Interview mit Marquis Le Deuxième geführt von Spätzle

Spätzle: Ich muss gestehen, ich habe vermutlich noch nie mit einem Menschen ein Interview geführt, der so viel Erfahrung in Sachen BDSM hat wie Sie. Wie fange ich unser Interview bloß an? Möchten Sie sich unseren Lesern einfach kurz vorstellen? Wer ist der Marquis?

Marquis Le Deuxième: Man sollte nie jemanden auf einen Sockel stellen, an den man dann selbst nur schlecht heranreichen kann. Erfahrungen sind nicht statisch, gleich wie viel man von ihnen macht, sind sie immer subjektiv in der Verwertung und immer wieder neu mit jedem Menschen, den man kennenlernt.

Wer ich bin, ist schwer in wenigen Worten zu beschreiben. Ich versuche es trotzdem einmal: Ich bin ein reifer, grauer Wolf aus dem Raum Koblenz. Freunde sagen über mich, ich sei alltagsdominant mit recht ausgeprägter sadistischer Neigung, weltoffen, bodenständig, wissbegierig. In Sachen BDSM und im Leben durfte ich schon viele Erfahrungen machen. Ich lebe polygam, das ist nicht zu verwechseln mit polyamor. Ich habe meinen eigenen Stil, bin loyal und zentriert und ein Verfechter von Wahrheit und Werten. Des weiteren bin ich sehr kreativ, habe Kunst und Design studiert, verschiedene Gewerke gelernt und bin selbständig tätig als wohl einziger Male Top mit „Studio für die Frau“, welcher sich über viele Jahre wirklich erfolgreich etablieren konnte. Außerdem lache ich gerne, auch über mich selbst, bin Zyniker, spontan, sportlich und fahre als Altbiker sehr gerne Trike. Meine Hobbys sind Reisen, Kunst, alte Handwerkstechniken, gutes Essen, Weib, Rock, Soul und Metall, Monumentalfilme und Sciencefiction.

Spätzle: Ein Male Top mit „Studio für die Frau“, warum gibt es so wenig von diesen Studios?

Marquis Le Deuxième: Meine Antwort auf diese Frage muss ich gestehen, ist eher spekulativ. Ich würde sagen es liegt daran, dass den meisten Männern die erforderliche passende Grundeinstellung gegenüber den Frauen und der Sache selbst fehlt um erfolgreich diesen Beruf auszuführen (schwierig auszudrücken ohne, dass es nach Selbstbeweihräucherung riecht. Andererseits, der Erfolg gibt mir seit vielen Jahren Recht).

Ich habe in der Zeit, in welcher ich mein Studio betreibe, einige Anfragen von Männern gehabt, mit dem Hintergrund selbst ein Studio eröffnen zu wollen. Meist mit den gleichen Fragen; nämlich was braucht man dafür, was macht man an Techniken im Studio und vorrangig, wie viele Frauen kommen da und was kann man am Tag verdienen? (Allein die Form dieser Fragestellungen ist aus meiner Sicht fernab jeder Grundlage, eine solche Dienstleistung für Frauen realistisch zu erbringen.) Meine Antworten waren ebenfalls meist die gleichen.

Nämlich erst einmal Geld (eine ansprechende Studioeinrichtung kostet richtiges Geld, so man sie nicht selbst herstellen kann). Zum 2. Erfahrung (einen gewissen Bekanntheitsgrad mit der Referenz, dass Erfahrung wirklich real vorhanden ist). Zum 3. den Willen, tatsächlich professionell zu arbeiten und viel, viel, viel zu lernen. Fachliteratur, sexualwissenschaftliches, psychologisches Hintergrundwissen, Körpersprache, Anatomie generell, usw.. Dazu kommt Durchhaltevermögen (denn es dauert wirklich sehr lange bis man, hauptsächlich über Mundpropaganda, einen weiblichen Gästekreis gewonnen hat). Und nebenbei sollte man(n) aus meiner Sicht ein durchaus ansprechendes, gepflegtes, sportliches Erscheinungsbild haben, einen mindestens gut durchschnittlichen Intellekt mitbringen, idealerweise ein wenig ein Frauentyp und auf jedem Fall ein empathischer Mensch sein. Dominanz und Sadismus sollten real vorhanden sein, um sie im Rahmen der Dienstleistung auch real „zur Verfügung“ stellen zu können.

