Talon: Stell dich der Leserschaft bitte kurz vor.
Empire of the Sun: Ich bin wohl eine dieser Frauen, denen man an jeder Straßenecke begegnen kann: in den 40ern, berufstätig, Mutter, mittlere Größe, und liebende Partnerin eines tollen Mannes.
Talon: Wie sieht dein Alltagsleben aus? In groben Zügen, ohne BDSM Bezug
Empire of the Sun: … und damit ist mein Alltag eigentlich auch schon erzählt. Wenn ich nicht gerade arbeite, kümmere ich mich um die Kalamitäten daheim, gerne um die Familie und das heimelige Heim.
Talon: Seit wann reizt dich BDSM? Gab es einen Auslöser?
Empire of the Sun: Schwierige Frage. Ich glaube, wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann bereits seit der Grundschulzeit. Zumindest hatte ich da eine sexuelle Vorstellung, die ich heute wohl (wenn überhaupt) im weitesten Sinne unter Petplay einstufen würde. Wenn ich abends im Bett lag, habe ich mir das öfters vorgestellt und mich an den Gefühlen erfreut, die das im Bauch verursacht hat. Und dann kam ganz lange gar nichts. Irgendwann, als ich schon über 40 war, habe ich angefangen, Geschichten von Hobbyautoren zu lesen, die zunächst nur sexueller Natur waren. Ziemlich bald habe ich dann Geschichten gefunden, die auch das Thema BDSM abhandelten. Da habe ich mich recht lange damit auseinander gesetzt. Ich weiß heute, dass viele dieser Geschichten nicht mit den eigentlichen Werten des BDSM konform gehen, aber ich wusste es eben nicht besser. Mit meinem damaligen Partner war es allerdings nicht möglich, auch nur ansatzweise in diese Richtung zu denken. Viele dieser Geschichten waren aus der Sicht des Subs geschrieben und irgendwie dachte ich automatisch auch, ich sei eine Sub.
Bis ich meinen jetzigen Mann kennenlernte. Er hatte sich selbst mit diesem Thema auseinandergesetzt und ein ziemlich unübersehbares Utensil in seiner Wohnung stehen, das mir beim ersten Besuch sofort ins Auge fiel. Er hätte sich selbst (auch mangels praktischer Erfahrung) eher als Dom eingeschätzt – bis er auf mich traf. In dem Moment war ihm sofort klar, dass da irgendwas nicht ganz stimmig war und wenige Wochen später sagte er mir das auch ziemlich direkt ins Gesicht. Er selbst hatte den Neigungstest von Gentledom in der Zwischenzeit gemacht und ein sehr eindeutiges Ergebnis erhalten – zugunsten seiner submissiven Seite. Er animierte mich, den Test ebenfalls zu absolvieren und ich dachte mir nur insgeheim „mir ist schon klar, in welche Richtung du mich treiben willst, aber ich bin alles – nur nicht dominant!“ Dann machte ich den Test und fiel beinahe vom Glauben ab. Ich habe etliche Tage damit gehadert, eben weil ich mich ja eher als Sub eingeschätzt hätte, ich habe jede Frage durchdacht und seziert und habe mich am Ende dann doch der Wahrheit geschlagen gegeben. Ich bin ein weiblicher Dom.
Heute weiß, dass ich damit absolut richtig liege.
Talon: Wie waren deine ersten Schritte ins BDSM?
Empire of the Sun: Ich gehöre zu den Menschen, die viel lesen, um sich Wissen anzueignen. Also habe ich hier im Forum und auf der Hauptseite gelesen, meine Fantasie spielen lassen, überlegt, was mir gefallen könnte und viel mit meinem Partner gesprochen. Wir haben damals ein ganzes Wochenende über den Neigungsbögen gesessen und ausgewertet, was wer mag oder nicht mag. Wir haben es tatsächlich in beide Richtungen durchgesprochen, also auch, was ich als Sub bereit wäre zu tun und er als Dom, das war uns wichtig, um uns besser kennenzulernen. Manche Dinge sind uns aber auch tatsächlich erst viel später aufgefallen: z.B. dass es nicht so clever ist, jemandem, der eine permanent verschlossene Nase hat, einen Knebel anzulegen. An diesem Wochenende habe ich mich das allererste Mal im „Dominant-Sein“ geübt und bin ganz fürchterlich damit auf die Nase gefallen. Das war aber okay, wir haben drüber geredet. Das können wir zum Glück immer. Es hilft ungemein, wenn beide an dieser Stelle absolut offen sind.
Sessions sind bei uns lang geplante, aufwändig inszenierte Aktionen und die erste war so beeindruckend, dass ich auch noch heute mit Respekt daran zurückdenke.
Talon: Welche Themengebiete reizen dich an dem sehr weiten Feld BDSM derzeit?
