Selbsterkenntnis

Meine Erkenntnis, dass ich in meiner Sexualität devot veranlagt bin und das nicht „nur so eine Phase“ ist, überkam mich ansatzweise schon vor ein paar Jahren.

Nach einer fünfjährigen Beziehung und dem ein oder anderen Versuch einer solchen, begab ich mich auf Anraten einer Freundin in das „WorldWideWeb“ ... das sei ganz lustig.

Dort lernte ich einen Mann kennen, mit dem ich mich sehr gut verstand.

Aufgrund der großen Entfernung blieb es zunächst bei Telefonaten und Chats, in denen es relativ schnell anzüglich wurde.

Die Anonymität des Internets und der Gedanke, dass ich das ja jederzeit einfach so abbrechen könnte, gab mir die Möglichkeit, mich zu öffnen und seine Fragen bezüglich meiner sexuellen Vorlieben offen zu beantworten und mit ihm gemeinsam Phantasien zu entwickeln.

Das alles machte mich so neugierig, dass wir uns verabredeten.

Wir hatten ein wunderbares Wochenende, an dem wir uns langsam ein wenig kennen lernten und das Spiel mit der Dominanz und der Unterwerfung ausprobierten; denn auch er hatte nicht besonders viel Erfahrung darin – aber er war ein Naturtalent.

Er war streng, konsequent und gerecht und er benötigte gar nicht so sehr den Schmerz, um mich folgsam werden zu lassen – den Gürtel bekam ich wirklich nur, wenn ich mich nicht an seine Anweisungen hielt.

So habe ich an diesem Wochenende relativ schnell gelernt, welches Verhalten gewünscht wird und bei welchem Verhalten ich mit einer Strafe zu rechnen hatte.

Zwei oder drei Wochen später trafen wir uns noch mal für ein Wochenende.

Und diesmal hat er mich wirklich gefordert und ist an meine Grenzen und auch ein Stück darüber hinaus gegangen...und was soll ich sagen – es hat mir gefallen.

An diesem Wochenende habe ich die Kontrolle und die Verantwortung komplett abgegeben.

Ich habe Grenzen überschritten, Dinge gemacht und mit mir machen lassen, bei denen ich dachte, dass ich das niemals könnte.

Außerhalb des Spiels war er ein sehr netter und zuvorkommender Mann, hat mich verwöhnt und bekocht – das war sehr wichtig für mich...zu merken, dass alles nur ein Spiel ist und die Rollen im „richtigen Leben“ darunter nicht leiden; dass man dort mit Respekt und Achtung behandelt wird.

In den Tagen nach diesem zweiten Wochenende habe ich sehr viel nachgedacht und zum ersten Mal mit einem Menschen über meine Neigung gesprochen, der nicht an dem Spiel beteiligt war.

In dem Versuch, das Durcheinander in meinem Kopf zu sortieren, habe ich meine Gedanken, meine Fragen und meine Zweifel zum ersten Mal wirklich laut und offen ausgesprochen und war sehr froh darüber, mir dafür den richtigen Gesprächspartner ausgesucht zu haben.

Die dringendsten aller Fragen war damals für mich die, warum es mich beim Sex erregt, wenn ich gedemütigt werde und mein Partner mir Schmerzen zufügt...warum mache ich Dinge, die mich Überwindung kosten... warum habe ich dieses Bedürfnis, mich zu unterwerfen – im Alltag lege ich doch so großen Wert darauf, mit Respekt behandelt zu werden und stehe meine Frau – wie verträgt sich denn das miteinander?

Ich habe zu dieser Zeit schon verstanden, dass ich diese devote Neigung nun mal habe – ich konnte sie nur damals noch überhaupt nicht akzeptieren und habe mich selber dafür innerlich verachtet – ich konnte diesen Teil an mir nicht lieben.

Das ist nun alles etwa vier Jahre her, in denen ich verzweifelt versucht habe, mir meine Neigung aus- oder schönzureden.

In den letzten Monaten sind ein paar Dinge passiert und ich habe einige Menschen kennen gelernt, denen ich zu verdanken habe, dass ich diese Seite an mir endlich akzeptieren kann – und ich bin verwundert, wie schnell das auf einmal ging.

Und mir ist noch so einiges klar geworden...

Das mit der Dominanz und der Unterwerfung habe ich noch nicht mit wirklich vielen Männern geteilt.

Das möchte ich auch gar nicht – weil ich damit einen sehr großen Teil von mir hergebe und der andere sollte dies zu schätzen wissen – im Grunde bin ich eine treue Seele und möchte mich in dieser Art von Sexualität nur besonderen Menschen schenken.

Zweimal habe ich dieses Geschenk an meine Partner gemacht und einmal an eine Affäre – also eigentlich immer etwas, wo ich eine gewisse Bindung und Vertrauen aufbauen konnte und mir genug Zeit blieb, um zu erkennen, dass ich als Mensch außerhalb des Spiels auf gleicher Ebene respektiert werde.

Nachdem ich festgestellt habe, dass ich mir meine devote Neigung nicht mehr weg-argumentieren möchte, macht das den Kreis der potentiellen Kandidaten für eine feste Partnerschaft natürlich auch nicht gerade größer...

Aber da ich nun endlich weiß, was ich will bzw. was ich nicht will und was mir bis jetzt gefehlt hat, wird es auch einfacher sein, das passende Gegenstück zu finden.

Das „Warum“ hat sich mir bis heute nicht gezeigt und ich denke, das wird es wahrscheinlich nie – der Unterschied zu früher ist, dass ich es nicht mehr so dringend habe, mir diese Frage zu beantworten.

Und nun verstehe ich auch den Satz, dass schwach sein können stark macht – seit ich die devote Seite nun endgültig an mir akzeptiere, scheine ich eine andere Ausstrahlung zu haben – irgendwie liebevoller und selbstbewusster.

Rückblickend kann ich nur sagen, dass das alles in mir etwas in Bewegung gebracht hat, dass es mir endlich erlaubt, die wichtigste Liebesbeziehung meines Lebens zu führen – die mit mir selbst...und ich habe das Gefühl, sie wird wunderbar...

Vielen Dank an alle, die mir dabei geholfen haben.


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    Luna
    Ich bin Luna, Jahrgang 1975 und nun endlich soweit, die devote Seite in mir zu akzeptieren und mehr und besser kennen zu lernen. Auch wenn alles schon früh begann, war der Weg hier hin doch ziemlich mühsam und steinig für mich. Der große Schritt hierzu
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