myownspirit im Interview

Igel: Wer bist Du? Magst Du Dich kurz vorstellen?

myownspirit: Ich bin myownspirit, 24 Jahre alt, Student und wohne in Dortmund. Ich bin im letzten Semester meines Informatik Studiums.

Igel: Wie würdest Du Dich und Dein BDSM beschrieben? Von Anfang bis heute?

myownspirit: Das ist gar nicht so einfach. Mir war schon sehr früh klar, dass ich da so gewisse Fantasien habe und der Großteil meiner Sexualität da anzusiedeln ist, aber ich hatte damals noch keinen Namen dafür. Ich hatte eine lange Beziehung, in der BDSM keine große Rolle gespielt hat, sondern Mittel zum Zweck war, damit überhaupt Sexualität möglich war.

Nach einiger Zeit ist die Beziehung zu Ende gegangen. Das war in der Zeit, als ich angefangen habe mich auch thematisch mit BDSM auseinander zu setzen. Daher habe ich begonnen, auch auf Stammtische zu gehen. Mein erster Stammtisch war ein Gentledom Stammtisch. Ich hatte dann zunächst eine Beziehung als Sub und danach eine als Dom, die bis heute andauert.

Ich war mir lange Zeit nicht sicher, welcher Schublade ich mich zuordnen möchte und ehrlich gesagt bin ich das heute noch nicht, weil meine Fantasien, Vorstellungen und Wünsche sind eigentlich nie auf eine Seite beschränkt gewesen. Ich habe einfach mit der Zeit gelernt, dass BDSM für mich wohl auf beiden Seiten funktioniert. Im Moment fühle ich mich auf der Dom Seite sehr wohl. Ich mache jetzt einfach was mir gefällt und was mir gut tut.

Theoretisch bin ich dadurch Switcher, aber mit dem Begriff fühle ich mich auch nicht ganz wohl. Denn die Switcher, die ich kennen gelernt habe, genießen das Switchen und wollen auch beide Seiten genießen. Da bin ich nicht so. Ich würde nicht sagen, ich brauche beides. Ich möchte einfach ausleben, auf welcher Seite ist da gar nicht so wichtig.

Ich bin ins Forum gekommen mit der Frage, wo soll ich mich denn einordnen, was ist meine Schublade? Und letztendlich kann ich mit vielem was anfangen, es gibt wenig, wo ich von vornherein sagen würde, dass ich das nicht mache. Ich bin gerne bereit was auszuprobieren und Schubladen sind da gar nicht so wichtig.

Igel: Seit wann reizt Dich BDSM, gab es einen Auslöser?

myownspirit: Also, BDSM war eigentlich seit jeher Teil meiner Sexualität. Auch haben gewisse Dinge, die im BDSM Bereich anzusiedeln sind, schon immer meine Sexualität am stärksten ausgelöst. Spätestens als meine allererste Masturbationsfantasie nicht der Standard war, wurde es mir bewusst. Mir war früh klar, dass ich in dem Bereich ein wenig anders ticke als die meisten.

Igel: Spielt Dein Alter eine Rolle?

myownspirit: Ehrlich gesagt fühle ich mich sehr wohl mit meinem Alter und auch in der BDSM Szene nicht als Außenseiter. Klar, auf einem Gentledom Stammtisch gehöre ich schon eher zu den Jüngeren, aber das war nie ein Problem für mich und in der SMJG fühle ich mich auch recht wohl. Gerade über die SMJG habe ich viel Kontakt und neue Leute kennen gelernt, die jung sind und in der BDSM Szene. Da habe ich zumindest das Gefühl, dass die Leute offen sind für neue Erfahrungen und wenig festgefahren in ihren Meinungen.

Junges BDSM habe ich als mehr spielorientiert erlebt, wobei ich auch nicht so gut vergleichen kann, weil ich jetzt auch nicht so viel Kontakt zu älteren BDSMlern habe. Zumindest habe ich das Gefühl, dass es als junger Mensch leichter ist neue Kontakte zu knüpfen und neue Erfahrungen zu machen, weil man noch nicht so integriert ist in familiären Strukturen, noch nicht so viele Verpflichtungen und Verantwortung hat und einfach spontan sein und am Wochenende wegfahren kann.

Igel: Welchen Stellenwert hat BDSM für Deine Beziehung und Dein Leben?

myownspirit: Ich habe eine feste Liebesbeziehung und keine weiteren Spielbeziehungen und das ist auch nicht geplant, also ich bin auch nicht auf der Suche. BDSM hat schon einen sehr hohen Stellenwert. Ich beschäftige mich sehr viel mit dem ganzen Thema und denke viel darüber nach. Auch in meiner Beziehung gibt es immer ein Machtverhältnis und insofern nimmt es schon viel Raum ein.