Nach diesen Antworten, welche aus meiner Sicht tatsächlich, neben vielen anderen Punkten erst eine reale Basis darstellen, Aussicht auf Erfolg zu haben es, war das Interesse, einen solchen Beruf auszuüben, wieder recht schnell verschwunden. Es ist aus meiner Sicht etwas gänzlich anderes als Domina, ein männliches Klientel zu bekommen als für einen Male Top ein weibliches Klientel. Da es für Männer unter anderem schon seit hunderten Jahren eher normal ist, sexuelle Dienstleistungen gleich in welcher Form in Anspruch zu nehmen. Während es für viele Frauen auch heute trotz aller Emanzipation immer noch ein riesen Schritt bedeutet und viel Mut kostet, eine Dienstleistung in einem männlich geführten Studio in Anspruch zu nehmen. Ich bewundere den Mut der Frauen, diesen Schritt zu gehen sehr. Zumal sie, aufgrund der noch immer bestehenden Klischees ganz andere Kämpfe auf gefühlsmäßiger Ebene mit sich selbst führen als, das die meisten Männer tun würden, würden sie den selben Schritt machen. Ja ich denke, es ist tatsächlich die Grundeinstellung und eine Berufung, diesen Beruf der Art ausführen zu wollen und tatsächlich zu können. Und das wollen oder können nicht viele.

Spätzle: Wie und wann haben Sie selber bei sich bemerkt, dass Sie eine Affinität zu BDSM haben?

Marquis Le Deuxième: Die Affinität hatte ich schon, seit ich zurück denken kann, im Alter von 17 /18 Jahren bekamen sie ein Gesicht und einen Namen, weil ich das Glück hatte (zu jener Zeit gab´s das Net noch nicht) Menschen zu treffen, welche BDSM in einer Interessengemeinschaft auslebten und mich in ihren Kreis aufnahmen.

Spätzle: Haben Sie jemals mit Ihrer Neigung gehadert?

Marquis Le Deuxième: Ja sehr oft und lange bevor meine Neigungen/Veranlagungen für mich ein Gesicht und einen Namen bekamen und ich sie als Teil meiner Persönlichkeit für mich annehmen konnte.

Des weiteren vor vielen Jahren, als ich experimentell und sehr exzessiv für 4 Jahre und 24 /7 auf die passive Seite wechselte. Eine spannende Zeit, von der ich keine Sekunde missen möchte, da ich auch in dieser Zeit sehr viel, vor allen Dingen über mich und meine tatsächlichen Grenzen gelernt habe. Ich lernte, wie verschiedene Praktiken auf die Psyche und im Körper wirken können, welche ich als Aktiver im Grunde ja nur über ein gewisses Feedback bzw. durch Beobachtung von Außenwirkung registrieren konnte. Ich habe aber auch in dieser Zeit ganz klar für mich festgestellt, dass es keine Variable im BDSM gibt, welche ich sexuell auf passiver Ebene habe umsetzen können. Was für mich auch in dieser Zeit den Ausschlag gab, mit meinen Neigungen (aktive Seite) zu hadern war, dass für mich nicht zu verstehen war, woraus meine passiven Gegenüber ihre sexuellen Gefühle strukturieren oder für sich herausziehen. Mein Sadismus fühlte sich in dieser Phase im Bezug auf meinen Grundcharakter, wie ich ihn von mir kenne, nicht gut an. Ich habe als Sadist Freude daran und es macht mich geil, jemanden wirklich leiden zu lassen, jedoch nicht daran, ihm bösartig zu schaden. Hier stand ich mir nach meinem 4-jährigen Experiment selbst im Weg.

Es war für mich ein wenig, wie zu den Ursprüngen zurück zu gehen und zu verinnerlichen, dass meine Neigungen und Veranlagungen ein Teil meiner Persönlichkeit sind und so auch eine eigenständige Sexualität neben der normalen Sexualität beinhalten. Das beide für mich ein Grundbedürfnis darstellen. Und vor allen Dingen, dass sich diese auch ausleben und teilen lassen, ohne Schaden anzurichten.

Auch war ich zu jener Zeit mit einer Frau zusammen, welche ich sehr liebte und die mit SM nichts anfangen konnte. Welche durchaus aus Liebe für mich gelitten hat, ohne jedoch etwas in irgendeiner Form sexualisieren zu können. Ich habe versucht, für sie meine Neigungen zu verdrängen, was sich für mich als unmöglich herausstellte. Wir haben uns damals recht schmerzlich getrennt und sind heute wirklich gute Freunde.

