Kleiner Mann – was nun?

Ich starre auf ihn hinunter – ihn, den kleinen Wicht, wie er da so vor mir kniet, in seinem schicken mondänen schwarzen Nadelstreif. Wie exakt doch sein Scheitel gezogen ist und wie sorgfältig der Backenbart gestutzt. Alles wirkt so farblos an ihm, so unscheinbar – bis auf den Farbklecks unter seinem Kinn – die rote Seidenkrawatte, die exakt den gleichen Farbton hat, wie meine neuen Lackpumps.

Die Pumps… ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich hier bin – mit ihm, in diesem Hotelzimmer. Und während ich auf ihn hinunter schaue, wie er da so erwartungsvoll und fiebernd vor mir kniet… lasse ich meine Gedanken schweifen.
Zurück zu dem Schuhgeschäft, wo ich sie mir vor nicht mal drei Stunden gekauft habe, diese Pumps.

Es war eine ganz spontane Idee gewesen, nach München rein zu fahren und diesen schönen, sonnigen Frühlingsmorgen in der Stadt auszukosten. Endlich, nach all dem Schnee und der Kälte wollte ich sie genießen die warmen Sonnenstrahlen und mich in dem Gefühl verlieren, den Winter wenigstens für eine Weile hinter mir zu lassen. Im Tal hatte es mich in eines der Schuhgeschäfte gezogen und wie immer stand ich dann mit glänzenden Augen vor den Reihen all jener Köstlichkeiten, für die Frauen wie ich manchmal fast einen Mord bereit wären zu begehen. Schuhe… meine Leidenschaft… irgendwie kann ich gar nicht genug davon bekommen.
Nicht dass ich nicht schon genügend davon hätte – aber, diese wunderbaren zauberhaften rubinroten Pumps mit den elf Zentimetern Metallabsatz – der schrie doch förmlich danach, von mir anprobiert zu werden!
Ich zögerte nicht lange – war dies doch ein Kampf, den ich in schöner Regelmäßigkeit gegen mich selber verlor. Nahm einen Karton mit einem Paar in meiner Größe aus dem Regal und suchte mich nach einer Möglichkeit um, wo ich sie in aller Ruhe anprobieren konnte.

„Entschuldigen Sie…“
Ich wandte den Kopf und sah mich einem kleinen Männchen gegenüber, das mir – obwohl ich nun mit 1.68 wirklich keine Riesin war, gerade mal bis zum Kinn reichte. „Hier wäre ein Platz frei, hier können Sie sich setzen…“
Meine Augenbrauen ruckten in die Höhe, als ich mich tatsächlich auf den Stuhl setzte – und der Mann in dem schicken schwarzen Nadelstreif mir den Karton aus den Händen nahm und vor mir niederkniete.
Oh, nicht dass es das erste Mal gewesen wäre, dass ein Mann vor mir kniete. Und auch kein völlig Fremder. Aber… ein völlig Fremder in einem Schuhgeschäft? Verkäufer war es jedenfalls definitiv keiner, soviel stand auf dem ersten Blick für mich fest.

Das kleine, experimentierfreudige Teufelchen in mir drinnen, begann jedoch die Situation zu genießen, und so streckte ich dem Mann, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt, mein linkes Bein entgegen.
Wie erwartet nahm er es tatsächlich auf den Schoss und begann, die Schnürung der kniehohen Stiefel zu lösen. Langsam, bedächtig… und sichtlich genüsslich, zog er mir den Stiefel aus. Stellte ihn dann mit einem sanften Streicheln beiseite und holte sich das andere Bein, um auch den zweiten Stiefel auszuziehen.

Dann öffnete er den Karton. Seidenpapier raschelte leise.
Als er den einen Schuh am Absatz aus dem Karton nahm, fiel mir zum ersten Mal auf, dass beide – Schuh und Krawatte, fast von identischer Farbe waren. Und ich lächelte. Er erwiderte das Lächeln mit voller Hingabel leuchtenden Augen und konzentrierte sich dann ganz versunken auf die Aufgabe, mir den Schuh anzuziehen. Er passte wie angegossen. Und dann trug ich auch den zweiten.
Schon im Sitzen fühlten sie sich an, wie für mich gemacht. Wie selbstverständlich hielt ich ihm die Hand hin. Er sprang auf, nahm die Hand und „half“ mir auf die Beine. Ich machte die ersten Schritte in den Pumps, nickte dann zufrieden.
Setzte mich wieder hin. Der Kauf war längst entschieden.

