Interview mit Torben geführt durch Spätzle

Spätzle: Hallo Torben, wie würdest du dich selbst beschreiben und wie alt bist du?

Torben: Ich bin Anfang 40, drahtig gebaut, männlich und blind. Selbstbeschreibungen sind so eine Sache für mich, da fällt mir nie etwas Passendes ein – ich denke eher unscheinbar, nicht auffallend im normalen Leben (einmal abgesehen von meinem Blindenstock), aber wenn ich unter Leuten bin, die von meiner Neigung wissen, dann bin ich doch eher ein bunter Hund. Es ist doch eher außergewöhnlich, einen blinden Dominus in einem Szenelokal zu haben. Ab und an stelle ich mir dann schon auch die Frage, ob ich generell richtig in der BDSM - Welt bin, andererseits gibt es da ja keine wirkliche Abgrenzung und somit lebe ich es einfach aus.

Spätzle: Wie waren denn deine Erfahrungen bislang im BDSM Bereich?

Torben: Tja, da gibt es leider nicht nur im normalen Single-Bereich Vorurteile und Berührungsängste, sondern ich erlebe es leider immer wieder selbst, dass es im BDSM Bereich noch mehr Oberflächlichkeit gibt. Vielleicht kann ich mit diesem Interview einige Vorurteile aus dem Weg schaffen und dem einen oder anderen dabei helfen, so eine Chance zu bekommen.

Spätzle: Welche Unterschiede gibt es denn im Single Bereich und im BDSM Bereich?

Torben: Gute Erfahrungen habe ich bisher nur vereinzelt gemacht, wo es auf normalen Plattformen hieß: „Ja und, ist sicher schwer, aber irgendwie machbar“, nur war da eben kein BDSM dabei und das war deshalb leider eine Beziehung, die schon zum Scheitern verurteilt war. Auf BDSM Plattformen ist eher das Problem – so sehe ich es eben – das es sofort Misstrauen gibt, dass ein Blinder nicht die dominante Seite übernehmen kann.

In 99% der Fälle ist deswegen nach diesem „Gesundheitsouting” gleich mal Schluss, der Rest ist eben der, dass ich doch sehr schlank bin und dass es vielleicht die Angst gibt, mich zu erdrücken (aber das ist auch unbegründet) ????

Jeder will körperlich den perfekten Partner, kaum jemand sieht dann im Internet den ganzen Menschen hinter dem Bildschirm sitzen, oder?

Spätzle: Ja, manchmal scheint dass so zu sein. Wie bist du denn zu BDSM gekommen?

Torben: Es ist so gewesen das ich nach meiner Scheidung (2011) über eine normale Plattform eine doch sehr junge Frau kennengelernt habe (Sextreffen), die mir nach dem zweiten oder dritten Mal fast schon beiläufig mitgeteilt hat, dass sie eben devot veranlagt ist und auch eine kleine masochistische Ader hat.

Dass ich schon immer etwas härteren Sex wollte war mir klar, aber mit dem Thema maso und devot habe ich mich bis zu diesem Zeitpunkt kaum auseinandergesetzt.

Es war eben so, dass sie dann das erste Mal Handschellen mitgebracht hat und mich dazu ermutigt hat, diese auch ins Spiel einzubinden.

Nach und nach kam dann die eine oder andere Aufforderung, dieses und jenes mit ihr zu tun – Handfesseln kamen dann auch irgendwann ins Spiel usw.

So gesehen hat sie mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht und ich muss ihr da sehr dankbar sein.

Irgendwie bin ich dann immer „mutiger” geworden, habe dann dieses und jenes weiter versucht – das Ende vom Lied war dann die Erkenntnis, dass diese Fixierungen und auch S/M Praktiken genau dieser winzige Teil gewesen ist, der mir in der Sexualität gefehlt hat. Sozusagen das letzte Puzzlestück oder der letzte fehlende Stein in einem Mosaik.