Empire of the Sun: Derzeit ergehe ich mich gerade im Alltagsleben am ehesten in D/s. Wir haben irgendwann für uns entschieden, dass wir eine FLR leben – also eine Female Led Relashionship. Es kursieren im Netz da sehr interessante Seiten zu, mit Stufen, die es angeblich zu erreichen gilt. Ich persönlich möchte mich in keine Schublade pressen lassen, dazu ist die Beziehung zu meinem Partner zu einzigartig, aber die eigentliche Bezeichnung („weibliche geführte Beziehung“) passt einfach zu dem, was wir leben. Ich sage ganz gerne, dass ich die Stimmenmehrheit von 50 +1 habe. In der Realität sieht das dann so aus, dass wir beide durchaus kontrovers diskutieren (es wäre aus meiner Sicht auch fahrlässig, auf die Sichtweise eines in vielen Themengebieten erfahrenen Mannes zu verzichten, nur weil ich mich durchsetzen will), und ich am Ende entscheide. Er fügt sich dieser Entscheidung stets. Das bedeutet aber nicht, dass es immer nach meinem Willen geht. Im Gegenteil: als Dom habe ich auch eine Fürsorge-Pflicht und oft genug fallen die Entscheidungen in seinem Sinne. Wir haben keine gemeinsamen Kinder, so dass wir an dieser Stelle keine Probleme im Alltag haben. Zudem habe ich Grenzen: ich würde niemals in seinen Job eingreifen (Firmengeheimnisse und dergleichen). Leider bin ich nicht so reich, dass ich es mir leisten kann, ihn nicht arbeiten zu lassen. Sollte er sich aber aus meiner Sicht zu sehr (und damit meine ich gesundheitsschädlich) im Job engagieren, spreche ich sehr wohl ein Machtwort, im wahrsten Sinne des Wortes.
Es gibt auch einen SM-Anteil, der allerdings relativ gering ist. Mein Sadismus ist eher Mittel zur Dominanz sozusagen, ich nutze den Sadismus, um ihn zu dominieren. Abgesehen davon hat er einen durchaus masochistischen Anteil, der hin und wieder mal eine Behandlung erfordert. Es wäre gelogen, wenn ich sagte, das macht mir keinen Spaß.
Talon: Hat sich „dein“ BDSM im Lauf der Zeit verändert? Hast du mal die “Seiten” gewechselt?
Empire of the Sun: Die Seiten habe ich sozusagen gedanklich in der Anfangsphase gewechselt. Und damit bin ich jetzt fein. Allerdings … ich vertrete die Auffassung, dass kein Mensch nur dominant oder nur submissiv ist, zumindest nicht, wenn er es rund um die Uhr in allen Bereichen seines Lebens lebt. Rein auf den sexuellen Bereich beschränkt halte ich es durchaus für möglich. Und so habe auch ich Momente, in denen ich einfach mal gerne dominiert werden will und ein kleines Bisschen Schmerzen spüren will – allerdings bin ich da eher zimperlich. Und dass mein Mann dominante Anteile hat, hatte ich ja eingangs erwähnt – auch wenn sie weit hinter den submissiven zurück bleiben. Was bastelt man nun daraus, wenn man ansonsten gut mit seinem Konstrukt zurechtkommt? Genau: ein 24/7-1. Das bedeutet ganz einfach, dass es in jeder Woche eine Stunde gibt, in der er tun und lassen kann, was er will – mit mir. Das spielt sich eigentlich fast immer im sexuellen Bereich ab, weil ich einfach nicht dafür gemacht bin, im Alltag auch nur ansatzweise devot zu sein. Damit ist unseren beiden anderen Seiten Genüge getan und so funktioniert es seit längerer Zeit sehr gut.
Ansonsten gibt es sessionreichere und sessionärmere Phasen, das ist eindeutig alltagsbedingt. Wenn wir beide sehr eingespannt sind, dann plane ich nicht auch noch eine aufwändige Session. Das tut aber dem FLR-Leben keinen Abbruch.
Talon: Welchen Stellenwert hat BDSM für dein Leben und für deine Beziehung?
Empire of the Sun: Letztlich bin ich mir nicht sicher. Da ich nur mit meinem jetzigen Partner BDSM erlebt habe, habe ich keine Ahnung, wie es mit einem anderen Partner wäre, ob ich es unbedingt bräuchte. Es sind also Gedankenspiele. Und da ich beabsichtige, meinen Mann nicht gehen zu lassen, sind sie zudem auch müßig.
Sicher bin ich allerdings, dass unsere Beziehung nur so laufen kann, wie sie jetzt läuft. Das passt zu uns, also bleibt es.
