Christ sein und BDSM

Interview zum Thema „Christ sein und BDSM“ mit Artaxerxes I(A) und Fesselbärchen(F) geführt von igel

igel: Wer seid ihr? Mögt ihr euch kurz vorstellen?

A: Ja also ich laufe normalerweise unter dem Namen Artaxerxes I, bin 54 Jahre alt, habe 8 Semester Theologie studiert und arbeite jetzt als Altenpfleger.

F: Im Forum und in der Community heiße ich Fesselbärchen und ich studiere seit zehn Semestern Theologie und werde Pfarrer.

igel: Wie sieht euer Alltagsleben aus?

A: Alltag ist bei mir so, dass ich aufstehe, Bibel lese, bete, frühstücke, zur Arbeit fahre, arbeite, esse, wieder heimfahre, Hausarbeit, chatte, TV, lese (BDSM Literatur), zur Bett gehe, das Neue Testament lese und schlafe.

F: Ich gehe eigentlich fast jeden Werktag zur Uni, habe einmal die Woche Pfadfindergruppenstunde (Wölflinge) mit Grundschulkindern, spiele unregelmäßig Karten und besuche Mutter oder Großeltern.

igel: Zu welcher Konfession gehört ihr?

A: Offiziell evangelisch (Württemberg), aber ich besuche die IBC (International Baptist Church).

F: Ich bin evangelisch, bin aber mit 18 erst von der römisch-katholischen Kirche dahin konvertiert.

igel: Wie kam es dazu, dass du konvertiert bist F?

F: Da kamen zwei Sachen zusammen. Zum einen hatte ich mein Abitur in der Tasche und wollte Theologie studieren, aber eben nicht katholische Theologie. Ich hatte meine ganze Jugend lang Probleme mit der katholischen Lehre und ihrer exklusiven und verschlossenen Attitüde. Nun lebe ich aber in einer sehr katholischen Stadt. Da gibt es nicht viele Protestanten. Hatte also wenig Kontakt damit. Zu der Zeit kam ich auch zu den evangelischen Pfadfindern. Und hatte damit zum ersten Mal Kontakt mit Protestanten. Der erste theologische Eindruck gefiel mir. Also sprach ich mit dem Pfarrer der Gemeinde über theologische Themen und was den Protestantismus ausmacht. Das sagte mir zu und ich schrieb mich für evangelische Theologie ein.

igel: Warum gehörst du zur Landeskirche und besuchst eine andere Gemeinde, A?

A: Ich arbeite im Schichtdienst und das sehr unregelmäßig. Gemeindeleben ist da nicht auf dem Dorf. Darum habe ich nach einer Gemeinde gesucht, bei der die Kleingruppen und der Gottesdienst verbindlich am selben Tag sind und die Predigten über Internet veröffentlicht werden, damit ich auch bei den Tagen, an denen ich arbeite, die versäumte Predigt nachhören kann.

igel: Wie bist du zum Christ sein gekommen?

A: Ich bin christlich aufgewachsen (Kinderstunde/Kinderkirche). Mit 14 habe ich mich entschieden, mit Christus zu leben. Seitdem bin ich daran geblieben, durch viele Zweifel und Irrwege hindurch.

F: Ich wurde schon als Kleinkind getauft. Von da an christlich sozialisiert. Kirchlicher Kindergarten. Mit 9 zu den Messdienern usw. Wirklich zum Glauben gefunden erst mit zwei prägenden Erlebnissen, die ich als Gottes Zuwendung interpretiert habe.

igel: F, was waren das für prägende Ereignisse?

F: Ich war damals zum Weltjugendtag in Spanien. Das ist im Prinzip ein Kirchentag der katholischen Kirche für junge Menschen aus der ganzen Welt. Beim Abschlussgottesdienst sind immer mehrere Millionen Menschen. Die ganze Veranstaltung dauert zwei Wochen. In der ersten Woche ist man in einem Ort, irgendwo in dem Land, um die Kultur kennenzulernen. Wir waren in einem kleinen Dorf und als und weil wir da waren gab es ein großes Fest mit Umzug usw. Ich lief dort mit und da sah ich ein kleines Mädchen weinend am Rand sitzen. Ich spreche kaum spanisch und sie sprach nur ein paar Worte Englisch. Trotzdem verständigten wir uns und ich habe so eine riesige Fürsorge und Liebe für dieses Kind empfunden. Es war wunderschön. Ich habe geweint. Und in dem Moment begriff ich, dass das ist, was Gott für mich empfinden muss. Ich bin für Gott sozusagen das, was das Kind an diesem Abend für mich war. Und ich verstand.

