Jeannine (32)

Stell dich bitte kurz vor.

Ich bin Jeannine (in der SZ petit_cheri) , 32 Jahre, selbstständig, dev/maso


Seit wann reizt dich BDSM, gab es einen Auslöser?

Im Prinzip, war BDSM schon immer ein Teil von mir. Es hatte nur keinen Namen. Es waren undefinierbare „Stimmen“, Träume, Gefühle, Wünsche und zum Teil zeigte ich auch schon immer (unbewusst) gewisse „Verhaltensweisen“ in diese Richtung. Das wurde mir aber alles erst im Nachhinein klar...

Einen Auslöser in dem Sinne gab es nicht wirklich. Es war eine Entwicklung, Auseinandersetzung mit mir selbst. Dieses wurde in Gang gesetzt, weil ich durch Zufall (im alten „Yahoochat“) in einem BDSM-Raum landete. *schmunzel* - es war ein langer „Prozess“.


Was genau reizt dich an dem sehr weiten Feld BDSM?

Ich suche keinen „Kick“, der das Adrenalin durch den Körper schießen lässt und der nur kurz anhält. Ich bin kein Adrenalin-Junkie. Es muss nicht höher/schneller/weiter sein. Mir geht es um was ganz anderes. Es geht um DIE Erfüllung, meinen Platz zu kennen und zu wissen diesen sicher zu haben. Es dem Menschen, für den mein Herz schlägt, gut ergehen zu lassen. Für ihn da zu sein, wann immer er mich braucht/ will/ nach mir verlangt. Das man seine eigene „Schutzzone“ hat und sie gibt.
Devot zu sein, heisst für mich, nicht alle Verantwortung abzuschieben, und „ihn“ machen zu lassen. Man trägt sich gegenseitig. Man sagt auch D/s dazu, oder 24/7. (Da hat jedoch jede/r eine eigene Definition für.)

Ich bin mehr dev als maso. *smile* - ich sag von mir immer, ich bin „Weicheimaso“ - aber dazu stehe ich. Den „Lustschmerz“ kann ich also nur bis zu einer gewissen Grenze leben bzw. geniessen. Was das angeht, bin ich noch ziemlich am Anfang, meiner Erfahrungen. Da werde bzw. kann ich noch viel über mich selbst lernen. Kommt Zeit, kommt Rat.


Falls du BDSM inzwischen auslebst: Hat sich „dein“ BDSM im Lauf der Zeit verändert?

Das BDSM an sich hat sich noch nicht sehr verändert, aber ich habe es. Man traut sich mehr zu, lernt sich darin freier zu bewegen. Man verinnerlicht diese Gefühle und mag sie nicht wieder hergeben. Ich fühle mich wohl mit meinem BDSM – darum habe ich auch nicht das verlangen, es anders zu machen, dann würde ich in die „höher, schneller, weiter-schiene“ rutschen. Das möchte ich nicht.


Welchen Stellenwert hat BDSM für dein Leben und für deine Beziehung?

Da, wie oben bereits geschrieben, BDSM immer schon in meinem Leben war, ist der Stellenwert sehr hoch. Vor allem jetzt, wo ich weiss was es ist und bedeutet. Ich werde diesen Teil nicht wieder aus meinem Leben streichen. Darum wird für mich keine Beziehung mehr in frage kommen, in der es kein BDSM gibt. Mich gibt es nur noch ganz oder gar nicht.


Wie lebst du BDSM in deiner Beziehung aus, beziehungsweise wie würdest du es ausleben wollen?

Ich strebe eine 24/7 bzw. D/s – Beziehung an. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich z.B. den ganzen Tag mit irgendwelchen mehr oder minder weniger sinnvollen Aufgaben beladen werden möchte und meinem Partner wie ein Klotz am Bein hänge. Es bedeutet auch nicht, dass ich mich selbst aufgebe, mein Konto auflöse oder meine Arbeit an den Nagel hänge usw.
Es muss einen Alltag geben, in dem sich jede/r seinen Pflichten und Aufgaben widmet. Es gibt viele „skurile“ Ansichten zum Thema 24/7 - ich habe da aber meine ganz persönliche Meinung zu. In solch einer Beziehung darf niemand unterdrückt werden, im Gegenteil, sowas funktioniert nur, wenn man miteinander lebt und füreinander. Aber, es würde jetzt den Rahmen sprengen, um das nun genau zu erläutern.


Gab es eine ganz besonders intensive, lustige, oder auch ungewöhnliche Situation in deinem Leben, die einen BDSM-Kontext hatte?

Es gibt einen Menschen, der mein uneingeschränktes Vertrauen genießt. Das Gefühl, jemandem so vertrauen zu können, kannte ich bis dahin nicht, es ist unbezahlbar, sehr intensiv. Durch ihn erfuhr ich das erste Mal wahren Lustschmerz. Er zeigte mir, wie sich die Gerte, Flogger usw. anfühlt, und dadurch brachte er mich einen Schritt weiter. Zuvor hatte ich Angst vor dieser „Situation“, vielleicht auch Angst vor mir bzw. meinen Reaktionen darauf. Er schaffte es, sie mir zu nehmen. *lächel*


Hast du mit deiner Neigung gehadert? Wenn ja, warum und wie bist du damit umgegangen?

