Der Barbar

Toran fühlte sich, als wäre eine ganze Herde Metalodons über ihn hinweg getrampelt. Es gab keinen Knochen in seinem Leib, der nicht schmerzte. Das einzige, was ihn tröstete, war der Umstand – dass er es nicht überlebt hätte, wenn er einer Herde dieser elefantenähnlichen Tiere in die Quere gekommen wäre. Und er lebte noch. Er hatte tatsächlich den Absturz dieses verfluchten interstellaren Fluggerätes überlebt. Den Göttern sei Dank!

Mit einem Stöhnen drehte er sich vom Bauch auf den Rücken und tastete nacheinander sämtliche seiner Glieder ab, bewegte die Muskeln und bewegte nacheinander Arme und Beine. Es schien, als hätte er megagalaktisches Glück gehabt. Nichts gebrochen. Nur eine Menge Schürf- und Platzwunden. Aber selbst der Blutverlust schien sich in Grenzen zu halten. Er fühlte sich nach dieser langen Ohnmacht seit dem Absturz nur etwas benommen.
Wieder stöhnte Toran, dann blinzelte er und öffnete vorsichtig die Augen. Vor seinen Augen blitzte und gleißte es und der Schmerz schoss ihm wie mit tausend Lanzen bis ins Hirn. Schnell kniff er die Lider zusammen. Die zwei Sonnen dieses Klasse A Planeten hatten es wirklich in sich… selbst mit geschlossenen Augen fühlte er sich noch so geblendet, dass es wütend hinter seinen Schläfen pochte…

Etwas irritierte ihn. Er konnte nicht genau sagen, was es war und worum es sich handelte. Aber etwas hatte seine Instinkte alarmiert, während dieses kurzen Blinzelns. Etwas, das bewirkte, dass sich sein Unterbewusstsein jetzt warnend meldete.
Zeit seines Lebens war Toran, einer der Häuptlinge seiner Sippe, auf Kampf und Verteidigung gedrillt worden. Der Kampf ums tägliche Überleben war ihm schon mit der Muttermilch eingetrichtert worden… und Toran wäre nicht der Toran gewesen, der er war – wenn er diesen Instinkten nicht gehorcht hätte.

Ohne Vorwarnung schnellte er, sämtlichen Schmerz ignorierend, aus dem Liegen hoch auf die Beine und duckte sich kampfbereit – und sah sich einem Wesen gegenüber, das nicht von dieser Welt zu stammen schien.
Es war eine Frau und sie leuchtete so grell und strahlend, wie die zwei Sonnen des Planeten. Und gerade, als ihm bewusst wurde, dass ER ja derjenige war, der nicht von dieser Welt stammte… fing er den Blick zweier strahlend silbergrauer Augen auf. Augen, die ihn bannten… Augen… die ihn ablenkten.
Als er das Knacken des Zweiges hinter sich hörte, war es schon zu spät, um zu reagieren. Ein dumpfer Schlag traf seinen Hinterkopf, und dann versank die Welt dieses fremden Planeten im Schwarz einer erneuten Bewusstlosigkeit…

„Shula, schau dir nur an – wie dunkel er ist!“, mokierte sich eine höhnische Stimme. Diese Stimme war das erste, was Toran hörte, als er langsam sein Bewusstsein wieder erlangte. Sie war etwas schrill, hämisch – und unverkennbar von einer arroganten Bösartigkeit, die an seinen Nerven zerrte und sie quälte und traktierte mit ihrer grellen Tonlage - und sie gehörte einer Frau!
Götter… sein Kopf brummte, als wolle er gleich platzen. Wo hinein war er da nur geraten?
„Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Mensch ist, Shula – er sieht eher wie ein Tier aus!“, höhnte diese Stimme weiter. „Er ist auch behaart wie eines! Und schau dir nur diese Masse an Muskeln an, diese hässliche Gedrungenheit dieses Körpers! Die Göttin möge uns helfen, mit diesem Himmelsflieger ist ein Tier auf unserer Welt abgestürzt! Wir sollten es gleich beseitigen!“
Jeder Muskel seines Leibes spannte sich, als ihm der Sinn dieser Worte aufging. Aber dann entspannte er sich von einem Augenblick auf den anderen.
Jemand antwortete diesem zänkischen, boshaften Weib – dem man im Übrigen auf seiner Welt sicher schon die Zunge herausgeschnitten hätte, allein um dem nervtötenden schrillen Klang der Stimme schon zu entgehen – und die Frau, die nun sprach… übte allein über ihre Stimme eine so besänftigende Wirkung aus, dass er sich tatsächlich… entspannte.
„Zora, niemand wird hier beseitigt! Er ist ein Himmelsflieger! Was erwartest du denn. Die Göttin alleine weiß, woher er kommt und was ihn in unser Sternensystem verschlagen hat! Wir haben nicht das Recht, über ihn zu urteilen – nur weil er anders ist… wie wir!“
„Aber – er ist so… so primitiv!“, schnaubte die mit Zora angesprochene. „Auch wenn er kein Tier ist – so sieht er zumindest wie ein Barbar aus! Ich bin mir sicher, dass er aus einer Welt stammt, die auf dem Level primitivster vorsinflutlicher Urzeit stehen geblieben ist! Bestimmt ist er ein Höhlenmensch!“
„Er kam mit einem Himmelsflieger, Zora – einem Raumschiff! Das allein zeigt schon, dass du dich irrst!“
„Shula, sei nicht so naiv – schau ihn dir genauer an… ich würde es ihm zutrauen, dass er es wie ein Pirat gekapert und einfach gestohlen hat!“

