Die Realität sieht da gelegentlich mal anders aus:
Da geht plötzlich die Stimmung flöten, weil einer der Partner gerade nicht sicher ist, wie das jetzt aufzufassen ist und nachfragen/das ausdiskutieren will...
Da lässt der Herr ausgerechnet, wenn Sub auf Krawall gebürstet ist, das Eine oder Andere zuviel durchgehen und Sub fühlt sich gefrustet, weil sie die Grenze nicht findet...
Da passiert ein Absturz weil Sub sich in einem Moment zu hart rangenommen fühlt oder mit der verbalen Demütigung jetzt gerade überhaupt nicht umgehen kann... Da tut sich der Herr mit dem Bestrafen manchmal selbst sehr schwer, weil den Anblick seines leidenden Lieblings gerade kaum ertragen kann und sie eigentlich nur noch in den Arm nehmen und küssen will...
Oder das Schönste: beide fangen das Lachen an, weil der neue Knebel im Gesicht einfach wahnsinnig affig aussieht!

Aber ich denke, das ist es, was eine BEZIEHUNG ausmacht; ein Miteinander, das von starken, größtenteils wunderschönen Gefühlen geprägt ist und die verhalten sich nun mal nicht immer so, wie das eine Session gern haben will! Glücklich ist, wer gemeinsam daran arbeiten und darüber lachen kann:-)


Gab es eine ganz besonders intensive, lustige, oder auch nur ungewöhnliche Situation in deinem Leben, die einen BDSM-Kontext hatte?

Oha! Da gab's ein paar:-) Aber zwei sind mir besonders in Erinnerung.
Ich war auf einer Party und da war ein Mann, dessen Ausstrahlung mich schon den ganzen Abend völlig aus der Fassung brachte. Meine Fantasie wanderte und ich stellte mir vor wie es wäre, wenn er mich jetzt einfach in einer dunklen Ecke an die Wand drücken würde...
Später am Abend ging ich dann ins obere Stockwerk, um etwas zu holen und plötzlich stand genau dieser geheimnisvolle Fremde im Treppenhaus vor mir und verstellte mir den Weg! Was dann passierte, kam meiner Fantasie beängstigend nahe; er drückte mich an die Wand, schaute mir tief in die Augen und meinte dann provozierend: „Ich krieg dich schon noch… die Frage ist nur, wann.“ Er verschwand und ich hatte noch eine Woche später weiche Knie!

Mit der zweiten Begebenheit schaffte ich es auf peinliche Weise, meinen jetzigen Mann auf mich aufmerksam zu machen:
Ich war mit einigen Freunden in einer Bar, Geburtstag feiern. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade frisch getrennt und nutzte den Abend, um schön auf den Putz zu hauen. Ab einem bestimmten Pegel werde ich leider Gottes gelegentlich sehr ehrlich; das Thema kam irgendwie auf BDSM und ich schaffte es bemerkenswerte 10 Minuten, meinen Schnabel zu halten. Dann erzählte ich, dass ich mittlerweile Handschellen mit Haarnadeln knacken kann.
Mein Freund (den ich damals überhaupt nicht kannte!) meinte dann: "Wow, dann kannst du ja bei mir üben, ich hab auch Handschellen zu Hause.“ Und ich mit meinem Pegel fragte nur völlig happy und fassungslos „Echt??? Wow, geil!“ und muss ihn dabei dermaßen sabbernd angeschaut haben, dass alle um mich herum in schallendes Gelächter ausbrachen.
Das war der Tag, an dem zumindest in meinem engeren Freundeskreis ein Outing unumgänglich war!


Hast du mit deiner Neigung gehadert? Wenn ja, warum und wie bist du damit umgegangen?

Ja, sehr! Ich wurde sehr religiös erzogen und alles andere als Missionarsstellung in der Ehe war eine Sünde. Meine Eltern sahen meine Neigungen schon sehr früh und sprachen mit mir darüber, dass Gott so etwas nicht gern sieht. Meine Mutter versuchte sogar, mir Panik davor einzuimpfen, indem sie dominante Männer als potentielle Triebtäter hinstellte und mir Horrorszenarien von Mord und Vergewaltigung aufzeichnete. Für sie war es extrem gefährlich, sich so auf einen Mann einzulassen. Aber ich schaute trotzdem heimlich Filmszenen, mit Entführungen, las entsprechende Abschnitte in Büchern wieder und wieder- und war sehr unglücklich mit meiner unerfüllten Sehnsucht.
Ich hatte meine eigene Strategie, damit umzugehen: ich habe meine BDSM-Fantasien damals einfach völlig entsexualisiert. Das heißt, ich hatte zwar intensive Fantasien über Bestrafung und Versklavung aber Sex kam darin jahrelang nicht vor. Erst nach der Pubertät wurde mir klar, dass ich, wenn ich jemals glücklich werden wollte, diese Fantasien zulassen musste, und zwar als das, was sie wirklich waren und nicht als verstümmelte zensierte Bilder. Es dauerte einige Jahre, bis ich mich ohne Schuldgefühle auf diese intensive Begegnung einlassen konnte.