Spätzle: Wie viele Jahre leben Sie BDSM denn schon aus?

Marquis Le Deuxième: Von dem Zeitpunkt aus gerechnet, als BDSM für mich und meine Neigungen einen Namen bekam, ca. 45 Jahre. Zu meinen Anfängen in der Regel mit durchaus älteren Frauen, heutzutage gerne überwiegend mit Jüngeren.

Spätzle: Warum waren das denn zu Anfang durchaus ältere Frauen und heute gerne überwiegend Jüngere?

Marquis Le Deuxième: Reifere Frauen hatten einfach mehr Reiz, waren sozusagen ausgewachsen, sexuell reifer, lebenserfahrener, beständiger, (zu der Zeit: ich 18-20 Jahre, sie 30-45 Jahre).Ich habe in meinem Leben immer gern und viel von Frauen und über Frauen und so auch über deren Sexualität gelernt.

Warum heute jünger? Also auch wiederum gerne 35 bis 50 Jahre (das sind nur Fix- oder Erfahrungsdaten und nicht in Stein gemeißelt, da ich unvoreingenommen jedem Menschen und Alter gegenüber offen bin, ihn kennen zu lernen so er, das möchte oder es sich ergibt. Daraus kann sich alles oder nichts ergeben), weil der Umgang mit jüngeren Menschen mich selbst im Kopf jung hält, weil die körperliche Ästhetik im Schnitt (für mich) ansprechender ist (ich selbst bin ein recht sportlicher, agiler, spontaner Mensch). Weil sie erlebnishungriger, agiler, lebensbejahender sind (auch wenn es jetzt böse klingt), ihre Sexualität nicht nur noch im Kopf wach ist, sondern auch der Körper noch im Bezug auf Beweglichkeit, Agilität usw. mitspielt. (Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel)

Spätzle: Und wenn nun ein Mensch, der gerade ganz frisch seine Neigungen entdeckt, auf Sie zukommt und Sie fragt, was er oder sie besonders beachten sollte, was würden Sie diesem Menschen sagen?

Marquis Le Deuxième: Dass er sich von niemandem jemals sagen lassen soll, was in diesem Bereich und Kontext vermeintlich Usus ist, was er tun oder befolgen muss. Dass er sich im realen Leben Menschen suchen soll, die mit dem Thema zu tun haben (Stammtische, Partys, Treffen usw.) um darüber zwanglos zu plaudern. Denn sieht man den Menschen mit dem man spricht, weiß man auch oft schnell, was man von den Inhalten des Gespräches zu halten hat. Dass das Internet in seiner Anonymität und Vielfalt der Aussagen häufig mehr verunsichert, als es gut tut. Dass er nur maximal 10% von allen Klischees als wahr nehmen soll, welche im Net kursieren, es sei denn sie gefallen ihm, um eigenes Empfinden auszuleben.

Dass es immer seine bewusste Entscheidung sein soll, etwas zuzulassen oder nicht. Und ja, unter dieser Prämisse, dass wenn er auf interessante und vertrauenswürdige Menschen trifft, einfach mal etwas experimentieren soll, denn zu lange aufgestaute Fantasien verursachen oft zu großen Hunger, der leichtsinnig werden lässt.

Spätzle: In der heutigen Zeit gibt es ja unzählige Möglichkeiten im Internet, sich über BDSM zu informieren und mit BDSMlern in Kontakt zu kommen. Wie lief das denn früher ab, wie kann man sich das vorstellen?

Marquis Le Deuxième: Das Informieren über BDSM war früher weitaus schwieriger und man musste sich eher an Fachbücher halten, bzw. man las diverse Romane, insofern sie nicht auf dem Index standen. Das Kontakten gleich oder ähnlich geneigter Personen gestaltete sich durchaus schwieriger, man war auf verdeckte Kleinanzeigen in Zeitungen oder Anzeigen in einschlägigen Kontaktmagazinen angewiesen. Wobei ich allerdings sagen muss, dass die Qualität der Resonanzen besser war, als in der heutigen Zeit.

Spätzle: Wie hat sich Ihr BDSM im Laufe der Zeit weiterentwickelt bzw. verändert?