Wieder kniete er vor mir.
Ebenso selbstverständlich wie er gerade meine Hand genommen hatte, stellte ich nun das linke Bein auf seinen Oberschenkel.
„Möchten Sie noch andere Modelle anprobieren?“ wurde ich erwartungsvoll gefragt. Es klang deutlich durch, wonach ihm der Sinn stand.
Aber ich wurde schon wieder des Spieles überdrüssig.
„Nein – ich habe mich bereits für diese hier entschieden!“ gab ich knapp zurück.
Sofort nickte er eilfertig und zog mir die Pumps von den Füßen. Streichelte sie dabei, verstohlen – vielleicht in der Hoffnung, ich würde es nicht bemerken.
Doch ich bemerkte es… natürlich.

Als er mir die Stiefel wieder anziehen wollte, wehrte ich ab und zog den Fuß von seinem Schoss.
„Nein!“ sagte ich entschieden.
Ich nahm ihm die roten Pumps aus den Händen und ging dann barfuss zur Kasse. Ohne einen Blick weiter an ihn zu verschwenden. Dort bezahlte ich die Schuhe, verzichtete aber aufs Einpacken. Ich machte nur das Preisschild ab und hielt sie ihm dann hin. Wie ich erwartet hatte, war er mir gefolgt. Als wäre es abgesprochen, ging er in die Knie und hielt mir die Pumps hin zum hineinschlüpfen.
Ich nickte zufrieden. Sie fühlten sich so herrlich an, wirklich als wären sie wie für mich gemacht worden.
Und dann verließ ich das Geschäft.
Keinen Gedanken an meine Stiefel verschwendend – ich wusste einfach, er würde sie mir nachtragen.

Langsam bummelte ich dann durchs Tal. Bis zum Isartor und dann weiter. Ich hatte Zeit, und der Tag war so schön. Eine leichte Brise spielte mit meinem locker im Nacken zusammen gesteckten Haar und das Wetter was so warm, dass ich den langen schwarzen Mantel längst aufgeknöpft trug. Immer wieder schaute ich an mir hinab und bewunderte die neuen Schuhe und fand, dass sie echt ein tolles langes Bein machten – optisch. Und wie bequem sie waren.

Hin und wieder, wenn ich die Auslage in einem Schaufenster betrachtete, sah ich sein Spiegelbild. Der kleine Mann folgte mir brav, trug die Tüte mit den Stiefeln – und war wie mein Schatten. Immer da, aber sich unauffällig im Hintergrund haltend.

Ich bummelte am Deutschen Museum vorbei, blieb auf der Hauptstraße und erklomm dann langsam die sanfte Steigung, vorbei an der Philharmonie. Mit diesen Schuhen hätte ich meilenweit laufen können…
Das war ich auch, in gewisser Weise, als ich endlich die Rosenheimer Straße erreichte. Ich beschloss eine kleine Pause zu machen und setzte mich in eines der Straßencafes. Dezent setzte der Mann sich mit meinen Stiefeln an den Nebentisch, unauffällig, unscheinbar. Schatten eben.
Um ihm eine Freude zu machen – und weil es mir einfach Spaß machte mit seiner Gier zu spielen, schlug ich die Beine übereinander – und wippte immer wieder neckisch mit einem der Pumps. Manchmal schlüpfte ich sogar aus der Ferse und ließ ihn nur locker von den Zehen baumeln und hatte meinen Spaß daran, seine glühenden Blicke zu beobachten.

Dann hatte ich meinen Cafe Latte ausgetrunken und bezahlt, und ging.
Wieder folgte mir mein Schatten.
Mein Weg war diesmal nicht lang – er führte mich nur ein paar Meter, ins Domination – einem SM-Shop. Und dort wandte ich mich nicht den Spielsachen und Kleidungsstücken zu, sondern den Auslagen mit den High Heels.
Sofort war er wieder neben mir.
Seine Stimme war belegt, als er leise fragte: „Möchten Sie ein Paar anprobieren?“
Ich nickte und betrat die kleine Umkleidekabine um die Ecke, zog dort den dunklen Vorhang beiseite und setzte mich mit überschlagenen Beinen auf den kleinen Hocker.
Überließ es ihm, was er mir zum Probieren brächte…

Zehn Paar Stiefel und Pumps später kniete ein ziemlich atemloser kleiner Mann vor mir, auf dessen Stirn Schweiß perlte und dessen Finger zitterten. So sehr, dass er den Verschluss der silbernen Plateausandale einfach nicht zu bekam.
„Irgendwelche Probleme?“ Leichte Häme klang bei dieser Frage mit.
Er wich meinem Blick aus.
„Haben Sie sich schon für ein Paar entschieden?“
Nun gut, er wollte es ja so.
„Nein…“
Wieder hetzte er hin und her, brachte mir ein Paar nach dem anderen – Pumps, Heels und Stilettos in allen Farben und Formen, aus Lack, aus Leder… und ich ließ mir jedes Paar von ihm anziehen, machte ein paar Schritte zur Probe und verlangte dann nach dem Nächsten.