Diese Spielgefährtin hat mir sozusagen dieses Wunderland gezeigt, aber leider musste Sie aus beruflichen Gründen übersiedeln und somit war die Sache nach einigen Monaten vorbei.

Nach einigen kürzeren BDSM Beziehungen (wenn man sie überhaupt so nennen kann von der Länge her) versuchte ich zwar eine „normale” Beziehung, habe dann aber erkannt, dass ich so gesehen damit nicht glücklich gewesen bin.

Spätzle: Und was treibst du so, wenn du gerade nicht eine Sub bespielst?

Torben: Nun, da ich ja schon länger auf der Suche bin, habe ich niemanden, der bespielt wird, aber um zur eigentlichen Frage zurückzukommen:

Es ist so, dass ich eben durch Krankheit erblindet bin und seither in Frührente (bei uns in Österreich heißt das Berufsunfähigkeitspension) bin und somit meinen Tag schön frei einteilen kann.

Das mag zwar wunderbar klingen, aber dadurch, dass ich ja alleine und selbstständig lebe, mache ich eben alles, was so dazugehört, wie ein normal Sehender. Dazu gehört z.B. auch Wohnung putzen, Einkaufen gehen, Kochen usw.

Ja, und vielleicht auch um diese Frage zu beantworten: Ich kann mir selbst die Zähne putzen und mich auch selbst duschen bzw. brauche da keine Hilfe (dies wurde ich einmal ernsthaft nach 3 Tagen reger Konversation gefragt, obwohl ich da geschrieben habe, dass ich komplett alleine lebe). Einige Zeit bin ich natürlich auch im Internet tätig, um vielleicht jemanden passenden zu suchen, aber es gestaltet sich doch sehr schwierig, denn anscheinend ist es wohl nicht kompatibel, das ein Blinder dominante und auch teilweise sadistische Neigungen hat und diese auch ausleben kann.

Spätzle: Hattest Du schon einmal ein ganz besonderes Erlebnis in einer Session?

Torben: Also ein Erlebnis wird mir wohl für immer eingebrannt bleiben, das war wie folgt:

Ich habe mich mit der Dame getroffen, es war recht angenehm mit ihr zu plaudern und somit haben wir uns geeinigt, zu mir nach Hause zu gehen und uns gegenseitig weiter zu beschnuppern.

Nun, es war zu Beginn des Ganzen, wo sie schon teilweise gefesselt war, ich habe ihr noch versucht zu sagen, wie sie mich während der Session anzureden hat – mit den Worten „Ja oder eben Nein mein Herr”, um dem ganzen Nachdruck zu verleihen, habe ich sie eben gefragt, ob sie mich verstanden hat, da meinte sie „Nein.”

Gut, das war einmal der Einsatz für mich, um das Lineal einzusetzen.

Ich habe ihr dann nochmals schärfer eingeredet, wie sie mich nennen soll – und zwar mit „mein Herr”, da kam dann von ihr wortwörtlich: „Das sage ich nicht, denn das mache ich nur, wenn ich am Sonntag, wenn ich bete, in der Kirche bin.”

So, damals – noch eher unerfahren - war ich irgendwie mit dem ganzen etwas überfordert, wusste nicht ob sie mich reizen will oder ob sie das ernst meint, Anfängerin war sie ja keine und es gab von ihrer Seite auch keinen Hinweis davor, dass sie bestimmte Wörter nicht will. Da stand ich jetzt, ordentlich verdutzt und sie beharrte weiter darauf, mich mit Herrschaft anzureden, was mich wiederum an den Stammtisch im Wirtshaus erinnerte.

Ich habe schließlich abgebrochen, es war in dieser Situation für mich ungefähr so, wie wenn mir jemand ein Brett an den Kopf knallt.

Irgendwie war es auch ganz gut so im Nachhinein betrachtet, denn im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass wir überhaupt nicht zusammengepasst hätten.

Spätzle: Du suchst ja aktuell eine Partnerin, was genau suchst du und was bietest du?