Marquis Le Deuxième: Die Grundeinstellung und das Ausleben meines BDSM hat sich über die Jahre nicht wirklich viel verändert. Natürlich musste ich verschiedene Variablen meinen privaten und gewerblichen Gegebenheiten anpassen. Doch meine grundsätzliche Einstellung hat sich dadurch nicht geändert. Ich habe mit den Jahren viele Praktiken und Erkenntnisse durch meine doch recht vielschichtigen Erfahrungen dazugelernt. Sie haben mir die Möglichkeiten eröffnet, mich breiter und intensiver auszuleben. Doch meine Grundeinstellung zu lernen und zu lehren, anderen, so sie es wünschen, zu helfen sich zu finden und oder intensiver auszuleben hat sich nicht geändert. Zumal ich sehr dankbar bin, schon in recht frühen Jahren reife und erfahrene Menschen kennengelernt zu haben, welche genau diese Grundeinstellung im BDSM hatten und auch praktizierten (und nicht nur dort).

Spätzle: Hat sich BDSM allgemein bzw. die BDSM Szene über die Jahre hinweg verändert?

Marquis Le Deuxième: Aus meiner Sicht gab es noch niemals eine sogenannte BDSM Szene. Es sind heute wie früher überwiegend einzelne Menschen mit unterschiedlichen Neigungen oder Veranlagungen, die einander suchen oder sich in maximal kleinen Gruppen treffen, um ihre Neigungen auszuleben. BDSM hat sich über die Jahre aus meiner Sicht nicht geändert, wobei in früheren Jahren es diesen Begriff auch gar nicht gab, sondern lediglich SM und auch entsprechend die Schwerpunkte in Sado-Masochistischen Neigungen und Handlungen zu finden waren. DS Anteile wurden zwar auch gelebt, jedoch kaum diskutiert, da es überwiegend lediglich ein definiertes Oben und Unten, Top und Bottom gab. Ob ich die Entwicklung, BDSM gesellschaftsfähig zu machen, gutheißen soll kann ich nicht sagen. Es hat vor und Nachteile. Einer der Vorteile für mich war sicherlich, dass ich die Möglichkeit hatte, mein Studio zu etablieren und über die Jahre zu halten. Einer der Nachteile ist sicherlich, dass es viel schwerer ist, das passende Pendant (also mehr veranlagte als geneigte SMler, die BDSM wirklich leben wollen) aus der Masse Menschen und User, welche sich in diesem Bereich publizieren, herauszufiltern. Unter anderem weil sich im Gegensatz zu früheren Jahren Definitionen zu gewünschten Formen des Auslebens sehr gewandelt haben und aus meiner Sicht schwammig geworden sind. Was viele meinerGäste auch so berichten.

Spätzle: Sind Sie auch schon mit Vorurteilen gegen BDSM konfrontiert worden?

Marquis Le Deuxième: Nein, ich habe mich um meine Neigungen (nachdem ich sie für mich bestimmen konnte) schon immer normal und einfach selbstverständlich ausgelebt. Ich bin nicht damit hausieren gegangen, habe immer sehr großen Wert darauf gelegt, unbeteiligte Dritte nicht damit zu tangieren. Habe sie aber auch nicht verheimlicht. Ich hatte für Menschen, die mich aus Interesse danach gefragt haben, gerne immer offene Antworten und Erklärungen, möglichst weit ab von jeglichem Klischee.

Spätzle: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, BDSM als Dienstleistung anzubieten?

Marquis Le Deuxième: Ich bin niemals auf die Idee gekommen, BDSM als Dienstleistung anzubieten. Das war eine Entwicklung, welche sich im Grunde und in den Anfängen, als BDSM in der Öffentlichkeit immer mehr publiziert wurde, ergeben hat. Ich habe Kunst und Design studiert, bereits vor 38 Jahren angefangen, SM Möbel zu entwerfen und auch zu bauen, die ich unter anderem auch heute noch auf Kundenwunsch kreiere und verkaufe. Welche ich dann auf den ersten Erotikmessen, die es in Deutschland gab, auch ausstellte. Parallel dazu machte ich auf diesen Messen BDSM Performances auf den Messebühnen oder in speziellen Schaukabinen.