Talon: Wie lebst du BDSM in deiner Beziehung aus? Spielt FLR eine Rolle für dich?
Empire of the Sun: Ich denke, aus meinen bisherigen Antworten konnte man schon einen ganz guten Einblick gewinnen. Wir sind nach außen hin wahrscheinlich für alle ein ganz normales Paar mit einem besonders fürsorglichen Mann, der seiner Frau jeden Wunsch von den Augen abliest. Und so darf es auch gerne bleiben. Mein bei uns lebender Teen hat meinen Mann zwar schon mal vor mir knieend vorgefunden, da er aber in dem Moment bekleidet war, hat sich der Teen nicht weiter dran gestört. Meinem Kind ist sehr wohl klar, dass es in jeder Beziehung einen gibt, der das Sagen hat und dass ich das bei uns bin. Damit haben wir es bewenden lassen. Wir nutzen also die wenige Zeit, die uns alleine bleibt, für die Sachen, die den Teen irritieren könnten. Das geht nur uns beide was an.
Wie gesagt, wir führen eine FLR im wahrsten Sinne des Wortes. Jegliche Stufen- Theorie ist mir nicht wichtig.
Talon: Gab es eine ganz besonders intensive, lustige, oder auch nur ungewöhnliche Situation in deinem Leben, die einen BDSM-Kontext hatte?
Empire of the Sun: Ja, es gab etwas wahnsinnig Intensives. Unsere allererste Session, also in meinem Sprachgebrauch eine aufwändig inszenierte Aktion, war unglaublich. Ich glaube fest daran, dass sie mich heute genauso zurücklassen würde wie damals. Es dauerte nur eine Stunde, aber irgendwie hatte ich es geschafft, ihn komplett in den Subspace zu bugsieren. Ich hatte das Zurückholen gut vorbereitet, mit viel Wärme und Nähe, aber wirklich wieder bei mir war er erst nach gut zwei Stunden. In diesen zwei Stunden habe ich ihn letztlich unter die Dusche begleitet (was unbedingt notwendig war bei der Schweinerei, die ich veranstaltet hatte), geführt, gestützt. Als er endlich wieder da war, konnte ich mich fallen lassen und habe fürchterlich viel geheult, um den Druck abbauen zu können. Auch Doms kann eine Session sehr vereinnahmen, auch da passieren Dinge, die einen richtig beeindrucken können. Völlig okay.
Talon: Hast du mit deiner Neigung gehadert? Hattest du Schamgefühle? Wenn ja, warum und wie bist du damit umgegangen?
Empire of the Sun: Ja, anfangs habe ich sehr gehadert. Wenn du „erwachst“ und merkst, dass da etwas ist, dann ist es bei mir so, dass ich versuche, mich zu belesen. Wie gut, dass ich dieses „Erwachen“ nicht in den 80ern hatte, sondern heute, wo das WWW einem ja sehr viele Antworten geben kann. Allerdings birgt das auch Gefahren. Ich benutze schon sehr lange eine bestimmte Social Media Plattform und als das Thema BDSM aufkam, habe ich mich da natürlich mal umgeguckt. Es war schwierig, etwas mit weiblichen Doms zu finden und das, was ich gefunden habe, hat mich irgendwie abgestoßen. Demnach muss eine Femdom nicht nur eine Wespentaille haben, die sie besonders gerne in Lack und Leder wirft, sie hat natürlich endlos lange Beine, die sie in Overknees hüllt und lange, wallende Haare. Zudem steht sie ausnahmslos auf Keuschheit bei ihrem Sub, läuft gerne über ihn rüber und lässt sich nur noch oral von ihm befriedigen. Außerdem steht sie selbstverständlich darauf, ihn anal mit einem Dildo oder Strap-On zu penetrieren. Und irgendwie war ich da raus.
Ich habe keine Wespentaille und ich bin auch kein optisches Abziehbild von einem der Bilder dieser Plattform. Also hat es mich einfach verunsichert. Ich habe mit Keuschheit nichts am Hut und es gibt nichts Schöneres, Verbindenderes für mich, als wenn mein Mann in mir kommt. Dass ich jemals über ihn drüber laufe, halte ich für unmöglich, einfach, weil ich ihm nicht dauerhafte Schäden zufügen will. Wir haben keinen Strap-On, weil ich in keiner meiner Fantasien auch nur ansatzweise Lust empfinde, wenn ich mir den Einsatz vorstelle.