Ich beschäftige mich aktuell viel mit DS. Ich frage mich, wie ich es am besten in den Alltag integriere, wie ich die Beziehung so gestalte, dass ein möglichst intensives DS gelebt werden kann, sodass es gut funktioniert für uns beide und nichts auf der Strecke bleibt. Ich weiß nicht, ob sich das noch irgendwann ändern wird, vermute aber, dass es immer eine wichtige Rolle spielen wird, da meine Sexualität zu sehr in dem Bereich liegt. Und Sexualität ist nun mal ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung.

Igel: Hast Du schon mal mit Deiner Neigung gehadert?

myownspirit: Ja, auf jeden Fall. Meine erste Partnerin teilte diese Neigung nicht und insofern war Sexualität in der damaligen Beziehung auch immer ein Problem. Auch dadurch, dass es mir eben nicht leicht gefallen ist, mich streng in eine Schublade zu stecken, konnte ich halt gar nicht sagen, ich bin so und will das, sondern es war und ist immer noch ein Prozess des Herausfindens und Ausprobierens, in dem ich auch mal umdenken und Vorurteile aufbrechen muss.

Igel: Also ein Findungsprozess?

myownspirit: Ja, also mein Findungsprozess war ein bisschen chaotisch. Es gab relativ viel hin und her, denn ich hab zuerst meine submissive Seite entdeckt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon eine gewisse Offenheit, sodass ich jetzt nicht unbedingt Probleme damit hatte, mich als submissiver Mann zu sehen. Obwohl häufig dieses Klischee besteht, dass Männer eher dominant sein sollen

Dadurch, dass Sexualität bei mir lange ein Problemthema war, war es nicht ganz so leicht, einfach völlig ungezwungen meine Sexualität zu entdecken, denn ich habe mich lange Zeit in dem Bereich unter Druck gesetzt. Und wenn man den Druck einmal verinnerlicht hat, dann ist es nicht so leicht sich dem wieder zu entziehen und das einfach frei anzugehen ohne Vorurteile oder Unsicherheiten.

In einer Beziehung sieht man sich ja auch immer in einer bestimmten Rolle und dann habe ich mich gefragt, wie ich gerade rüberkomme und dadurch kamen wieder Gedanken auf, ob ich jetzt dominant wirke oder ob ich jetzt ein guter Sub bin. Man sollte nicht zu viel nachdenken, sondern einfach tun, was man für richtig hält. Aber das ist echt nicht leicht und man muss teilweise kämpfen.

Igel: Hat sich „Dein“ BDSM im Laufe der Zeit verändert?

myownspirit: Ich habe mich im Januar 2016 im Forum angemeldet. Das ist auch der Zeitraum, in dem ich angefangen habe, mich für BDSM und die Szene zu interessieren. Gleichzeitig habe ich auch begonnen, mich in dem Bereich überhaupt einzuordnen. Ich glaube im März 2016 habe ich dann meine erste Partnerin kennen gelernt, mit der ich angefangen habe BDSM auszuleben.In den 1,5 Jahren habe ich die Seiten gewechselt, also ja, es hat sich auf jeden Fall einiges verändert. Ansonsten habe ich halt einfach sehr viel dazu gelernt. Ich hab viele Dinge getan, von denen ich noch vor einem Jahr oder 1,5 Jahren noch gedacht hätte, dass das gar nicht meins ist und ich das nie tun will. Jetzt habe ich gemerkt: Oh, das macht mir ja doch Spaß!Ich habe relativ viele Erfahrungen gemacht in unterschiedlichen Bereichen. Sowohl im D/S, also auch S/M oder im Bondage. Mit Seilbondage beschäftige ich mich aktuell recht viel.

Ja, man lernt dazu. Gerade im BDSM gibt es so viel erste Male, die einem dann auch immer ein bisschen was über einen selbst verraten. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass es sehr viel unterschiedliche Sachen gibt, die mich kicken. Der Kern davon ist aber eigentlich immer ein Ausdruck von Kontrolle, Machtgefälle oder auch Kontrollverlust. Angefangen hat es in meinen ersten Fantasien mit Handschellen, Kerkern, Einsperren und gefesselt Sein. Das ist dann auch nie weggegangen und wird es vermutlich auch nie. Es ist immer noch ein großer Teil von meinen Fantasien – aber es kam super viel dazu. Ich habe festgestellt, ich habe Spaß am aktiven S/M, masochistisch bin ich jedoch nicht besonders.