Welche Erfahrungen hast du mit der Partnersuche gemacht?

Nicht viele - ich war, was die Praxis betrifft, definitiv spät dran! Mit 19 hatte ich eine lesbische Beziehung; das war allerdings größtenteils noch sehr naiv mädchenhaft und kein richtiger SM. Wir fesselten uns halt ein bisschen gegenseitig ans Bett.
Als ich 22 war lernte ich einen Mann kennen und wir stellten entzückt fest, dass wir beide BDSM unbedingt praktizieren wollten. Leider merkte ich nach kurzer Zeit allerdings auch, dass wir beide in die gleiche Richtung tickten, wir waren beide devot. Am Anfang klappte das ganz gut, wir switchten immer im Wechsel. Doch ich bekam mit der Zeit massive Probleme mit dem Zwang, ständig in die dominante Rolle zu schlüpfen. Ich fühlte mich nicht wohl, sehnte mich nach einem Mann, der mich als devote Frau ganz und gar akzeptierte. Ich konnte ihn als Dom zunehmend nicht mehr ernst nehmen; er inszenierte Sessions oft so, dass ich den Spieß umdrehen konnte, was mich unendlich frustrierte!
Als mir dann eines Tages ein dominanter Mann über den Weg lief, der mir hartnäckig den Hof machte, passierte das, was wohl hoffentlich ein absoluter Einzelfall bleiben wird: ich betrog ihn und verließ ihn noch in der selben Nacht. Danach hatte ich ein kurzes Intermezzo mit ebendiesem Mann und obwohl das nicht lange ging, saugte ich gierig alles in mich auf, was ich in der kurzen Zeit von ihm bekam.
Kurz darauf lernte ich meinen jetzigen Mann kennen und war am Anfang sehr ängstlich. Obwohl ich von Gesprächen her wusste, dass er dominant ist, machte er keinerlei Anstalten, in dieser Hinsicht aktiv zu werden. Gesten und subtile Aufforderungen meinerseits ignorierte er einfach. Kurz gesagt, er trieb mich fast in den Wahnsinn! Da hat man den perfekten Mann gefunden und kann sich nicht sicher sein, ob es auch endgültig passt?
Das Ende vom Lied war „es passt“ und das bis heute. Aber es war eine schwere Geburt und ich bin mittlerweile sehr froh darüber, dass es Leute gibt, die damit offener hausieren gehen als ich!


Was bietest du und was erwartest du von deinem Partner?

Unsere Partnerschaft ist recht konservativ ausgerichtet... Ich biete meinem Partner meine uneingeschränkte Liebe, Respekt, Unterstützung bei allem, was er tut und das Recht, diese Unterstützung auch abzulehnen. Außerdem findet mein Mann bei mir eifersuchtsfreies Vertrauen und Freiraum für sich selbst und sein Privatleben. Wenn er bereit ist, das Ruder zu übernehmen, bin ich auch bereit, mich nach seinen Anweisungen zu richten. Im Gegenzug erwarte ich von meinem Partner Liebe, Akzeptanz und ein gewisses Maß an Schutz. Gegenseitiger Respekt, auch im Streit ist für mich absolute Grundvoraussetzung! Wenn er möchte, dass ich mich ihm unterordne, dann sollte er auch bereit sein, das Heft in die Hand zu nehmen. Mit meinem Mann habe ich das Glück, dass er die Gratwanderung zwischen entscheiden und bevormunden sehr gut beherrscht. Ständige Bevormundung und „Abkanzeln“ könnte ich in einer Beziehung nicht ertragen.


Was ist dir an deinem Partner am wichtigsten?

Oh weia: alles! Die Mischung machts für mich:-) Aber am Wichtigsten ist, dass er mich respektiert, wie ich bin. Ich kann schwierig sein, bin mit einem sehr tiefen, lebendigen Gefühlsleben gesegnet (verflucht?) und brauche ab und an den starken Arm, der mich über dem Wasser meiner Emotionen auffängt...Und das Wichtigste: er lässt sich dabei nicht zu sehr mitreißen und in den Strudel ziehen. Und genau dafür liebe ich ihn mit all seinen Ecken und Kanten!


Willst du den Lesern noch etwas mitteilen, was hier nicht angesprochen wurde?

BDSM kann eine wunderschöne, gemeinsame Reise sein: wenn man auch bereit ist, ab und an mal vom sturen Plan der eigenen Vorstellungen abzusehen und stattdessen das Spiel gemeinsam mit dem Partner zu gestalten:-)