Ich habe es mir anfangs sehr schwer gemacht, ja.
Allerdings lag es auch mit an dem „Klischee -Gedanken“, den ich hatte, und ich lernte zum Teil die (für mich) falschen Leute in der virtuellen Welt kennen. Ich war/bin schon immer sehr selbstbewusst und lasse mir die Butter nicht vom Brot nehmen. Ich habe mein Leben recht gut im Griff, und kann mich sehr gut gegen andere durchsetzen. Ich behaupte mal von mir: ich bin/habe eine starke Persönlichkeit.
Nun traf ich viele kleine kümmerliche „Häufchen“ an, viele waren irgendwie „schräg“ drauf, waren Teils nicht in der Lage, ihr Leben selbst zu regeln. Sie brauchten einen Dom, der dieses für sie erledigte. Andere waren echte „hardcore-masos“ - da gabs keine Grenze mehr, es war zu extrem, und ich wollte mich selbst, einfach nicht auf dieser „Etage“ sehen. So wollte ich niemals werden bzw. sein. Und ich wehrte mich sehr dagegen, dass es Leute gab, die mich in diese Richtung bringen wollten, denn das letzte was ich möchte: ist es, mir selbst fremd zu gehen.

Vielleicht fehlte mir zu dem Zeitpunkt auch die nötige Selbstkenntnis, und wohl auch Toleranz- aber wie sollte man sie aufbringen können, wenn man orientierungslos, mitten im „Gewusel“ irrt. Ohne den nötigen Abstand, man sieht vor lauter Bäume einfach keinen Wald mehr.

Ich arbeitete mich dann Stück für Stück durch diesen BDSM-Dschungel. Surfte durch das Internet, erkundete jeden Begriff der mir Fremd war, hatte viele „Gespräche“ mit einigen, wenigen Leuten. Und so begann ich langsam zu sortieren, abzuwägen und verschaffte mir den nötigen Überblick. Am Ende baut man sich auch ein wenig seine eigenen Definitionen zu den Begriffen. Heute „hadere“ ich nicht mehr, stehe zu mir, und das ist gut so....


Welche Erfahrungen hast du mit deiner Partnersuche gemacht?

Ich suche nicht. Ich war noch nie unterwegs und suchte einen Partner. Entweder man trifft einen Menschen, von dem man denkt, er passt zu mir, oder eben nicht. Wenn ja, versucht man natürlich sein Glück. Ich kann allerdings prima alleine sein, und darum gehe ich nicht zwanghaft auf die „Pirsch“. Was nicht heißt, dass ich keinen Menschen an meiner Seite wünsche.


Was bietest du und was erwartest du von deinem Partner?

Ich biete meinem Partner meine 100%. Nicht mehr und mich weniger. Ich verbiege mich nicht, um jemandem zu gefallen. Das funktioniert nämlich nicht. Mein Partner kann sich meiner Ehrlichkeit, Treue, Loyalität und Zuneigung sicher sein. Ich biete ihm meine Schulter an, und meinen „Dienst“ immer für ihn da zu sein, egal worum es geht.

Umgedreht erwarte ich das selbe von ihm. Ich muss mich, auf das was er sagt, verlassen können. Er muss einfach er sein. Und wir müssen stolz aufeinander sein, und hinter uns und das was wir tun, stehen.


Was ist dir an deinem Partner am wichtigsten?

Was mir, an ihm am wichtigsten ist? Der ganze Mensch ist wichtig, mit allen Ecken und Kannten. Er muss er sein, und kein anderer. Das Zwischenmenschliche muss zusammen passen, man muss zusammen lachen können und auch die ernsten Passagen des Lebens zusammen durchfahren können, zusammen halten.
Ich beschrieb eine ähnlich Frage mal als ein Uhrwerk. Ein Miteinander läuft wie 2 (oder mehr) Zahnräder, die nahtlos ineinander greifen und nur zusammen funktionieren.


Willst du den Lesern noch was mitteilen, was hier nicht angesprochen wurde?

Ich gebe den Lesern mit, dass sie sich ihren Weg in Ruhe suchen sollen, ohne sich selbst unter Zeitdruck oder gar „Leistungsdruck“ zu setzten. BDSM ist kein Wettkampf.

Sie sollen in sich hören, und nicht auf die Stimmen von außen. Es gibt viele „irre“ Menschen da draußen. BDSM ist Vertrauenssache, und darf nicht über das Knie gebrochen werden. Habt Geduld mit euch selbst, und sucht auch einen Menschen dem ihr wirklich vertraut.

Trefft euch nicht „mal eben“ - mit einem Menschen, nur weil er darauf besteht. Schützt euch (gerade Anfänger) und lasst euch Covern. Trefft euch niemals mit einem Fremden, ohne jemandem zu sagen wo ihr seid. Schon zu viele Menschen machten schlechte Erfahrungen, und tragen diese ihr Leben lang mit sich.

Sub zu sein bedeutet nicht, nicht denken zu müssen/dürfen/brauchen. Sub sein, heißt auch nicht, nicht stolz sein zu dürfen oder eine eigene Meinung zu haben. Setzt klare Linien und Grenzen, und sagt dem Dom die Wahrheit.
Man ist niemals feige, weil man sich etwas nicht (zu)traut oder etwas zu viel wird. Und Sub sein heißt auch nicht: man muss andauernd einstecken, Zähne zusammen beißen oder heimlich ins Kopfkissen weinen zu müssen – nur um Dom einen gefallen tun zu müssen – um es immer nur für ihn durchhalten zu müssen.

Und Dom sein heißt nicht, dass man sich wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt und viel „Krach“ macht. Dom ist nicht automatisch einer, nur weil er eine Gerte in der Hand hält. Dom sein heißt, dass man sich seiner Verantwortung zwar bewusst ist, aber gleichzeitig Sub nicht völlig „entmündigt“. Er hat dafür zu sorgen, dass er ihre Selbstständigkeit und soziales Umfeld nicht zerstört.