Die Resonanz der Menschen auf diese Performances waren sehr positiv, da sie sehr wenig mit den damaligen Klischees gemein hatten (z.B. dass BDSM etwas Gewaltverherrlichendes oder Brutales sei) Wir wurden sehr oft angesprochen, ob es möglich sei, diese Art der Bizarren-Erotik näher kennen zu lernen. Ich gab daraufhin erste private BDSM Partys, später auch einige größere Öffentliche (die Nacht des Marquis). Auf diesen Partys stellten ich und die Meinen (ich hatte schon immer mehrere Partnerinnen) allerdings auch sehr schnell fest, dass viele Menschen vom Stamme NIMM sind, gerne Erfahrungen sammeln wollen, sich auf Kosten anderer bespaßen lassen, ohne selbst etwas von sich zu geben.

Da ich zu diesem Zeitpunkt doch schon sehr viele reale Erfahrungen gesammelt hatte, unter anderem auch oder besser gesagt, hauptsächlich durch die damals schon fast 10-jährige Mitgliedschaft in der bereits erwähnten BDSM Interessengemeinschaft, wurde ich durch eine der Meinen mit der Nase darauf gestoßen, mein Wissen und meine Erfahrung nicht einfach zu verschleudern. Sondern Menschen anzubieten, wenn auch gegen einen Obolus, die wirklich Interesse daran hatten, ihre Neigungen kennen zu lernen und auszuleben. Da ich rein hetero bin, richtete ich mein Angebot exklusiv an die Frau und Paare, bei welchen der weibliche Part auf der passiven Seite ist. Das war in etwa der Zeitpunkt vor nunmehr ca. rund 27 Jahren, als ich anfing meine Tätigkeit als professioneller Top anzubieten. Heute habe ich Gäste aus Deutschland, der Schweiz, Österreich den Niederlanden und Benelux.

Spätzle: Hat BDSM nie irgendwann etwas von seiner Faszination eingebüßt, wenn Sie es sozusagen zu ihrem Beruf gemacht haben?

Marquis Le Deuxième: Nein, nie, im Gegenteil… ich wünschte ich hätte noch 100 Jahre Zeit, um weiter zu lernen und zu erleben und natürlich auch um meine Erfahrungen zu teilen. Auch wenn man Techniken erlernen, verfeinern und auf „einen“ Menschen individuell anpassen kann, sie sich somit durchaus wiederholen können, wirkt ein und dieselbe Technik oft bei ein und demselben Menschen je nach Tagesform, Vorspiel, Umgebung immer wieder anders.

BDSM findet im Kopf statt, getragen von Gefühlen, der Körper ist nur Werkzeug, um die Reize zu verstärken und oder umzusetzen, auslebbar zu machen… So ist die Faszination, heraus zu finden wie ein Mensch in seinen Neigungen tickt, wie er sie erlebt, wie man sie locken und ausbauen kann, damit der Part sich in ihnen auch wiederfindet und sich mit ihnen wohl fühlt, immer wieder neu. Zumal ja auch Veranlagungen/Neigungen nicht statisch sind, sondern sich sehr unterschiedlich entwickeln während des Auslebens und mit dem Menschen... Das ist so bei meinen Partnerinnen und auch bei meinem Klientel im Studio. Bei Fetischen sehe ich das etwas anders, sie sind oft an Materialien oder Szenarien gebunden, um den gewünschten Kink auszuleben.

Spätzle: Treffen Sie denn auch eine Auswahl unter den Kundinnen? Haben Sie auch schon

Kundinnen abgelehnt?

Marquis Le Deuxième: Im Grundsatz betreibe ich mein Studio und meine Dienstleistung ja, damit Frauen und Paare Erfahrungen machen können und Dinge erleben können, wozu sie sonst kaum oder keine Möglichkeiten haben. Daher ist meine Grundeinstellung erst einmal dahingehend, dass auch jeder Mensch der zu mir kommt, die Möglichkeit dafür erhalten soll. Ich habe über die vielen Jahre die Erfahrung gemacht, mit den allermeisten meiner Gäste auch auf lange Sicht sehr gut auszukommen. Es mag vielleicht daran liegen, dass ich die Fähigkeit besitze, Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Ideal ist es natürlich, wenn eine Grundsympathie gegeben ist. Das war bisher meistens der Fall.

Ich biete ja unter anderem vor jeder neuen Begegnung ein unverbindliches Vorgespräch an, aus welchem es sich ergibt, ob der Gast oder die Gäste sich in meiner Gegenwart und in meinem Studio wohl und gut aufgehoben fühlen, oder nicht. So, dass auch sie meist die Entscheidung treffen, zu bleiben oder zu gehen. Über 90 % bleiben. Grundsätzlich behalte ich mir vor, auch von meiner Seite her Gäste abzulehnen. Somit ja, ich treffe durchaus eine eigene Auswahl. Ja, ich habe auch schon Gäste abgelehnt, wenn auch extrem wenige in den vielen Jahren. Das passte einfach nicht, hätte meinem Gast und mir nichts gebracht.