Er strich gerade ein Paar schwarzer, glatter Overknees über meinen Schenkel, als mir sein leises Stöhnen auffiel.
„Hast du ein Problem?“ fragte ich ihn erneut. Wohl wissend, was ihn bewegte.
Diesmal nickte er. Er hatte wohl all seinen Mut zusammen gekratzt.
„Würden Sie mich begleiten?“ fragte er tatsächlich.
Ich grinste innerlich. „Wohin? In das nächste Schuhgeschäft?“
„Nein… in mein Hotelzimmer!“

Die Zeit der Spiele war also vorbei.
Aber darauf hatte ich es angelegt. Und wonach mir der Sinn stand und welcher Gesinnung ich war, hatte ich ihm ja deutlich gezeigt, als ich das Domination betreten hatte. Es brauchte nicht mehr viele Worte.
„Für welches Paar haben Sie sich denn entschieden?“ fragte er leise.
Ich deutete auf ein paar weißer Plateaus, dessen zarte Riemchen mit glitzernden Swarovsky-Steinen besetzt waren. Er nickte und packte den Rest wieder weg.
Half mir dann in meine roten Pumps, nahm die Sandalen und trug sie zur Kasse.
Als ich in meiner Tasche nach dem Portemonaie kramte, hielt er meine Hand fest.
„Bitte – lassen Sie das mich übernehmen!“

Wieder ruckten meine Augenbrauen in die Höhe und ich starrte ihm direkt in die Augen. Gerade wollte ich ihn anfahren, ob er mich für käuflich hielt, da setzte er hinzu: „Bitte… ich möchte Ihnen einfach ein Geschenk machen, für die erregenden Momente bis jetzt, weil Sie das zugelassen haben und ich sie mit Ihnen teilen durfte!“
Er meinte die Schuhanproben – das war mir klar.
Ich atmete tief durch und nickte dann. Sofort zückte er seine Karte und reichte sie der Verkäuferin.

Wieder nahm er ganz selbstverständlich beide Tüten, als ich das Geschäft verließ und folgte mir auf die Straße. Dort sah ich ihn abwartend an.
Er begriff sofort. „Darf ich uns ein Taxi rufen?“ Ich nickte gnädig.

Wir hatten Glück. Genau in diesem Augenblick kam ein freies Taxi die Straße runter und hielt sogar auf sein Winken hin an. Und dann fuhr ich mit ihm in sein Hotel.

Meine Gedanken kehren in die Gegenwart zurück. Wie still er wartet, bis ich bereit bin für ihn. Wie geduldig er doch ist. Und wie erregt innerlich.
Keinen Blick lässt er von den Pumps. Sie sind das Ziel seiner Begierde, und vielleicht allenfalls noch mein Fuß, der darin steckt. Um sie drehen sich seine Träume, seine Sehnsucht.

Tja, kleiner Mann – was nun?
Jetzt hast du mich in deinem Hotelzimmer. Das erste Etappenziel hast du schon erreicht.
Und jetzt?

Jetzt liegt das Spiel wieder in meiner Hand. Oder in meinen Pumps?

Ich spüre eine heiße Welle in mir aufsteigen. Erregung – sie kommt von der Macht, die ich spüre. Ja… ich habe Macht über ihn. Und über seine Begierde.
Leise schlucke ich. Dann mache ich die Probe aufs Exempel.

„Berühre mich!“ erlaube ich ihm gnädig.

Sein Blick flackert. Röte schießt ihm in die Wangen. Er seufzt entzückt.
Eine Blankovollmacht. Ich weiß genau, dass ich sie ihm erteilt habe.
Ob er den Test besteht?

Langsam neigt er sich nach vorne, bis er auf allen Vieren kauert. Dann senkt er den Kopf. Ich halte den Atem an. Spüre das Adrenalin durch meine Adern rauschen, bis es mir in den Ohren dröhnt.

Und dann senken sich seine Lippen langsam und ehrerbietig auf die schimmernde Spitze meines roten Pumps… und ich weiß genau, dass ich das Spiel gewonnen habe… er hat den Test bestanden!

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