Toran beschloss, der Diskussion an dieser Stelle ein Ende zu bereiten – bevor er noch mehr dieser Beleidigungen über sich ergehen lassen musste – und machte sich daran, sich auf den Bauch zu rollen und aufzustehen.
Aber so sehr er es auch versuchte… es gelang ihm nicht.
Mit dem Grollen eines wütenden Tieres krümmte er sich, zerrte und zog – und es dauerte eine ganze Weile, bis er erkannte, dass er nicht etwa gelähmt war – sondern gefesselt.
Diese Weiber hatten ihn, während er bewusstlos gewesen war – tatsächlich und wahrhaftig, in Ketten gelegt! Ihn, Toran vom Stamme der Demarer, dessen Blut bis auf die ersten Könige zurückging! Ihn, der über ein ganzes Volk herrschte und der unzählige Schlachten und Kriege ausgefochten hatte… Herr über ein ganzes Haus voller Sklaven und Sklavinnen… gefesselt!
Wieder grollte er, und dann gelang es ihm, sich seitlich zu drehen. Im Zuge einer unsäglichen Kraftaufwendung, krümmte er sich so lange, bis er es trotz der Fesseln in knieender Stellung schaffte, dann befreite er sein Gesicht mit einem wilden Kopfschütteln von der zerzausten Masse seiner langen, schwarzen Mähne und suchte mit grimmigen Blick die beiden Frauen.

„Bindet mich sofort los!“, knurrte er – kaum dass sein Blick auf die erste der Frauen traf. Sie war groß, schlank, fast mager – und mit einem solch arroganten Gesichtsausdruck gesegnet, dass er sie schon der schrillen Stimme zuordnete, bevor sie überhaupt den Mund aufmachte.
„Du sollst die Fesseln lösen, Weib!“, herrschte er sie an.
Als sie nicht gleich reagierte, zerrte er wieder so wütend an den Ketten, dass die stählernen Glieder protestierend knirschten. Toran spannte die Muskeln an, bis sich seine Oberarme wölbten – aber die Fesseln hielten seiner Kraft stand.
„Hör auf, dich gegen die Kette zu wehren. Sie ist aus Sorano-Stahl, und je mehr du dich gegen sie wehrst, desto enger und härter wird die Fessel! Ich möchte nicht, dass du dich selber verletzt!“ hörte er plötzlich die andere Frau wieder sprechen. Fast hätte er sich im sanften Klang ihrer Stimme verloren.
„Zora wird dich erst losmachen, wenn ich es ihr erlaube! Aber das tue ich nicht, mach dir keine falschen Hoffnungen!“ Toran schüttelte den Kopf, so als müsse er einen über ihn verhängten Bann abschütteln. Dann schaute er über die Schultern.

Wieder war ihm, als würden ihn sämtliche Sonnen des Universums blenden. Er kniff die Lider zusammen, hielt dem gleißenden Licht stand und erkannte so nach und nach die Umrisse der Frau in dem Licht. Und als er sie erkannte, konnte er einfach nicht mehr den Blick von ihr wenden, obwohl die Grelle des Lichtes wie Dolche in seine Sehnerven schnitt...
„Wer hat dir Tier denn erlaubt, unsere Königin so primitiv anzugaffen?“, kreischte diese Zora und dann beförderte ihn ein ansatzloser Tritt in die Seite wieder zu Boden. Toran ächzte dumpf, als er schwer auf die Seite krachte – die Ketten machten es ihm unmöglich, den Sturz mit der Schulter abzufangen… und dann wurde ihm bewusst, dass er die Frau tatsächlich angestarrt hatte.
Aber das wunderte ihn überhaupt nicht.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er eine Frau wie sie gesehen. War sie überhaupt eine Frau? Sie schien eine Komposition aus Licht, Energie und Magie zu sein. Sie wirkte auf ihn eher wie eines dieser „Engelswesen“, von denen die Planetenreisenden erzählt hatten, die während der letzten Decade in seiner Heimat gelandet waren.
Alles an dieser Shula, wie die Keife sie genannt hatte, schien hell zu sein und zu leuchten… wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

An diesem Punkt seiner Empfindungen angekommen, zuckte innerlich Toran zusammen. Er WAR in einer anderen Welt. Auf einem unbekannten Planeten – wenn auch, zum Glück einer der Klasse A. Der Pilot hatte ihm dies zumindest gesagt. Klasse A bedeutet Leben. Überleben. Vegetation, Sauerstoff, Zivilisation.
Zum ersten Mal seit dem Absturz machte sich Toran Gedanken darüber, was wohl aus dem Piloten geworden war. Ob er den Crash überlebt hatte? Es sei ja nur ein kleiner Ausflug, war ihm gesagt worden, als man ihn einlud, sich dem Rat der Planeten vorzustellen – im Zuge der Eingliederung neuer Völker in die Planetenliga. Teilhaben sollten sie an der Technik, dem Fortschritt und den Errungenschaften anderer Völker.
Und er, Toran, war als Herrscher seines Stammes dazu auserkoren worden von den anderen Oberhäuptern, den Himmelflieger in dessen Welt zu begleiten und sich dem Rat zu stellen. Und zu entscheiden, ob Demaran überhaupt Mitglied dieser Planetenliga werden wollte...
Alle Instinkte des Kriegers hatten rebelliert, als er in das kleine, silbern glänzende Fluggerät steigen sollte. Doch sein Gesicht verlieren wollte er nicht. Schon gar nicht, als er sich der spöttischen Blicke des Piloten gewahr wurde!
Aber dann war alles schief gelaufen. Toran hatte vieles von dem, was geschehen war, gar nicht verstanden. Von Meteoritenschauer, Sonnensturm und Verschiebung der Magnetachse war die Rede gewesen… und dann war das manövrierunfähige Fluggerät in die Anziehungskraft dieses Planeten geraten – und abgestürzt.
Und jetzt war er, Toran, hier.
Er hatte keine Ahnung wo. Und bei wem. Alles erschien ihm fremd. Und befremdlich. Und allein die Tatsache, dass diese beiden Frauen es gewagt hatten, ihn in Ketten zu legen – ihn, einen MANN – war an sich schon Grund genug, die schlimmste Strafe über sie zu verhängen… obwohl keine einzige Frau auf Demaran es jemals gewagt hätte, so einen Frevel zu begehen und ihre Hand gegen einen Krieger zu erheben.
In seiner Heimat waren die Frauen Dienerinnen, Sklavinnen – und gar nicht in der Lage, so etwas unglaubliches zu tun!