Das zweite Erlebnis war im Harz. Wir waren in einer Fünfergruppe wandern. Einige legten sich unter einen Baum, während die anderen einkauften. Ich ging in die Holzkirche, die dort im Ort war. Ich setzte mich hinein. Es war still. Ich war allein. Nur Vogelgezwitscher. Die Abendsonne schien seitlich durch die Fenster. Und in dem Moment fühlte ich nichts. Keine Leere, wie sie depressive beschreiben, sondern "Weite", "Unendlichkeit." Keine eigenen Gedanken, oder Gefühle. Ich hab den Rest der Tour darüber nachgedacht. Und ich interpretiere das heute als eine Art Zwiegespräch zwischen mir und Gott. Über meine Menschlichkeit hinweg.

igel: A, Gab es auch für dich einen Auslöser? Einen besonderen Moment?

A: Meine Oma starb und meine Frage war: Wo bist du Gott, wo bist du Oma? Ich schloss mit Gott eine Wette ab. Bis zum 1.1.1979 wollte ich einen Bibellesezettel und eine Bibel in meinem Besitz haben, dann wollte ich mich bekehren. An dem Tag war beides da. Also bekehrte ich mich. Kapiert was Christsein ist, habe ich dann viel später durch einen Professor der Theologie. Der sagte mir, dass Christsein nicht brav sein heißt, sondern mit Christus gemeinsam zu leben. Diese Entdeckung war dann der Durchbruch für mich.

Igel: Was hat euch dazu gebracht Theologie zu studieren?

A: Ich bin der Typ Mensch, der sich immer für Geschichte und Lehre interessiert hat. Ich wollte immer wissen, was ich glaube. Es war bei mir viel mehr ein Wissen wollen, die Hintergründe zu kennen, als ein Wunsch zu predigen und so. Natürlich freut es mich, anderen die Hintergründe eines Textes zu erklären. Aber viel tiefer noch ist mein Wunsch, zu wissen.

F: Ich habe mein ganzes Leben lang irgendwie ehrenamtlich in irgendwelchen christlichen Gemeinschaften mitgearbeitet. Und dem will ich mein ganzes Leben widmen. Zumal will ich den Fragen nach dem Sinn, dem Ursprung und dem Mehr auf den Grund gehen.

A: Ja, christliche Mitarbeit in Gruppen war bei mir auch schon von 1980 bis ich studierte.

igel: Seit wann reizt euch BDSM?

A: Seitdem ich sexuell empfinde, früheste Pubertät. Es waren immer Phantasien über Frauen, welche gefangen werden, verkauft werden und dann als Tiere gehalten werden. Mein erstes "BDSM Buch" war Karl May "Die Sklavenkaravane".

F: Ich habe Ende 2015 angefangen, mich für das Thema Bondage zu interessieren. Der Wunsch nach Informationen und Austausch wurde so groß, dass ich mich in der Community anmeldete. Schnell wurde mir dann auch klar, dass ich Schmerzen, Unterwerfung und Macht auch erotisch finde. Das wollte ich aber nicht sofort wahr haben.

igel: Gab es einen Auslöser? Einen besonderen Moment für euch?

A: Nein, als ich entdeckte, dass ich Mann werde/bin war das gleichzeitig präsent

F: Ich denke, ich werde im Internet irgendwie darüber gestoßen sein und war interessiert. Und dann fing ich an zu fantasieren.

igel: Wie lebt ihr euer BDSM heute?

A: In der Phantasie und in der Literatur, auch selber geschrieben. Auf einem Dorf kann man schlecht eine Frau vor eine Kutsche anschirren und durch die Wälder fahren.

F: Ich hatte noch keine Partnerin, um BDSM tatsächlich zu praktizieren. Ich geh öfters auf Stammtische und rede mit Menschen über das Thema. Das war´s.

igel: Also magst du besonders Petplay, A?

A: Ja, phantasiemäßig. Einmal hatte ich die Einladung, bei einer Sklavinnensession mitzumachen, angenommen. Die Frau zu hauen hat mich nicht so interessiert, sie aber mit Federn oder Striegeln so zu reizen, dass sie fast ausflippte, das war nach meinem Geschmack. Und ja, ich mag es Frauen und Pferde zu mischen, die schönsten Kreaturen überhaupt.

igel: Hat sich dein BDSM im Laufe der Zeit verändert?