Ich mag auch das Fesseln mit Seilen total gerne. Früher habe ich gesagt, dass mich das nicht interessiert. Das Fesseln mit Handschellen war so mein Kernelement. Heute mag ich auch Seile. Es kamen dann einfach noch viele Spielarten dazu, wo ich früher gesagt hätte „niemals“ und dann habe ich gemerkt, dass mir das doch gefällt. Zum Beispiel Spiele mit Urin können dann doch sehr viel geben und dann einfach sehr geil sein. ;)

Igel: Welche Erfahrungen hast Du mit der Partnersuche gemacht?

myownspirit: Oh, also ich habe gar nicht so viel Partnersuche betrieben, muss ich sagen. Meine Beziehungen habe ich immer gefunden, wenn ich gar nicht richtig auf der Suche war. Zwischen meinen beiden Beziehungen hatte ich noch kurze Spielbeziehungen. Einen habe ich persönlich durch die SMJG kennen gelernt auf einem Treffen und die andere durch die SZ. Also mit der Suche in so Flirt-Communitys habe ich keine so tollen Erfahrungen gemacht. Es gibt viele Leute, die man sehr schnell aussortieren kann. Einfach dadurch, wie, was und worüber sie schreiben. Dann merkt man eben okay, das passt einfach von der Einstellung her nicht zusammen.

Grade wenn geflirtet und geschrieben wird, auf einer Plattform, wo von vornherein klar ist es geht um Partnersuche und Spielen, dann ist einfach die Atmosphäre vom Kennenlernen nicht so toll. Ich finde es viel schöner, wenn man einen Menschen nicht in so einer Atmosphäre, sondern ganz normal auf einem Stammtisch kennen lernt, weil grade in Flirt-Communitys versuchen sich alle immer irgendwie darzustellen. Man selber kann sich dem nicht entziehen und muss sich selber darstellen und den Menschen hinter der Tastatur zu erkennen fällt schwer. Außer die Leute tun einem den Gefallen und sind offensichtlich blöd. ;)

Igel: Hast Du so schlimme Anschreiben in Flirt-Communitys bekommen? Woher kommt Deine Abneigung?

myownspirit: Nein, eigentlich nicht. Ich habe eine Zeitlang in der SZ sowohl nach Subs, als auch nach Doms, sowohl nach Frauen als auch nach Männern gesucht, weil es gewisse Dinge gibt, die ich mir auch mit Männern vorstellen kann. Es ist weniger ein Dom / Sub und mehr ein Männerproblem. Gerade als Frau bekommt man bestimmt noch viel viel mehr doofe Anschreiben, aber ich hatte zumindest auch ein paar sehr unangenehme Gespräche, wo man merkt, der Gesprächspartner hört mir nicht zu, er versucht nur möglichst penetrant zu sein, um mich zu was zu überreden auf das ich eigentlich keinen Bock habe oder alternativ mir nach dem Mund zu reden.

Ich hatte einmal ein relativ langes Gespräch mit einem erwachsenen Mann, dem ich dann immer wieder erklären musste, warum ich keine Lust auf ihn hab und er hat einfach nicht locker gelassen. Auch als ich richtig richtig deutlich wurde, habe ich dann Tage später noch ein Anschreiben von ihm bekommen.

Igel: Gab es denn auch ein besonders positives Erlebnis?

myownspirit: Also, gerade auf der dominanten Seite war es so, dass ich wirklich lange Zeit gar nicht vermutet hätte, dass ich das auch in mir habe. So dieses eine Erlebnis kann ich leider nicht so beschreiben. Für mich ist es einfach viel mehr dieses immer währende Entdecken, was es da so gibt. Der Prozess war sehr positiv für mich. Auch die Erkenntnis einfach zu merken, dass BDSM wirklich funktioniert und allein, dass Sexualität einfach wirklich funktioniert! Das war ein Riesending für mich! Diese Verbundenheit, diese Innigkeit, die man in einer D/S Beziehung spüren kann. Ja, einfach das war wirklich eine große positive Erfahrung für mich.

Ich denke, ich bin schon ein sehr partnerbezogener Mensch, der viel Nähe und Intimität schätzt und daher hatte ich meine schönsten Ergebnisse auch in intimen Momenten mit einem Menschen, den man sehr liebt und wertschätzt gemacht.

Igel: Was ist BDSM für Dich?

myownspirit: Erfüllung, Sexualität, Intimität, Freiheit, vielseitig und vielschichtig.

Igel: Vielen Dank, für Deine Offenheit und Deine Bereitschaft, uns an Deiner Geschichte teilhaben zu lassen!