„Genug der Spiele!“, knurrte er. „Löst die Kette, dann werde ich bei eurem Herrn ein gutes Wort für euch einlegen und um milde Strafe für euch bitten!“
Fassungsloses Schweigen war die erste Reaktion auf diese Worte. Dann erklang das meckernde Lachen der mageren Frau.
„Shula!“, japste sie irgendwann atemlos. „Sein Geist ist verwirrt! Wir sollten gnädig sein und ihm wie jedem anderen Tier, das verletzt ist und nicht mehr zu retten, den Fangschuss geben!“
„Oh verdammt, Zora! Sei endlich still!“, fuhr ihr die Lichtgestalt namens Shula über den Mund. „Natürlich ist er verwirrt! Er ist gerade mit einem Raumschiff abgestürzt und hat überlebt, was erwartest du denn?“

Toran hatte die Faxen langsam dicke. Seine Wut, die er bisher mühsam gezügelt hatte, brach plötzlich mit aller Macht hervor. Grollend kämpfte er sich wieder auf die Knie, und dann spannten sich die Muskelpakete in seinem Oberkörper und seinen Armen an… er spannte sie, bis die Zähne knirschten und die Adern an seiner Schläfe anschwollen – aber es nützt nichts, diese Kette hielt stand.
Als er erkannte, dass ihm dieser Kraftakt nicht die Befreiung bringen würde, sprang er mit dem tierischen Brüllen, das den Kampfruf seiner Sippe darstellte, auf die Beine und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die leuchtende Frau – in der Hoffnung, sie zu Boden zu reißen und unter seinem Körper festhalten zu können. Würde ihm ihr Gewicht erst einmal die Luft zum atmen rauben, würde sie der anderen sicher schnell befehlen, ihn zu befreien…

„Nicht – Vorsicht!“, hörte er den Warnruf der Frau, explosionsartig leuchtete das Licht um sie herum auf, gleißte in allen Rottönen – und dann war ihm, als würde er gegen eine Wand aus reiner Energie laufen. Um ihn herum knisterte es, Funken sprühten, Blitze zuckten… fuhren durch ihn, ohne ihn zu verbrennen. Schmerz war etwas, das Toran kannte – aber nicht in dieser Intensität und nicht von dieser Art… die Energiewellen ließen ihn haltlos zucken und sich krümmen, bis er irgendwann mit einem Schrei zusammenbrach und vor die Füße Shula’s krachte.
Es war Zora’s schadenfrohes Gelächter, das ihm im Ohr klang, als er mit flackerndem Blick zu der leuchtenden Gestalt aufschaute.
„Niemand greift die Königin an, wusstest du das denn nicht?“, hörte er sie sagen – mit seltsam trauriger Stimme. Traurigkeit lag auch in ihren Augen. Als hätte er sie enttäuscht und sich tatsächlich wie das Tier benommen, als das ihn diese Tora betitelt hatte.
Und dann versank wieder einmal alles um ihn herum im Schwarz einer Ohnmacht.

Verächtlich trat Zora an die reglose Gestalt des Barbaren heran und stieß ihn mit dem Fuß an. Kein Zucken, keine Bewegung.
„Er ist tot!“, kommentierte sie trocken.
„Nein, er ist nicht tot!“, berichtigte Shula sie. „Er ist so stark – die Mauer kann ihn nicht töten! Er wird wieder zu sich kommen!“
„Dann werde ich jetzt die anderen Wachen rufen – und sie sollen vollenden, was die Energie nicht schaffte!“ Herausfordernd schaute Zora ihre Königin an. Wartete auf Zustimmung.
Aber Shula schaute immer noch nachdenklich auf den Bewusstlosen hinab und schüttelte dann plötzlich den Kopf.
„Zora, rufe die Androiden – sie sollen ihn in meine Gemächer bringen!“
„Bei der heiligen Göttin – Shula, was hat dir den Verstand so verwirrt?“ Die Wächterin war entsetzt und verbarg dies auch nicht. „Er ist primitiv, er ist gefährlich – er hat versucht, dich zu töten! Nein, beschönige es nicht – es war ihm deutlich anzusehen, seine Mordlust! Er soll endlich gerichtet werden! Wir müssen das Problem beseitigen!“
„Nichts müssen wir beseitigen!“ Shula richtete sich auf und fasste die andere Frau streng ins Auge. „Wir wissen weder, wer er ist noch wo er hin wollte – und schon gar nicht, was jemand wie ihn in dieses Fluggerät verschlagen hat! Erst wenn wir alle Informationen über ihn haben, die wir brauchen… können wir eine vernünftige und kluge Entscheidung treffen!“
Plötzlich veränderte sich der Klang ihrer Stimme, wurde unüberhörbar autoritär. „Und jetzt hol die Androiden – oder ich nehme künftig die Dienste einer anderen Wächterin in Anspruch, wenn ich meiner Freizeit nachgehe!“

Diese subtile Drohung bewirkte, dass sich Zora nach einer knappen Verbeugung ziemlich schnell und fast übereifrig verzog – auf der Suche nach zwei der Arbeitsandroiden der Königin.
Shula war trotz aller Macht und Autorität eine friedliche, umgängliche Person. Aber wenn sie begann, auf ihre Position hinzuweisen – dann war mit ihr nicht zu spaßen. Und Zora war nicht dumm. Sie wusste genau, wann es besser war – einem Befehl unverzüglich Folge zu leisten.

Als sie weg war, ließ sich Shula zaghaft neben dem Barbaren auf die Knie sinken. Staunend glitt ihr Blick über den Mann.
Mann… ja, das war er unzweifelhaft. Kein Tier, wie Zora behauptet hatte. Er war riesengroß. Sicherlich anderthalb Kopf größer wie sie selber – und sie gehörte schon mit zu den größten Frauen auf Shandulan. Somit war er auch größer wie jeder einzelne Mann ihres Volkes.
Kein Shandulan wäre zudem in der Lage, sich solche Muskeln anzutrainieren, wie diejenigen, mit denen die Göttin ihn gesegnet hatte. Zaghaft streckte sie eine Hand nach einem der Oberarme aus. Selbst jetzt, in schlaffem bewusstlosem Zustand, waren sie hart und so ausgeprägt, dass sie den Umfang ihres Oberschenkels erreichten.
Ein leiser Seufzer entfuhr Shula. Wie weiß, wie zart sich ihre eigene Hand gegen die dunkle Haut des Barbaren abhob. Und doch fühlte er sich unter ihren Fingerspitzen ganz warm an. Wirklich, wie ein Mensch. Er konnte nur menschlich sein!