Spätzle: Wie läuft so eine Session bei Ihnen ab, wie darf man sich das vorstellen?

Marquis Le Deuxième: Ich habe absolut kein Programm, weder für Einsteiger noch für Fortgeschrittene. Die Basic ist, mein Gegenüber kennen zu lernen, meist in einem Vorgespräch, jedoch auch häufig während einer Session selbst. Wie schon erwähnt, habe ich mein Leben lang (ausgenommen der gefühlt unzähligen Bücher, welche ich über SM, Sexualität und Sexualwissenschaft gelesen habe) von Frauen gelernt, welche Bedürfnisse sie in ihren Neigungen und in ihrer Sexualität haben vor allem Dingen wie diese zu befriedigen sind. Auch hatte schon immer die besondere Gabe, Körpersprache zu lesen und mich in meine Gegenüber einzufühlen (Ich denke, das braucht ein Sadist auch). Desweiteren habe ich die Gabe, so wie ich aus vielen Feedbacks meiner Gäste weiß, dass meine Gegenüber mich schon nach wenigen Minuten nicht mehr als fremden Mann sehen und fühlen.

Es ist natürlich auch sehr unterschiedlich, mit welchen Wünschen, Bedürfnissen und Neigungen meine Gäste an mich herantreten. Auch wenn ich auf der einen Seite ganz klar Dienstleister bin und in jedem Fall bestrebt, Wünsche und Bedürfnisse im Rahmen der vorhandenen Neigungen zu erfüllen, sehe ich dieses jedoch immer nur als Ziel eines oder mehrerer Besuche bei mir. Wobei ich den Weg dorthin, für mich komplett offen halte. Für Menschen, welche mit einem detaillierten Zeitplan und fixierten Szenario zu mir kommen, was gottlob sehr selten ist, bin ich dann eher der falsche Ansprechpartner.

In einer Kurzfassung könnte man Deine Frage beantworten, begrüßen, etwas gemütlich plaudern, beobachten, kennen-lernen und möglichst das tun, was beiden eine höchst mögliche Befriedigung verschafft, wobei das Wohlgefühl und die Befriedigung meines Gastes natürlich im Vordergrund steht.

Spätzle: Haben Sie ein bestimmtes Lieblingsinstrument oder eine Lieblingspraktik?

Marquis Le Deuxième: Nein, habe ich nicht wirklich, da Gerät und Praktik für mich eher Mittel zum Zweck sind mir und meinem Gegenüber Lust und Befriedigung zu verschaffen und ich diese entsprechend wähle. Grundsätzlich jedoch könnte man sagen, dass ich durchaus ein passionierter Flagellant bin, der insbesondere Peitschen mag, nicht zuletzt da ich diese auch individuell und praxisnah selbst herstelle, auch zum Verkauf und dieses Equipment auch wirklich gut beherrsche. So haben viele meiner Gäste ihre eigenen Lieblinge.

Spätzle: Wie gehen Sie mit einem Absturz der Sub um?

Marquis Le Deuxième: Auch diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt Menschen, die brauchen nach einem Absturz Distanz, Abstand, um sich selbst mit der Situation auseinanderzusetzen. Andere benötigen ganz viel Nähe und Aufmerksamkeit und andere wiederum zwingend ein Gespräch. Wichtig für mich ist, wenn ich in eine solche Situation komme, (was bis her im Verhältnis recht selten war) für mein Gegenüber da zu sein egal in welcher Form, bis es sich wieder gefangen und die Situation tatsächlich für sich geklärt hat. Ungleich wie lange das dauert.

Spätzle: An anderer Stelle sprachen Sie einmal von Ritual BDSM. Ist das eine besondere Art von BDSM? Wie unterscheidet sie sich von "normalem" BDSM?

Marquis Le Deuxième: Diese Frage muss ich man sogleich mit einer Gegenfrage beantworten, nämlich was ist normales BDSM? Ich denke es gibt kein normales BDSM. Es gibt immer nur ein individuelles BDSM zwischen einem oder mehreren Partnern (oder bei mir im Studiobereich halt überwiegend zwischen 2 Menschen).