A: Mein BDSM insofern, dass ich jetzt durch das Internet nicht nur auf die Produkte meiner Phantasie angewiesen bin.

F: Meine Fantasien wurden extremer. Größere Schmerzen, stärkere Machtgefälle, größere Demütigung, mehr Einfluss in den Alltag.

A: Und meine Einstellung zu BDSM hat sich radikal verändert.

igel: Wie hat sich deine Einstellung denn verändert, A?

A: Früher (vor Internet) dachte ich a) ich sei der einzige der solche Phantasien hat und b) dass es Sünde ist a) Frauen zu quälen wollen, ihnen Gewalt anzutun und sie wie Tiere zu behandeln und b) gleichzeitig dabei auch zu masturbieren. Ich habe das auch bei Befreiungsdiensten angesprochen, aber ohne großen Erfolg. Auch im Ethik Studium war das keine Info für mich. Ich wollte mich auch kastrieren, damit ich nicht weiter sündigen muss. Durch das Internet habe ich erkannt, dass ich nicht alleine bin und dass das einen Namen hat. Damit konnte ich dann arbeiten und mich damit auseinandersetzen, auch mit Bibeltexten.

igel: Du hast also mit deiner Neigung gehadert A?

A: Extrem gehadert, bis zum Wusch der Selbstverstümmelung.

igel: Wie war das bei dir F?

F: Ich habe eine Weile damit gehadert, Sadist zu sein und Macht über Frauen haben zu wollen. Ich stellte mir dabei auch die Frage nach Sünde und Gottes Willen, aber das lässt sich nicht vergleichen. Ich hatte ein halbes Jahr oder so damit Probleme.

igel: Also haltet ihr heute BDSM und Christ sein für gut vereinbar?

A: Unter bestimmten Regeln für gut vereinbar.

F: Ja, solange man sich an gewisse Grenzen hält.

igel: Was sind das für Grenzen und Regeln für euch?

A: Solange es SSC bleibt.

F: Zum einen, dass der Bottom Part immer einen Ausweg hat, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das Vermeiden von langfristigen Schäden. Also, dass jeder Schaden wieder weggeht.

A: Und die Frau eines Anderen ist für mich tabu, wenn es um einen Orgasmus geht.

F: Ja, und SSC.

igel: Hängt also die Toleranz von BDSM als Christ daran wie extrem BDSM gelebt wird? Oder provokant gefragt: Sind BDSMler, die nach RACK oder Metakonsens gehen schlechte Christen?

A: Nein, Es hängt davon ab ob die Frau mir das gestattet, sie Vertrauen hat und ich dieses Vertrauen auch rechtfertigen kann. Sie muss einverstanden sein und stoppen können. Das müsste bei den anderen Konzepten möglich sein. Es geht nicht, sich eine Frau auf der Straße klauen, in eine Waldhütte zu sperren und sie dort abzurichten. Aber das ist kein BDSM für mich. Obwohl viele meiner Geschichten so ähnlich beginnen.

F: Das hängt davon ab. Ich lege für mich engere Grenzen als für andere. Zum einen, weil die Grenze, so glaube ich recht unscharf ist. Zum anderen weil ich nicht Richter sein will. Wir reden wohl nicht vom weltlichen Recht. Also ist Gott wohl der einzige Richter. Hat man bei Metakonsens kein Safeword mehr? Also gar keinen Ausweg? Das würde ich dann nicht praktizieren wollen. Und Rack ist so ein Thema. Welche Risiken geht man ein? Nimmt man den eventuellen Tod des Bottoms in Kauf, oder eine Narbe? Das sind komplett unterschiedliche Dinge.

A: Es gibt Praktiken die ich für mich ablehne, Atemkontrolle z.B. Das halte ich zu gefährlich. Das Risiko will ICH nicht eingehen.

igel: Was sind denn die Grenzen und Regeln eures BDSM, die durch euren Glauben bestimmt werden?

A: Keine "Gewalt" gegenüber einem anderen Menschen, der das nicht will. Wobei die Form der Zustimmung unterschiedlich sein kann. Das Leben der Person ist heilig. Da sage ich klar: kein Orgasmus mit einer Frau die die Frau eines anderen ist. Ich bin kein Vertreter der Polyamorie.