Torben: Was ich suche, ist irgendwie schwer in Worte zu fassen, aber ich versuche es einmal. Im Grunde ist BDSM für mich zwar sehr wichtig in der Sexualität, aber auch außerhalb von BDSM suche ich schon jemanden, mit dem man auch Gespräche haben kann und der ein gewisses Niveau hat.

Aufgeschlossen, tolerant und kultiviert sollte die Dame auch sein. Das Aussehen ist bei mir nur sekundär, wobei ich da auch einige Rahmenbedingungen voraussetze (ich sage immer alles, was im Rahmen ist, ist für mich kein Problem).

Was ich bieten kann, ist dann noch eine Spur schwieriger zu beantworten, aber vielleicht etwas von Bildung, Einfühlungsvermögen, Toleranz, aber auch Kultiviertheit.

Es ist für mich das wichtigste, das man schaut, dass es für beide passt. Wenn es das eine oder andere Problem gibt, so sollte man das offen ansprechen können und jeder sollte einen kleinen Schritt auf den anderen zugehen, denn somit kommt man sich doch auch näher.

Spätzle: Gibt es noch etwas, dass du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Torben: Vielleicht ist es eher eine Bitte, die ich den Lesern/Leserinnen mitgeben möchte.

Auch Leute mit Behinderung/Handicap haben gewisse Vorlieben und Neigungen, die nicht nur im sexuellen Bereich zu finden sind. Manchmal kommt es mir so vor, dass es eben so sein sollte, dass ein Behinderter sogar Glück haben muss und zufrieden sein muss, wenn er überhaupt einmal Sex haben darf, von den Neigungen ganz zu schweigen.

Eben einfach den Menschen als Ganzes sehen, jeder hat seine Stärken und Schwächen, Menschen, die gehandicapt sind, haben sehr oft aus ihrer „Schwäche”, die es eigentlich nicht ist, eine Stärke entwickelt, wo sich vielleicht der eine oder andere etwas abschauen könnte, ob es der reine Lebenswille ist oder die eigene Selbstständigkeit.

Einfach einmal nicht davon abschrecken lassen, wenn man ein Gegenüber hat, das vielleicht eine Behinderung hat, sondern dies beiseiteschieben und die gemeinsamen Interessen herauszufiltern.

Wir sind nicht giftig, fallen sogar nicht mal tot um wenn man uns auch nur anspricht. ????

Spätzle: Vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem Interview, falls unsere Leserschaft noch weitere Fragen hat, darf sie diese gerne stellen, wir leiten sie dann an Torben weiter.

Und kaum ist das Interview einen Tag online, haben wir Fragen unserer Leser bekommen und diese gerne an unseren Interviewpartner weitergeleitet: 

Spätzle: Wie orientierst du dich in einer Session? Wie stellst du sicher, dass du beim Schlagen triffst?

Torben: Es ist so, dass ich meine Spielereien immer nur in meiner Wohnung mache, von daher gesehen habe ich einen guten „Überblick”, also ich habe meine festen Plätze, wo ich meine diversen Spielzeuge und Hilfsmittel untergebracht habe.

Von daher habe ich ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und bin im Bild wie und wo etwas ist (oder eben wer).

Beim Treffen handhabe ich es so, dass ich entweder mit Gerätschaften wie Rohrstock, Paddel oder Peitsche am Körper entlangfahre und sozusagen die Konturen nachfahre (wie ein verlängerter Finger).

Sozusagen taste ich dann in meinem Kopf den ganzen Körper nach und habe dann auch den Punkt, den ich treffen will, immer getroffen.

Bei Peitschen ist es etwas anders, mit etwas Übung ist dies aber auch gut zu erkennen.

Hier lasse ich die Peitschenschnüre (Bänder) über den Körper streichen bzw. ziehe diese nach. Wenn ich merke, dass mehr oder weniger Gewicht an meiner Hand ist (da hört der Körper auf oder fängt wieder an), habe ich hiermit Anhaltspunkte.