Geräusche zeigten Shula, dass sich die Androiden näherten. Schnell sprang sie wieder auf die Beine und gab sich den Anschein gelassener und doch hoheitsvoller Zurückhaltung.
Auf ihren Befehl hin zögerten die beiden Androiden keinen Augenblick. Sie nahmen den Bewusstlosen auf und folgten ihr dann, als sie voran ging, in ihre Gemächer.
Nachdem Zora und eine ihrer Kolleginnen weggeschickt worden waren, befahl Shula den Androiden, den Barbaren auf das Bett zu legen, seine Wunden zu behandeln und ihn dann für sie vorzubereiten. Und dann schickte sie auch die beiden hinaus.

Jetzt würde sie bald mehr über den Fremden erfahren.
Ihr Blick streifte kurz die imposante Gestalt, dann trat sie an eine kleine Konsole heran und betätigte einige Knöpfe. Leises Surren ertönte – Surren, das sich in dem matt schimmernden Helm wiederholte, den man Toran aufgesetzt hatte. Dioden klebten auf seiner Brust, an seinen Schläfen und an seinen Handgelenken.
Der Monitor vor ihr knisterte – und gespannt beobachtete sie die Bilder, die ihr gezeigt wurden.
Das Leben des Barbaren spulte vor ihr ab, wie in einem Film. Und wider Willen war sie von dem, was ihr gezeigt wurde, genauso fasziniert, wie zuvor von seiner prächtigen Gestalt. Sie nahm Anteil an seiner so gänzlich anderen Lebensart, sah ihn aufwachsen. Sah die unzähligen Kämpfe und Schlachten, die er focht. Erfuhr, was ihn in das Raumschiff geführt hatte. Und sie begriff mit gelindem Schock, aus welcher Art Kultur er stammte.
Zora hatte gar nicht so unrecht gehabt. Sie waren Barbaren, die Demaraner. Und auf jeden Fall waren sie Sklavenhalter. Aber sie waren es… auf eine Art und Weise, welche Shula faszinierte.
Nachdenklich entfernte sie die Dioden und den Helm, überlegte. Und kam zu einem Entschluss.
Mit einem Lächeln setzte sie sich in einen Sessel und wartete.
Sie hatte alle Zeit der Welt. Bald würde der Barbar wieder aufwachen.
Und dann würde er IHRE Kultur und IHRE Lebensweise kennenlernen. Und sie würde jede Sekunde genießen, die es brauchte, um sie ihm nahezubringen…

Zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit erwachte Toran aus einer Bewusstlosigkeit und bewegte sich mit einem unruhigen Ächzen, um dem Schmerz zu entkommen. Wütend tobte er hinter seinen Schläfen, in seinen Muskeln und Gliedern – und das Herz schlug ihm qualvoll gegen die Rippen.
Die Zunge in seinem Mund fühlte sich geschwollen an und war so trocken, dass er einen Moment lang das Gefühl hatte, daran ersticken zu müssen.
Ein Kelch wurde an seine Lippen gesetzt und eine Hand im Nacken hob ihm den Kopf an.
„Langsam schlucken!“, belehrte ihn eine sanfte Stimme.
Liebkosend kühl glitt das Wasser durch seine Kehle und linderte sofort den Durst. Vorsichtig – weil er seinen Sinnen noch nicht traute, blinzelte Toran durch die Lider. Und sagte dann das erste, was ihm durch den Kopf schoss.
„Du bist ja doch eine echte Frau!“
Und was für eine. Von einem Moment auf den anderen spielten seine Hormone verrückt und es kostete ihn beträchtliche Anstrengung, die verräterische Reaktion seines Körpers allein auf ihren Anblick unter Kontrolle zu halten.
Was hinter dieser Mauer aus Licht und Energie verborgen gewesen war und jetzt fast nichts auf dem Leib trug – abgesehen von einem undefinierbar schimmernden Stück Stoff, das wie ein Schal aussah und in mehreren Bahnen verhüllte was so sehenswert war – hätte jeden Mann um den Verstand gebracht.
Diese Shula war eine Augenweide. Groß gewachsen, von knabenhafter Schlankheit und Anmut und doch mit Rundungen und Kurven an den richtigen Stellen, die einfach ins Auge stachen. Der fragile Stoff ließ erahnen, von welcher unglaublichen Länge ihre Beine waren… ihr Gesicht war dominiert von einem Paar großer, dunkelbewimperter silbergrauer Augen – Augen, die auch ohne diese Energiemauer strahlten und leuchteten von innerem Feuer. Der Mund… bei allen Göttern… er hatte volle, rosige Lippen und war von einer Form, die irgendwie an ein umgedrehtes Herz erinnerte – von einer Form, die in ihm den Wunsch erweckte, sie an sich zu ziehen und diesen Mund in einem Kuss zu erobern, den er tagelang nicht beenden würde…
Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, schwang ihr langes Haar wie ein Schleier um ihren Rücken und ihre Seiten – es fiel glatt bis runter zu ihren Kniekehlen und war von schimmernder, hellsilberner – fast weißer – Farbe. Eine Frau konnte einen Mann mit dieser Haarpracht wortwörtlich an sich fesseln…
Selbst ihre Haut – sofern der Stoff sie freiließ – hatte einen samtig silbernen Schimmer und sah so weich und zart aus, dass man sich unwillkürlich fragte, ob sie sich auch so anfühlen mochte.
Die ganze Frau schien aus lebendig gewordenem Silbersamt zu bestehen…
„Shula heißt in deine Sprache übersetzt… die Silbergeborene…“, klärte sie ihn plötzlich auf, als würde sie seine Gedanken lesen können.