Rituales- BDSM ist eine Form des SM, wie ich es vor vielen Jahren kennen und lieben gelernt habe, welches dahingehend ausgelegt ist, durch Lehren und Lernen zu ermöglichen, sich in seinen Neigungen und Veranlagungen möglichst intensiv kennen zu lernen, diese für sich anzunehmen, zu verinnerlichen, um sie wiederum möglichst exzessiv auszuleben.

Riten, Regeln und Rituale bildeten (bilden auch heute noch insbesondere für mich) einen stilvollen Rahmen und eine Bewegungsebene dafür. In dieser Interessengemeinschaft waren Regeln und Rituale, man kann sagen eine Art Hausordnung, welche für jeden in der Interessengemeinschaft gültig waren, um eine Ebene zu schaffen, auf der sich alle etablieren konnten, um einen sehr höflichen, feierlichen Umgang miteinander zu pflegen.

Im Grunde so zu verstehen wie eine normale Hausordnung, welche dafür Sorge trägt, dass die Mieter einen gepflegten Umgang miteinander haben, letztendlich sich aber trotz alledem individuell und frei in ihren Neigungen bewegen konnten. Bedeutend für mich war an dieser Form des Auslebens von BDSM die Regel, dass es zwei Hierarchien in der Interessengemeinschaft gab, nämlich nicht nur auf der passiven Seite, wie zum Beispiel Novizin, Sub. Sklavin, sondern auch auf der aktiven Seite nicht ein Master immer ein Master war, sondern ebenfalls ein Weg praktiziert wurde vom Spieler über weitere Stadien bis zum Master. Diese Stadien wurden auf beiden Seiten mit sehr feierlichen Ritualen verliehen. Ein großer Vorteil für Bottom/Top waren diese Hierarchien, da sich anhand der Stadien relativ gut ablesen ließ, wie erfahren oder unerfahren das Gegenüber innerhalb der Interessengemeinschaft tatsächlich war (natürlich sind diese Stadien und Rituale nicht allgemeingültig für BDSMler generell, sondern ausschließlich für Mitglieder der Interessengemeinschaft).

An dieser Stelle möchte ich jedoch nicht weiter ins Detail gehen, da diese Interessengemeinschaft zum Teil bzw. in Teilen immer noch besteht und es gewünscht ist, die Interna der Interessengemeinschaft nicht zu publizieren oder zu bewerben um weiterhin in einem möglichst elitären Rahmen zu halten.

Spätzle: Wie schaffen Sie es, zwischen privatem und geschäftlichem BDSM zu trennen?

Marquis Le Deuxième: Es ist die Disziplin in der Professionalität, die mich das trennen lässt. Meine Gäste kommen zu mir, um sich zu finden, um ihre Neigungen zu definieren, ihre Neigungen auszuleben, sich zu erleben und vieles mehr. Sie kommen nicht zu mir, um mit mir eine Beziehung zu beginnen. Sie kommen zu mir, weil ich professionell in der Lage bin, mich auf mein Gegenüber einzulassen, ihm oft sehr, sehr nahe komme und dennoch die Unverbindlichkeit garantieren kann. Auch unterstreicht der Obolus, welcher gezahlt wird für meine Dienstleistung, diese Unverbindlichkeit und Basis der Begegnung. Es hilft meinen Gästen unter anderem auch, bei sich zu bleiben und sich auf ihr eigenes Fühlen und Fallenlassen zu konzentrieren, was ohne diese Unverbindlichkeit in dem Rahmen und Ausmaß teilweise gar nicht möglich wäre (auch wenn es ein wenig paradox klingt, es ist so). Natürlich gibt es Gäste, vor allem langjährige (ich habe Gäste, welche bereits schon über 10 Jahre immer wieder zu mir kommen), welchen ich durchaus mental verbunden bin und schon auf fast freundschaftlicher Ebene begegne. Auch habe ich sehr attraktive und auch wesentlich jüngere Gäste. Doch das ändert letztendlich nichts an dem, was ich bin. Nämlich professioneller Dienstleister.

Und natürlich gibt es im Rahmen meiner Dienstleistung durchaus einige Variablen und Praktiken, welche ich nicht in meinem offiziellen Repertoire habe und ich im Rahmen meiner Dienstleistung auch nicht praktiziere, denen ich privat jedoch sehr gerne fröne. Doch darauf möchte ich hier im Interview nicht näher eingehen. Abschließend; Ich denke ich schaffe das, trotz vieler Verlockungen, weil ich mir in meinem Sein und dem Wissen um meine Professionalität einfach treu bleibe.