Leben, Freiheit, Herrschaft über den eigenen Körper, Seele Geist sind absolut unantastbar. Aber ich kann jemanden so trauen, dass ich ihm erlaube, bestimmte Bereiche meines Lebens zu betreten. Was das anbelangt, geht die Initiative von der Sub aus. Ich bin dafür verantwortlich, welche Bereiche ich betrete, wie ich damit umgehe. Sehr theoretisch.

F: Also was ich hochhalte ist. dass das Leben geschützt werden muss, die Freiheit jedes Menschen, dass der Körper ein Tempel ist, und den Respekt gegenüber der Schöpfung und damit auch dem Menschen.

igel: Eckt ihr mit eurem Glauben im Forum, der Com, anderen Portalen oder auf BDSM-Treffen (Stammis o.Ä.) an?

A: Ich bin immer der Exot, wobei manche das lächelnd hinnehmen, andere meinen, jüngere Mitglieder schützen zu müssen vor meinen Bekehrungsversuchen und andere versuchen, mich zum Atheismus zu bekehren. Aber für die meisten bin ich dann sowas wie ein Experte für Fragen nach den verschiedensten Religionen.

F: Ja, definitiv. Ich bekam schon öfters zu hören, dass Leute es dann für sinnlos halten mit mir weiter zu reden, oder dass ich unglaubwürdig oder verdächtig wirke, wenn ich behaupte aktiver Christ zu sein und gleichzeitig BDSM zu mögen. Man muss aber auch sagen, dass diese Konfrontation auch im Alltag stattfindet. Weniger und zurückhaltender, aber das hat glaube ich zwei Gründe. Im Internet bist du anonym und dass das Bild von Kirche und ihr Verhältnis zu Sexualität immer noch sehr negativ behaftet ist, was an vielen Punkten leider auch noch stimmt. Aber wenn man dann in einer Online-Community ist, die sich mit dem Thema Sexualität auseinandersetzt, braucht man sich nicht wundern, wenn man dann Gegenwind bekommt.

A: Stimmt, aber ich grenze mich dann schnell ab von dem was man Zölibat und Hexenprozesse nennt. Und mit der Zeit wird dies dann auch langweilig.

F: Ja, aber meistens grenzen sich die Leute dann schon selber von dir ab und hören nicht mehr zu. Also lass ich es einfach.

A: Nach dem 2. Mal innerhalb derselben Gruppe werde ich dann auch taub, wenn sie mir die Fehler der Kirchengeschichte vorwerfen. Doch das ist nicht nur auf BDSM Gruppen beschränkt. Bei der Arbeit muss ich mir da oft viel mehr anhören.

F: Lustigerweise hat auf den Stammtischen der SMJG niemand ein Problem damit, oder sie halten einfach ihren Mund. Aber ich sehe, dass die Kritik die wir erfahren auf anderer Basis basiert. Dir werden Verfehlungen der Kirche vorgeworfen und ich krieg ganz oft zu hören, dass Christen Schwule hassen und es ja offensichtlich keinen Gott gäbe.

Aber das hängt vielleicht mit dem Alter zusammen. Die Leute, mit denen ich mich auseinander setze, sind fast nie über dreißig. Wie ist das bei dir?

A: Immer über 30

igel: Macht der Glaube die Partnersuche schwieriger?

A: Auch, ich möchte eine Frau haben die ähnlich fühlt wie ich und auch mit mir den Glauben teilt. Das schränkt die Auswahl erheblich ein.

F: In meinem Fall schon. Ich glaube ich könnte in einer Beziehung ohne BDSM glücklich sein. Mit wäre aber natürlich schöner. Also suche ich auch in diesen Kreisen, und dann muss man jemanden finden, in den man sich verliebt, dessen BDSM-Vorlieben zu einem passen und der zwar nicht gläubig sein muss aber bereit und willig ist in diesem Kontext zu leben. Denn: Karten auf den Tisch! Ich werde vermutlich Pfarrer und dann lebt man immer in dem Kontext Kirche. Man ist die Pfarrersfrau, hat viel mit Menschen der Gemeinde zu tun. Leute kommen zur Seelsorge in dein Haus und die Gemeinde erwartet auch oft, dass man auch irgendwie am Gemeindeleben teilnimmt. Auch wenn man Religion an sich nicht verabscheut kann ich verstehen, dass man das nicht will.