Das kalte Wasser hatte seinen Geist von der trägen Benommenheit der Bewusstlosigkeit befreit. Er hatte längst bemerkt, dass er schon wieder gefesselt war – in ziemlich entwürdigender Stellung sogar… aber Toran brauchte zuerst Informationen. Hatte er die, würde er handeln – und dann würde sich auch ein Weg finden, wie er sich befreien konnte.
„Und wer ist das Weib Shula?“, fragte er knurrig.
Eine silbergoldene Flamme loderte sekundenlang in ihrem Blick auf. Doch sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt.
„Shula ist keine Frau und schon gar kein Weib!“, belehrte sie ihn – und ihrer sanften Stimme war keine Gefühlsbewegung mehr anzuhören. „Shula ist die Königin dieses Volkes, sie herrscht über alle Shandulan – so heißt der Planet, auf dem du abgestürzt bist. Außerdem ist Shula eine Priestern, DIE Hohepriesterin… und somit unantastbar und unberührbar. Auch für dich!“
Sie schien seine Gedanken tatsächlich lesen zu können.
Aber er suchte nur mit einem weiteren Knurren ihren Blick.
„Hohepriesterin oder Königin – einerlei… Weib ist Weib! Und auch du bist menschlich. Und bist nicht so ungerührt wie du dich gibst. Auch du verspürst Verlangen – gerade jetzt, in diesem Moment…“
Höhnisch ließ er ein paar seiner Muskeln spielen, brachte sie unter der dunklen Haut zum anschwellen und abklingen und spielte aus purer Absicht mit all der Männlichkeit, die ihm zur Verfügung stand in dieser gespreizten Stellung. Ließ seine Blicke Bände sprechen und legte ein tiefes, verheißungsvolles Timbre in seine Stimme. Seine Nüstern blähten sich. Dann grinste er hämisch. „Ja, Shula… auch du bist Frau und spürst Verlangen – und in diesem Moment verlangt es dich… nach mir! Ich kann es riechen!“
„Du bist wirklich ein Barbar – genau, wie Zora sagte!“, schnaufte sie. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Kühle, unnahbare Shula… fast hätte er ihr frech ins Gesicht gegrinst. Mochte sein, dass er an ihr Bett gekettet war und sie dachte, er wäre ihr ausgeliefert… mochte sein, dass die Umstände etwas ungewöhnlich waren und sie tatsächlich dachte, sie wäre ihm nicht nur ebenbürtig sondern sogar überlegen… aber letztendlich war auch sie nur Frau.
Und all seine männlichen Instinkte verrieten ihm, dass sie ihn wollte. Und dass tatsächlich er derjenige war in diesem Spiel… der am längeren Hebel saß. Er musste nur von diesen Ketten loskommen...

„Und du begehrst diesen Barbaren, Priesterin!“, schnurrte er plötzlich, mitten hinein in ihre Gedanken. „Leugne es nicht!“
„Nenne mich Herrin… das ist der angemessene Titel für mich!“, antwortete sie kühl. Und dann trat sie von dem Lager zurück.
„Es wird Zeit, dich etwas über die Kultur aufzuklären, in deren Mitte du gelandet bist…“ „Das wird nicht nötig sein!“, unterbrach er sie grob. „Ich werde nicht lange genug hier bleiben um dieses Wissen zu benötigen. Ich werde in den nächsten Sternenflieger steigen, der in der Lage ist, mich in meine Heimat zu bringen – und das war es dann…“
Wieder suchte er ihren Blick, bannte sie – und bewirkte, dass sie für einen Augenblick in den Tiefen seiner fast schwarzen Iris versank. „Doch bis es soweit ist… könnten wir uns immerhin… miteinander amüsieren!“

Shula schüttelte den Kopf, schüttelte diesen Bann ab. Kritisch glitt ihr Blick über ihn. „Du bist gefährlich… sogar in Ketten bist du gefährlich!“, wisperte sie leise, wie zu sich selbst.
„Aber du verstehst nicht… ich kann dich nicht heimreisen lassen!“
„Natürlich wirst du das…“, raunte er, sich seiner so sicher. „Es wird dir schwer fallen – aber du könntest mich ja begleiten!“
Ungeduldig verdrehte Shula die Augen. Dieser Barbar war wirklich so von sich und seiner Männlichkeit überzeugt, dass er ihr gar nicht richtig zuhörte.
„Ich kann nicht! Und das meine ich wörtlich, Barbar!“, schnappte sie. „Es gibt keine Himmelsflieger auf Shandulan!“
Toran schoss hoch und stöhnte auf, als ihn die Ketten sofort wieder flach auf das Bett zurück rissen. „Was soll das heißen?“
„Shandulan ist kein Mitglied dieser Planetenliga, von der du hergebracht worden bist. Schon vor Jahrhunderten haben wir uns dazu entschlossen, jeden Kontakt abzubrechen. Unser Planet ist von einem Energieschild umgeben, der normalerweise jede Landung unmöglich macht. Hätten wir ihn nicht geöffnet, wäre euer Raumschiff daran zerschellt.“
Er war immer noch ganz benommen von der Information, die sie ihm gerade gegeben hatte.
„Wieso?“

Shula antwortete nicht sogleich. War in Gedanken versunken.
Dann wandte sie sich ab, holte etwas… er kniff die Augen misstrauisch zusammen, als er sah, was sie in Händen hielt.
„Keine Angst… es wird nicht weh tun!“ Er grunzte abfällig. „Es macht es mir nur leichter, dir zu zeigen, wovon ich spreche!“
Widerstandslos ließ er zu, dass sie die Dioden an seinen Schläfen befestigte.
Als sie an die Konsole neben dem Bett trat und einige Knöpfe betätigte, erklang leises Summen. An seinen Schläfen begann es zu kribbeln.