Spätzle: Gibt es denn ein besonders lustiges Erlebnis, dass Sie mit uns teilen möchten?

(BDSM Missgeschick, Missverständnis oder ähnliches)

Marquis Le Deuxième: Ja da gab es einige, lustige sowie auch Missgeschicke (letztere eher in früheren Jahren), da viele davon jedoch auch Wiedererkennungswert haben, möchte ich sie aus Diskretionsgründen nicht veröffentlichen.

Ein Missgeschick jedoch, welches mir vor etlichen Jahren passierte, möchte ich auch gleich mit einem wirklichen Sicherheitshinweis preisgeben. Ich hatte mal eine Bottom auf einem Strafbock fixiert und ein durchaus feines Spanking gemacht, um das Wachs, welches ich zuvor reichlich auf dem süßen Achtern verteilt hatte, herunter zu schlagen. Als ich bei diesem Geschehen so richtig schön ausholte, um mit Schwung den nächsten Treffer zu landen, rutschte ich auf dem Wachs, welcher sich auf einem Fliesenboden befand aus, knallte mit dem Kopf gegen ein Sideboard und brach mir gleichzeitig den Mittelhandknochen der rechten Hand. Der Aufprall auf den Schrank war derart heftig, dass ich wohl einige Minuten das Bewusstsein verlor und meine gebrochene Hand hinderte mich nach dem Aufwachen daran, das Gewicht der mittlerweile panisch gewordenen Bottom so zu verlagern, um die Spannung aus Hand- und Fußfesselungen herauszunehmen, diese zu lösen oder die Karabiner zu öffnen.

Mir blieb in der Tat nichts anderes übrig, als den Notarzt zu rufen, welcher meine Bottom aus einer misslichen Lage befreite und mich mit einer schweren Gehirnerschütterung ins Krankenhaus beförderte.

Mein Sicherheitshinweis: Egal wie sicher Top sich fühlen mag, es kann auch ihm immer irgendetwas unvorhergesehenes passieren, was ihn außer Gefecht setzen kann und ich sehe es als absolut wichtig an, jegliche Fixierung in der Art zu gestalten, dass Bottom zumindest die Möglichkeit hat, wenn gegebenenfalls auch mit etwas Mühe, eine Hand zu befreien, um sich dann weiter aus seiner Fixierung lösen zu können. Ich verwende daher, auch wenn es ein bisschen blöd aussieht, Panikhaken, welche für kleines Geld auch in guten Ausführungen im Pferdesport Zubehör zu erhalten sind.

Ich mache keine High-End Fixierungen, wenn nicht eine 3. unbeteiligte Person in irgendeiner Form anwesend ist, oder Bottom egal wie auch immer die Möglichkeit hat, ein Handy zu erreichen (entweder in der Nähe der Hand anbringen, z.B. mit Klettband an einen Pfosten oder Kette oder Schnur hängen. Wie gesagt bei High-End Fixierungen wenn keine eigene Befreiungsmöglichkeit besteht.)

Mittlerweile sind auch die von mir kreierten BDSM Equipment (Möbel), welche High-End Fixierungsmöglichkeiten bieten, in der Art konzipiert, dass es immer irgendeine Sicherheitsvariable für den Bottom gibt, insofern sie denn seitens des Top verwendet wird.

Spätzle: Vielen herzlichen Dank für dieses schöne Interview und die interessanten Einblicke in Ihr Leben und in Ihre berufliche Tätigkeit. Es hat mir sehr viel Freude gemacht.

Marquis Le Deuxième: Vielen Dank mir auch.

Spätzle: Liebe Leserinnen und Leser, bestimmt habt ihr auch noch die eine oder andere Frage, die euch beim Lesen des Interviews in den Sinn gekommen ist und die euch jetzt unter den Nägeln brennt. Da unser Marquis Le Deuxième zwar sadistisch ist, aber nach eigenen Angaben immer bestrebt ist, auf eine sehr liebevolle Weise und seine ganz besondere Art böse zu sein, hat er mir versichert, dass ich mich auch mit weiteren Fragen aus dem Leserkreis an ihn wenden kann und es dann sogar eine kleine Fortsetzung des Interviews geben wird.

Also, worauf wartet ihr? Schickt mir eure Fragen im Forum per PN und ich leite sie dann gesammelt weiter.