A: Das ist der Grund warum ich nach dem Studium nicht in den Gemeindedienst ging. Weil ich da keine Möglichkeit sah einen Predigerhaushalt zu aufzubauen wie es das traditionelle Predigerbild vorsieht.

F: Kannst du das etwas ausführen, was hättest du nicht machen können?

A: Eine Predigerfrau zu präsentieren, so wie sich Gemeinde das vorstellt.

F: Und mit präsentieren der Frau meinst du Halsband und so?

A: Predigerehefrau, die dem Bild der Ehefrau entspricht, das sich die Gemeinde macht. Da passt es nicht dazu, dass ich sie anschirre wie ein Pony und sie die Kutsche ziehen lasse durch die heimatlichen Wälder

F: Ok, wenn du das möchtest, könnte das Leuten auffallen. Das stimmt wohl.

A: Und ein Leben als Daddy und Little könnte extrem falsch ankommen

F: Ja, die Frage ist halt wie sehr man das in der Öffentlichkeit lebt.

A: Pfarrhaus und Predigerhaus sollen öffentliche Häuser sein. So die Einstellung in der Gemeinde (oft)

F: Ich würde das einfach nicht in der Öffentlichkeit leben. Sie muss mich im Kirchencafé ja nicht Daddy nennen. Ja, an sich stimmt das auch. In mein Büro, mein Bad, meine Küche und ins Wohnzimmer dürfen die Leute auch rein. Aber in mein Schlafzimmer geht bitte niemand rein.

igel: Wo hast du deine (Ex-)Partnerin kennen gelernt?

A: Und ich hatte nie eine Partnerin. Zuerst dachte ich, ich sei einzig mit meinen verdrehten Neigungen und sündig. Dann brauchte ich Zeit, mich zu orientieren und nun habe ich die 50 überschritten.

F: Pfadfinder. Wobei man bemerken muss, dass wir kein BDSM praktiziert haben. Da wusste ich nicht bewusst von meiner Neigung.

igel: Was denkt ihr über Sex vor der Ehe? Was ist mit Spielen vor der Ehe? Gibt es für euch Grenzen? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht?

A: Da gilt für mich das Gleiche wie mit Spielen außerhalb der Ehe, kurz gesagt: Orgasmusverbot.

F: Ich sehe kein Problem mit Sex vor der Ehe, ich glaube diese Regel entstand, weil es weder Verhütung noch Vaterschaftstest gab. Eine Frau schlief mit einem Typen, wurde schwanger und der Typ hat keinen Bock und haut ab. Schon hast du eine mittellose Frau ohne Einkommen und mit Kind. Woran ich aber festhalte, ist Sex nur mit jemandem, den man liebt. Hab dafür keine Bibelstelle, aber Sex ist in meinen Augen das größte Geschenk, dass man machen kann - sich selber. Man vereinigt sich und zelebriert Liebe auf körperliche Weise.

A: Ich kenne da keine direkte Bibelstelle. Das AT ist patriarchalisch geprägt und verlangt deswegen die Jungfernschaft der Braut. Wenn die Braut Jungfrau ist kann sie kein Kukukskind einschleppen. Aber für mich ist das meine Erziehung, Tradition. Ich kann da nicht gegen an.

F: Das heißt du bist wahrscheinlich christlich erzogen worden?

A: Es gibt da abenteuerliche Konstruktionen von Bibeltexten um vorehelichem Beischlaf auszuschließen. Ja ich bin christlich erzogen worden.

F: Ja, Frauen, die Sex vor der Ehe haben sollen gesteinigt werden. Das steht da. Das ist absolut nicht meine Meinung.

A: Nur wenn sie a) verlobt sind und die Vergewaltigung, Vereinigung im Haus stattfand.

igel: Ist Selbstbefriedigung in Ordnung?

A: Für mich: ja. Aber zu diesem Urteil musste ich mich durchringen. Zunächst der Begriff ist Masturbation und nicht Onanie (Nach Gen 38 unter Gottes Verdammungsurteil, das ist dort nämlich unterbrochener Beischlaf) Es ist eine nicht zielführende Sexualität, aber doch eine Sexualität für Singles.