Shula begann zu sprechen. Und synchron mit ihrer tiefen, beruhigenden Stimme drangen Bilder in sein Gehirn, untermalten das Gesprochene…
„Vor ein paar hundert Jahren waren wir eine zufriedene, offene und aufgeschlossene Gesellschaft. Unser Kultursystem hatte sich dahin gehend entwickelt, dass unser ganzes Gesellschaftssystem auf Macht basierte. Die Macht des Stärkeren.
Als die ersten Sternenflieger auf Shandulan landeten, wurden sie demzufolge auch sehr herzlich empfangen, denn unsere Mächtigen sahen in ihren Fluggeräten die Möglichkeit, noch mehr Macht zu erlangen. Die Raumfahrer waren nicht abgeneigt, sie zogen einen regen Handel auf – und belieferten sämtliche Mächte unseres Planeten mit Waffen, mit Technologie und mit Maschinen.
Es dauerte nicht lange und ein riesiger Krieg entbrannte auf Shandulan. Ein Krieg, der Jahrzehnte dauerte und der ganze Völker auslöschte.
Ein Krieg, der dauerte… und dauerte… denn da alle Seiten von den Raumfahrern beliefert worden waren, konnte es keinen Sieger geben. Sie waren alle gleichstark.“

Shula zögerte und seufzte leise.
„Unser Volk war kurz vor der endgültigen Auslöschung, als die Frauen begannen, sich gegen diesen Kriegsirrsinn zu wehren. Wir waren immer weiter zu reinen Gebährmaschinen degradiert worden – dafür zuständig, Nachschub an Waffenfutter zu liefern. Wir gebährten Söhne – Söhne die das Mannesalter oft gar nicht erreichten, weil sie in diesem sinnlosen Gemetzel fielen, kaum dass sie alt genug waren um eine Waffe zu halten.
In aller Stille formte sich eine Art Gegenbewegung zu diese Kriegsmaschinerie… eine Kaste, die sich für Frieden einsetzte und für vernünftige Politik… eine Kaste, die jede Art von Gewalt ablehnte.
Statt den logischen Sinn hinter diesen Entwicklungen zu erkennen, begannen die Männer, diese Frauen zu verfolgen. Auch sie wurden als Feind angesehen und ebenso bekämpft, wie alle anderen Völker des Planeten. Doch sie erreichten nur, dass die Kaste in den Untergrund abtauchte und begann, im Verborgenen zu operieren. Zur damaligen Zeit gehörten einige der fähigsten Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen zu dieser Kaste – und ihnen ist es zu verdanken, was wir heute geworden sind und erreicht haben.
Sie entwickelten als erstes den Schutzschild. Dieser machte es den Sternenfliegern unmöglich, weiterhin auf Shandulan zu landen und weiter den Handel mit der Vernichtungsmaschinerie zu betreiben. Als der Nachschub ausblieb, kamen die Kampfhandlungen schnell zum erliegen. Dafür fing die Jagd auf die Kaste an.
Aber mittlerweile hatten sie den Energiemantel entwickelt. Er schützte jede Frau, umgab sie wie ein Cape und machte sie unangreifbar und unverletzlich – solange sie ihn trug. Und damit – und mit Hilfe einiger praktischer weiterer Erfindungen und Entwicklungen gelang es ihnen so nach und nach, die kriegslüsternen Männer zu eliminieren – oder ihrer Positionen zu entheben. So nach und nach übernahmen diese Frauen den Planeten – bis sie an der Herrschaft waren und alle Männer abgesetzt, gefangen oder sonst entsprechend untergebracht…“
An dieser Stelle der Erklärung gab Toran ein entrüstetes Schnauben von sich… Shula ging nicht darauf ein. Wusste sie doch, aus seinen Bildern, wie empörend ihm dies alles vorkommen musste. In seiner Welt, einer Welt aus Kriegern und Kämpfern, waren die Männer unumschränkte und absolute Herrscher und das Weib ihnen untertan…
„Um uns selbst zu schützen, bauten diese Frauen eine ganz neue Kultur auf. Alles, was zu Kriegszwecken verwendet werden konnte, wurde vernichtet. Die moderne Technik wurde jedoch nicht ganz abgeschafft – sondern so umgewandelt und modifiziert, dass sie dem Frieden diente – und dem Schutz unseres Planeten.
Eine Kultur entwickelte sich, die wuchs und wuchs… eine Kultur, in der von da an Frauen subtil ihre Macht ausüben. Und die Männer ihren Platz in einer Gesellschaft fanden, die von Frauen beherrscht wurde – und regiert. Es gab keine Politiker mehr… es gab Priesterinnen. Es gab keinen König… es gab eine Königin…und so ist es noch heute.“ Sie lächelte sanft.
„Ich bin eine dieser Priesterinnen des Friedens und der Göttin… ich wurde für diese Position nicht auserwählt – ich bin hineingeboren, ich BIN die von der Göttin auserwählte… die Silberne. Ich habe durch meine Geburt das höchste aller Ämter inne – und ich bin – vergleichbar mit der Stellung deines Planeten – die Königin aller Königinnen, sozusagen… und alle Männer Shandulan, sind mir untertan. Sie haben mir zu dienen, wie sie ihren Herrinnen dienen… und wie auch du mir jetzt dienen wirst! Ich bin jetzt auch deine Herrin, Toran!“