Somit habe ich damit dann auch eine Landkarte in meinem Kopf, die ich dann fein dosiert bearbeiten kann.

Fehler bei den Treffern hatte ich noch nie, falls dies auch noch eine Frage wäre. ????

Spätzle: Stellst du dir denn auch die Sessions bildlich vor, also vor dem inneren Auge? Und welche Vorlieben hast du in Bezug auf den Körper deiner Subs (der optische Reiz fällt ja weg)?

Torben: Ja, ich habe ein Bild von der Session im Kopf, nachdem ich ja doch das „Glück” gehabt habe, einmal gesehen zu haben.

Also wenn ich weiß, dass die Lederpeitsche dunkelbraun ist, dann stell ich mir das auch so vor. Das Ganze ist dann für mich auch ein erregendes Gefühl, wenn ich mir da ein Bild in meinem Kopf zusammenstelle.

Richtige Vorlieben kann ich so nicht sagen, wenn es um eine Frau geht (im Bezug auf lange Haare oder kurze Haare, bzw. Haarfarbe).

Ich schätze es dann aber umso mehr, wenn ich ihren Duft in die Nase bekomme und merke, dass ich davon angezogen bin.

Sozusagen muss die Chemie passen - wenn dies nicht der Fall ist, dann hat es nicht mehr viel Sinn, da etwas weiter zu investieren.

Des Weiteren, dies ist zwar vielleicht unbedeutend, lege ich Wert darauf, dass Frau am Körper komplett haarfrei ist, denn ich sehe doch mit meinen Händen.

Spätzle: Dann genießt und erforschst du Sub sozusagen mit allen deinen Sinnen... ertastest du auch gerne die Spuren, die eine Session bei Sub hinterlassen hat? Und welche Sinne nutzt du intensiver als ein sehender Dom?

Torben: Das Befühlen der Spuren ist eigentlich nicht so im Großen und Ganzen der Fall, bei mir kommt es höchstens zu einigen geröteten Stellen am Körper und ab und an zu dem einen oder anderen rotem Striemen. Das würde ich aber nicht als befühlen beschreiben, sondern eher als streicheln bezeichnen.

Ich spüre eben, wie du sagst, mit anderen Sinnen, an der Atmung, vielleicht auch an der Gänsehaut, natürlich auch an den Geräuschen die Reaktionen meiner Sub, aber da ist auch irgendwie so ein Gefühl, was man ohne Berührung hat – das kann ich aber nicht beschreiben, denn es ist irgendwie sonderbar und ich musste es erst selbst verstehen, was ich da so gespürt habe.

Zu der zweiten Frage bleibt eigentlich nicht viel zu sagen, da ich es ja schon beantwortet habe, wobei ein sehender Dom sich zwar eben auf meinen verlorenen Sinn verlassen kann, sicher diesen Sinn nicht ausschließlich nutzt, sondern wie ich meine etwas stärker ausgebildeten Sinne nutzt.

Spätzle: Gibst du deinen Subs denn auch gerne Anweisungen, die für dich selbst hilfreich sind?

Torben: Ja, ich lasse ab und zu Anweisungen ins Spiel einfließen, jedoch kommt es auch auf die Partnerin an, wie oft und wie sehr ich diese einfließen lasse.

Es ist ja nicht jeder gleich, und somit kann ich da nicht wirklich einen festgelegten Prozentsatz festlegen.

Aber den größten Teil gebe ich Anweisungen, wo ich eben der Sub vertraue, dass sie diese auch ausführt, denn sie bringt mir ja auch Vertrauen entgegen in einer Session.

Spätzle: Warst du auch schon auf Events unterwegs? Wenn ja, wie waren die Reaktionen dort?

Torben: Ich war schon auf Events, bisher habe ich dort nur positive Erfahrungen sammeln können, was die Hilfsbereitschaft und die Freundlichkeit angeht.

Die Kontaktaufnahme jedoch gestaltet sich sehr schwierig, wie sonst im normalen Leben auch – da ich ja keinen Augenkontakt herstellen kann.