F: Ja, warum nicht? Das Verbot der Kirche stammt aus Genesis. Die Geschichte mit Onan - daher kommt auch das Wort Onanie. Aber der masturbiert gar nicht. Der betreibt Koitus Interruptus, weil er die Leviratsehe nicht vollziehen will.

F: Cool, wir beziehen uns auf dieselbe Bibelstelle

A: Logisch. Mir wurde bei der Bibelstelle immer Himmelangst, bis ich sie mal untersuchte. Das löste sich vieles auf, was mir Angst gemacht hat, gemacht wurde.

igel: Welchen Stellenwert hat dein Glaube in deinem Leben?

A: Tiefste Basis, würde ich sagen

F: Das ist eine schwierige Frage. Es ist nicht so, dass ich ständig darüber rede und nichts anderes mache, aber es ist irgendwie immer da, hat Einfluss auf mein Denken und mein handeln. Ja, das Wort Basis gefällt mir. Es ist die Basis für mein Leben, auf dem ich aber vieles, anderes und unterschiedliches aufbaue.

igel: Welchen Stellenwert hat BDSM in deinem Leben? Kannst du dir vorstellen, ohne BDSM zu leben?

A: Nein, das kann ich mir auch nicht. Ich müsste dann asexuell sein. Auch wenn ich keinen Sex habe, mein Kopf ist ja trotzdem noch da. Und ich kann es nicht abschalten, zu denken wie die oder jene Frau sich vor einer Kutsche machen würde, oder in einem Laufstall für adult Babys

F: Ich tue es gerade. Also ja :D Aber eine etwas vernünftigere Antwort! Ich glaube ich könnte eine Beziehung ohne BDSM führen. Das meiste, was mich an einer Beziehung reizt, ist nicht meine Sexualität, sondern wen zum Kuscheln zu haben, wen zum Reden zu haben, mit jemandem zu Kochen und zu Essen, neben wem einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Und allgemein, dass da jemand ist, der einen liebt und den man selber liebt. Zweisamkeit ist mir viel, viel wichtiger.

A: Ich bin nicht geschaffen für eine so genannte Josefsehe. Das was du beschreibst ist zwar extrem wichtig, aber von meiner Frau möchte ich mehr.

F: Natürlich wäre das schön mehr zu haben, aber momentan habe ich nichts davon und komme einigermaßen klar. Da wäre wer zum Kuscheln und Film gucken doch auch was richtig Tolles.

A: Das ist vielleicht der Grund warum ich alleine lebe. Denn ich habe bisher keine Frau gefunden, die sowohl Kink als auch Glauben mit mir teilt.

igel: Was möchtest du anderen Christen mit einer BDSM-Neigung mit auf den Weg geben?

A: Gott hat dich mit deiner Sexualität geschaffen, darum hasse dich nicht selbst. Und es gibt noch andere, die solche Sexualität haben, verzweifle nicht. Suche sie.

F: Lasst euch nicht unterkriegen. Ich glaube, dass sich das durchaus vereinbaren lässt, auch wenn das andere anzweifeln, denkt selber drüber nach, ob ihr mit beidem leben könnt, was du im Endeffekt sowieso musst. Verstell dich nicht und versuch als du selbst deinen Weg zu Gott und dir selbst zu finden.

igel: Was bedeutet Christ sein für dich?

A: In einer Beziehung zu leben mit dem dreieinigen Gott, dem Schöpfer der mich schuf, dem Sohn der mich erlöste, dem Geist, der in mir wirkt.

F: Jesus Christus als seinen Erlöser anzuerkennen und das eigene Leben in seiner Nachfolge zu gestalten.

igel: Was bedeutet BDSM für dich?

A: Ein ganzes Bündel von Sexualpraktiken und Lebensentwürfe außerhalb des üblichen. Eine Prägung, meist nicht ausgesucht.

F: Es ist ein Teil meiner Sexualität, ein ziemlich großer sogar. Aber das in den Alltag zu übertragen wird schwer, auch wenn ich den Gedanken manchmal reizvoll finde. Auch wenn ich selbständig wäre, würde es spätestens schwierig, wenn man Kinder hat.

igel: Vielen Dank euch Beiden für diesen interessanten Einblick in das Thema „Christ sein und BDSM“. Wenn unsere Leser noch weitere Fragen an die Beiden haben, können sie diese gerne an mich senden, ich werde sie gesammelt stellen und dann zusammen mit den Antworten im Anschluss an das Interview veröffentlichen.