Nach diesem Satz blieb sie stumm.
Die Stille dehnte sich aus. Sie wartete einfach, bis er reagierte. Und sie war sich sicher, dass er reagieren würde. Denn die Bilder in seinem Kopf zeigten ihm gerade, was von ihm künftig erwartet werden würde…
Tatsächlich. Seine Miene verdüsterte sich immer weiter, bis sich seine Hände irgendwann zu Fäusten ballten und sein Kiefer so angespannt war, dass die Zähne knirschten.
Als sie irgendwann die Übertragung abstellte und die Bilder in seinem Kopf verblassten, knurrte er leise. Sie lächelte nur, während sie ihm die Dioden entfernte. „Du weißt jetzt, woran du bist – nicht wahr?“
Er weigerte sich, sich dazu zu äußern. Knurrte stattdessen erneut. „Du erwartest doch sicherlich nicht, dass ich wegen der paar Bilder, die du mir gezeigt hast – auf welche Weise auch immer – sich meine ganze Lebenseinstellung ändert und ich vor dir auf die Knie sinke, Weib?“
„Nein!“, schmunzelte sie. „Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich das vollständige Programm ablaufen lassen – und dich umprogrammiert, sozusagen. Diese Maschine hat die Möglichkeit dazu. Sie ist dazu entworfen worden, um aufsässige, selbstherrliche und machtbesessene Männer in ihre Schranke zu verweisen und anzupassen…“
Jetzt war er überrascht.
„Du hattest die Möglichkeit, aus mir einen dieser hirnlosen, unterwürfigen Diener zu machen… und nutzt sie nicht?“
„Nein…“, erwiderte sie sanft.
Torans Gedanken wirbelten wild durcheinander.
„Warum hast du es nicht getan?“
Sie lächelte wieder und hüllte ihn in mit diesem Lächeln in einen Mantel aus Huld, Verheißung – und Nachsicht.
„Weil ich mir sicher bin, dass es nicht nötig sein wird! Du wirst mir huldigen und mir dienen – aber du wirst es aus freien Stücken tun…“

Aus großen, lodernden Augen schaute Toran sie an. Er war sprachlos.
Sie lachte.
„Ich kann zwar nicht riechen, wenn ein Mann erregt ist – aber, es ist unübersehbar, dass auch du mich willst, Toran! Aber das hier ist mein Reich, meine Welt – und es gibt keine Möglichkeiten für dich, Gewalt anzuwenden. Wenn du mich haben willst – kriegst du mich nur zu meinen Bedingungen und auf meine Art und Weise… und je eher du dir das klar machst, um so eher kann ich dich von den Ketten befreien!“
„Ich soll vor dir knien und dir dienen?“ Toran erstickte fast an diesem Satz.
Sie nickte. „Ja…“
Die Kette klirrte, so heftig verkrampfte er sich. Als er jedoch wütend losbrüllen wollte und ihr sagen, was er von dieser absurden Aussage hielt, legten sich ihre Finger kühl mit einem Lächeln auf seine Lippen und brachten ihn jäh zum verstummen.
„Still… sag nichts, was du hinterher bereuen würdest! Ich möchte dich nicht bestrafen müssen!“
Ihre Blicke verfingen sich für Sekunden.
„Was willst du dann?“, fragte er rau – in dem bedrohlichen Wissen, dass er bald die Kontrolle über sein Verlangen nach ihr verlieren würde.
„Dich!“
Sie sagte es schlicht und ruhig. So, als stelle sie nur eine Tatsache fest.
Doch dieses eine Wort fuhr ihm durch Mark und Bein.

„Dann löse diese verfluchten Ketten!“, zischte Toran. „Dann kannst du mich haben, mit Leib und Seele – und mit allem an Mann, was in mir steckt!“
„Nein… so geht das leider nicht!“, beschied sie ihm, immer noch sanft – aber eine stille, leise Trauer schwang in ihren Worten mit. „Du würdest mich zermalmen mit deiner Gier, verletzen mit deiner Kraft – und vernichten mit deiner ungezügelten Leidenschaft! So darf es nicht geschehen… die Mächte, die uns hier schützen – würden dich dann vernichten!“
Er seufzte – teils ärgerlich, teils frustriert.
„Ich darf dich also nicht anfassen? Wie kannst du mir dann… gehören?“
„Indem du dich mir schenkst, so wie unsere Sitten es verlangen!“, beschied sie ruhig.
„Ich soll dein Sklave sein?“
„Nein… du sollst knien!“
„Ich soll dir dienen?“
„Und dich mir schenken, ja!“
„Ich soll tun, was du befiehlst und meine Männlichkeit verleugnen?“
„Du sollst mir gehören… und mir das kostbarste Geschenk machen, das ein Mann seiner Frau machen kann, ja!“
„Ich soll mich der Lächerlichkeit preisgeben…“
„Nein… denn ich werde dich dafür bewundern und achten… und ich werde mehr Respekt durch deine Hingabe für dich empfinden, als je für einen andern in meinem Leben!“
„Warum nimmst du dir nicht einfach, was du haben willst?“, knurrte er ungnädig.
„Weil deine freiwillige Hingabe an unsere Gebräuche das Geschenk erst perfekt machen wird!“, lächelte sie.
„Du versuchst mich zu becircen und mir den Verstand zu verwirren… ich bin ein Krieger, kein Sklave!“
„Du wirst auch nie mein Sklave sein…“, sagte sie amüsiert.
„Du wirst mir gehören – und dadurch freier sein, als du es jemals in deinem Leben warst…“
„Zur Hölle mit dir, Weib…“, dröhnte er.
Sie lachte. Strich spielerisch mit den Fingern vom Knöchel aufwärts, bis hoch zu seinem Oberschenkel und registrierte voller Genugtuung das unkontrollierte Zittern seiner Muskeln.
„Du gehörst mir schon!“
„Ich gehöre niemanden!“, brüllte er und bäumte sich in den Fesseln auf. Diese spielerische, zärtliche Berührung gab ihm den Rest. Gier schäumte in ihm, sein Blut kochte und warf regelrecht Blasen. Alle Instinkte waren nur noch auf sie ausgerichtet. „Du bist mein…“, versprach sie zärtlich. „Und ich werde dein sein…“

Sprach es, und löste mit einem Knopfdruck auf der Konsole die Ketten von seinen Gelenken.
Im ersten Moment drängte es Toran danach, aufzuspringen, sie an sich zu reißen und sie unter seinem Leib zu begraben. Sich in sie zu drängen, sie zu erobern und sie sich zu nehmen.
Aber dann trafen sich ihre Blicke wieder.
Sie stand einfach da. Ruhig. Abwartend. Gelassenheit in Person. Eine Sanftheit ausstrahlend, die schlichtweg betörend war. Und doch war sie… ganz Göttin. Königlich. Unerreichbar. Unantastbar. Unberührbar.