Und da war ich nun: der Test und mein Gefühl sagten mir Du bist eine Femdom und mein Verstand sagte mir angesichts dieser Bilder Niemals! Und das ist die Gefahr, die ich meine. Sich von solchen mit Models gestellten Bildern beeinflussen zu lassen, ist unsinnig. Man hat mir hier im Forum ziemlich schnell den Kopf zurechtgerückt, indem man mir erklärte, dass es sich hierbei oftmals um gestellte Bilder handelt, die letztlich nur dazu gemacht werden, um gewissen Tastenwichsern einen Anlass zu geben, genau das zu tun. Mich selbst hat das also nie angesprochen, weil ich gar nicht diejenige war, die es ansprechen sollte. Und wenn ich mich im Austausch mit anderen Femdoms befinde, so scheint es so zu sein, dass diese Bilder eine Erwartungshaltung bei männlichen Subs schüren, die wir Femdoms in der Regel der Dinge gar nicht erfüllen wollen.
Bei mir kam außerdem hinzu, dass ich dominante Menschen nie sonderlich leiden konnte und gerade im Berufsleben von ihnen meist Abstand genommen habe. Tatsächlich hat man mir allerdings in so mancher Vorstellungsrunde dominante Züge zugesprochen, was mich immer sehr verwundert hat. Dominanz war also etwas, was ich echt schrecklich fand. Ich habe schon so manches Mal darüber nachgedacht, ob mir diese Menschen deswegen so unsympathisch gewesen sind, weil zwei Dominante auf einem Haufen vielleicht nicht so gut zusammen können – oder weil es gar keine echte Dominanz war, sondern eher Platzhirschgehabe. Letztlich bin ich zu keiner Lösung gekommen.
Der gesamte Prozess dauerte gut zwei Jahre, bis ich mit mir fein war. Und gerade FLR war letztlich das, was mich hat fein werden lassen – wie gesagt, im eigentlichen Sinne des Wortes. Zudem hat mein Partner mir viel Zuspruch gegeben, das hat sehr geholfen. Scham jedoch habe ich nicht empfunden, ich glaube, dazu bin ich zu alt.
Talon: Welche Erfahrungen hast du bei der Partnersuche gemacht?
Empire of the Sun: Keine, denn erst war der Mann da, dann BDSM.
Talon: Was bietest du und was erwartest du von deinem Partner?
Empire of the Sun: Ich biete meinem Mann allumfassende Liebe. Nicht weniger erwarte ich von ihm. Zuverlässigkeit, Treue, Kreativität, Schutz, Fürsorge, Musik, Leben. Und Lust auf Lust.
Talon: Was ist dir an deinem Partner am wichtigsten?
Empire of the Sun: Er selbst als Gesamtpaket. Wenn ich jetzt aber mehr Komplimente schreibe, kriegt er rote Ohren und sein Ego steigt in Höhen, die ihm nicht guttun. Oder sollte ich gerade deswegen…?
Talon: Was ist dir als Femdom wichtig, wenn Femdom Anfänger dich fragen?
Empire of the Sun: Liebe Frauen da draußen, so Ihr sicher seid, dass Ihr keine Sub seid: Eine Femdom kann in vielen Frauen stecken, auch in denen, die sich nie dafür gehalten hätten. Ich glaube fest daran, dass es deutlich mehr Femdoms gibt, als wir alle denken, eben weil sie sich ihrer Fähigkeiten gar nicht bewusst sind. Wenn ein Malesub auf Euch zukommt, dann gebt ihm eine Chance, vielleicht schlummert da ja etwas in Euch, von dem Ihr nicht wusstet, dass es das gibt. Wenn es nicht funktioniert, okay, aber versucht es. Und lasst Euch nicht vom WWW verunsichern. Gut ist, was Euch und Eurem Sub gefällt, der Rest ist uninteressant.
Talon: Welchen Themengebieten möchtest du dich noch zuwenden?
Empire of the Sun: Ziemlich einfach, aber ich trau mich bislang noch nicht ran: Sounding und Needling. Außerdem möchte ich gerne einen Bondage-Workshop belegen.
Talon: Ein paar Zeilen zu deiner Lieblings Location? Der Name/Ort muss nicht genannt werden
Empire of the Sun: Habe ich nicht.
Talon: Ein Sprichwort das jeder kennt: Man Lernt nie aus im Leben…
Was solltest du noch lernen was willst du noch lernen?
Empire of the Sun: Mehr Zielgenauigkeit mit Schlaginstrumenten. Das bedeutet permanentes Üben und das bringt mein Umfeld derzeit nicht mit sich. Schade, aber so bleibe ich eben bei den Varianten, mit denen der Schaden, den ich bei ihm anrichten könnte, nicht zu groß ist.
Talon: Wo siehst du dich in 10 Jahren?
Empire of the Sun: In zehn Jahren? Gesund und zufrieden zusammen mit meinem Mann und einem erfüllten Leben – in jedem Bereich.
Talon: Willst du den Lesern noch etwas mitteilen, was hier nicht angesprochen wurde?
Empire of the Sun: Nein.
Talon: Vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem spannenden Interview.