Und doch. Sie war zu haben. ER konnte sie haben.
Sie hatte ihm gesagt, wie…
Toran richtete sich auf. Mit einem leisen Knurren. Die Gelenke knackten, als er sich streckte und seine Muskeln spielen ließ. Dann glitt er vom Bett. Geschmeidig. Wie eine Raubkatze. Und ebenso gefährlich.
Shula bewegte sich nicht. Ließ nicht erkennen, wie bang ihr Herz schlug.
Sie pokerte hoch, in diesem Moment. Pokerte in einem Spiel, dessen Ausgang ihr nicht bekannt war.
Sie hatte den Barbaren freigelassen. Die Bestie von der Leine. Das Tier von der Kette. Würde sie ihm zum Opfer fallen – und ihn dadurch letztendlich, vernichten?

Er schlich um sie herum. Lauernd. Ließ sie nicht aus den Augen. Sein Blick loderte, voller Wut, voller Emotionen. Er kämpfte. Mit sich selbst. Und mit seinem Verlangen nach ihr.

Auch sie suchte seinen Blick. Beobachtete ihn.
Nein, sein Verlangen war nicht zu riechen – wie vielleicht ihres vorhin. Aber es war unübersehbar. Es beulte seine ledernen Hosen aus und es war mächtig, dieses Verlangen.
Erwartungsvoll erschauderte sie.
Ohne den Blick von ihm zu wenden, sagte sie seufzend:
„Es ist das erste Mal… ich habe noch nie meinen Anspruch angemeldet.“
Toran stockte mitten im Schritt. Hinter ihrem Rücken starrte er sie an, als traue er seinen Ohren nicht. Ohne dass es ihm bewusst war, streckte er die Hände nach ihr aus. Riss sie krampfhaft zurück und ballte sie zu Fäusten.
„Was soll das heißen?“
Sie lächelte wieder dieses Lächeln und warf ihm über die Schulter hinweg einen koketten Blick zu.
„Ich bin eine jungfräuliche Herrscherin…“

Toran gab einen Laut von sich, der halb Ächzen, halb Lachen war. Wieder streckte er die Hände nach ihr aus, so als wolle er sie einfach packen und sie sich nehmen. Und wieder bekämpfte er diesen Drang mit schier übermenschlicher Beherrschung. Grollte aus tiefster Brust.
Es wäre so einfach. Der Mantel schützte sie nicht. Das wusste er. Sie hatte das Energieband abgelegt. Ihr zierlicher Leib war nur von diesem Stückchen Stoff bedeckt das schimmerte, als hätte es sämtliche Strahlen der Sonne eingefangen. Sie war… verwundbar in diesem Moment. Und angreifbar.
Sie hätte seiner Kraft nichts entgegenzusetzen. Und egal wie sehr sie nach Hilfe schreien würde, wenn er sie sich nahm – bis diese Hilfe letztendlich eingetroffen war, hätte er sie schon längst in Besitz genommen… sich in ihre Enge vergraben und sie mit einem einzigen Stoß zu einer entjungferten Herrscherin gemacht… und selbst wenn es seinen Tod bedeutet hätte… dies wäre es ihm wert gewesen! Sie zu haben…

Aber… sie verweigerte sich ihm ja gar nicht.
Plötzlich kam ihm dieser Gedanke und er schlug in seinen Magen, wie eine Faust und raubte ihm schier den Atem.
Und, als hätte sie seine Gedanken lesen könnten, sagte sie leise in diesem Moment: „Nach dieser Nacht möchte ich auch keine mehr sein, Toran…“
Wie sanft sie seinen Namen aussprach… aus ihrem Mund klang er wie eine Berührung, wie eine Liebkosung… prickelte durch sämtliche Nervenbahnen und drang in den hintersten Winkel seines Seins.
Verlockung klang darin, Verheißung unendlicher Lust. Versprechen höchster Wonne… um den Preis… seiner Hingabe.
Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. Seine Nüstern blähten sich und nahmen erneut den sanften Hauch ihrer Weiblichkeit auf. Ihr Geruch benebelte seine Sinne… fast schmeckte er sie schon auf seiner Zunge.
Sein Geschlecht zuckte.
Er stöhnte.
Gab den Kampf verloren.
Sie hatte ihn besiegt. Ohne dass auch nur eine einzige Waffe gezückt worden wäre…

Der Barbar schlich um sie herum, bis er wieder vor ihr stand.
Sie lächelte gelassen. Und doch atmete sie ganz sacht schneller. Einziges, verräterisches Zeichen, das ihm endlich verriet, dass sie nicht so ruhig – und sich seiner nicht so sicher – war, wie sie sich gegeben hatte.
Ihr erregender Geruch wurde stärker, drang ihm nun in die Nase, ohne dass er danach schmecken musste.
Er umfing sie mit seinem lodernden Blick. Zeigte ihr ganz deutlich, wie sehr es ihn nach ihr verlangte mit diesem Blick. Er nahm sie in Besitz, legte ihr Fesseln an, versprach ihr Himmel und Hölle zugleich mit diesem Blick… bis sie sachte erschauderte und sich ihre Nippel unter dem seidigen, aus Licht gewobenem Stoff verhärteten. Bis sie.. instinktiv auf ihn reagierte.

Dann erst sank er mit der Geschmeidigkeit der Raubkatze vor ihr auf die Knie.
Huldigte ihr.
„Ich gehöre dir, Herrin…“
Der Krieger hatte sich ergeben. Sich geschenkt.
Der Barbar war gezähmt. Oberflächlich. Und brodelte doch, ungezügelt und ungezähmt, in der Tiefe… ebenso mächtig und gierig, wie sein nur mühsam gezügeltes Verlangen nach ihr.

Sie lächelte ich an.
Trat an ihn heran, strich spielerisch eine Strähne des lackschwarzen Haares aus der Stirn und suchte seinen Blick.
Besänftigte seine Gier mit ihrer Nachsicht. Stillte seinen Hunger mit ihrer Zärtlichkeit. Und flüsterte:
„Nein… ich gehöre dir…“

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren