Vom Vanilla-Typ zum Dom?

Genauer betrachtet, verbirgt sich dahinter die Frage, inwieweit aus einem Vanilla-Mann ein Dom werden kann, ja. Und aus meiner Sicht gibt es darauf genau zwei Antworten. Gar nicht oder ganz gewiss.

Ich will wirklich nicht wissen, wie viele Frauen, die ihre BDSM-Neigung entdecken, von ihren Männern zu hören bekommen: Ich schlage keine Frauen, und dich schon mal gar nicht, Schatz. Aber wer spricht denn gleich vom Schlagen? Wenn es mal so einfach wäre mit dem, was man selbst von dieser Neigung erwartet, wonach man sich sehnt, was man möchte und was man ablehnt. Ohne Erfahrungen am eigenen Leib lässt sich das wohl nicht herausfinden. Dennoch denken dem Thema abgeneigte Männer sofort an körperliche Gewalt. Und in diesem Zusammenhang werden dann Begriffe wie Emanzipation, Augenhöhe, Gewaltfreiheit und Respekt voreinander bemüht. Weil – BDSM hat aus ihrem Blickwinkel nichts von all dem. Typisch für solche Männer ist, dass sie wenig bis gar nicht bereit sind, sich mit der Materie überhaupt auseinanderzusetzen. Sie vertreten ihren Standpunkt und fertig.

Ganz anders die, aus denen ein Dom werden könnte. Sie hören zu, fragen nach und entdecken plötzlich, dass sie der Sache keineswegs abgeneigt gegenüberstehen. Ja, sie sind mitunter sogar verblüfft darüber, völlig neue Seiten an sich selbst zu entdecken. Der Gedanke, (mehr) Macht über die Lust der eigenen Frau zu haben, gefällt ihnen.

Interessanterweise heißt BDSM für diese Männer nicht per Definition, dass sie schlagen wollen. Im Gegenteil. Auch hier gibt es solche, die das (zunächst) für sich ablehnen. Aber zumindest denken sie nicht schwarz oder weiß. Sie können die vielen Facetten zwischen den beiden Extremen erahnen und sind bereit, sich auf die Suche zu begeben. Nach dem, was ihnen selbst und ihrer Partnerin Lust bereitet. Wenn das manche auch nur deshalb tun, weil sie sich davon eine Belebung ihres Liebeslebens erhoffen. Doch was ist Verkehrtes daran? Denn es wird bei den potentiellen Doms auch diejenigen geben, die spüren, dass BDSM eine andere Intensität in die Beziehung bringt. Und die besonders diesem Reiz erliegen. Entweder sofort, manchmal erst später. Auch eine Neigung kann sich weiterentwickeln.

Damit allerdings aus einem Vanilla-Mann ein Dom werden kann, muss Frau sich erst einmal mit ihren Wünschen und Vorstellungen outen. Einer muss schließlich den ersten Schritt machen. Und ich glaube, dieser erste Schritt ist der schwerste. Ist er getan, stellt sich nämlich schnell heraus, ob der Partner das neu erwachte Interesse teilen möchte oder ablehnt. Und dieser Wahrheit ins Auge zu schauen, kann unglaublich deprimieren. Warten wir deshalb so häufig mit dem persönlichen Outing?


Kommentare:


Nicole schrieb am 05.01.2015


Liebe Vicky,
wieder einmal schreibst du über ein Thema, dass mich auch bewegt und über das ich mir Gedanken mache. Es sei gesagt, dass ich klassisch zwar irgendwie Single bin, aber es dennoch in meinem Leben Jemand gibt. Das Wort Affäre scheint mir falsch, da ich und er es per Definition weder für das eine noch für das andere halten. Mir kommt daher „Freundschaft mit gewissen Vorzügen“ in den Sinn.
Nun sollte man meinen, dass gerade in einer solchen Konstellation ein Outing einfacher erfolgen könnte, aber weit gefehlt. Ich fühle mich selbst noch absolut überfordert mit dem ganzen Thema BDSM. Bin da irgendwie rein gerutscht, habe mich ein wenig ausprobiert und nun lässt es mich nicht mehr so ganz los.
Irgendwann kam das dann auch ans Tageslicht und wir haben das erste Mal darüber geredet und es folgte ein richtiger Streit. Verwunderung , Ablehnung, Diskussionen, den anderen nicht zu kennen und auch eine gewisse Kränkung nicht „mehr“ zu reichen oder vielleicht nie gereicht zu haben waren auf einmal da. Danach war ich völlig von der Rolle.
Mittlerweile hat sich das Ganze ein wenig gesetzt und er ist bereit (wohl in erster Linie mir zu Liebe) etwas Neues auszuprobieren. Leider fehlt ihm die Ernsthaftigkeit und er nimmt die dominante Rolle, die er sonst im Leben innehat, nicht mit ins Bett. Aufgrund dessen, was uns sonst verbindet will ich ihn weder kränken, noch selbst gekränkt werden. Ich denke er versucht mich zu bekehren und ich ihn. Im Normalfall mag ich es schon sehr, wenn jemand Ahnung hat, von dem was er tut, daher wäre mir natürlich ein Dom an meiner Seite lieb, aber das allein macht einen Mann für mich nicht attraktiv. Nun habe ich für mich vorerst beschlossen… zu große Neugier ist der Katze tot und alles andere wird sich schon fügen.
Wie immer ein riesengroßes Danke an Dich liebe Vicky. Du sprichst mir aus der Seele und dein Blog ist genau das, was ich brauche. Ebenso an die Gedanken von Tristan, dort finde ich mich auch wieder.
LG Nicole


Antwort auf diesen Kommentar

Liebe Nicole,

herzlichen Dank für dein sehr persönliches Feedback! Es zeigt sehr deutlich den Teufelskreis, in dem man in einer Beziehung - wie auch immer geartet - feststecken kann, wenn Wünsche, bestimmte Neigungen auszuleben, unerfüllt bleiben. Ob es der richtige Weg ist, sich gegenseitig bekehren zu wollen, kann ich nicht sagen. Aber zumindest wird er dazu führen, dass ihr euch einander annähert, eure gemeinsamen Schnittmengen größer werden. Und wer weiß, welchen Reiz jeder bei den Wünschen des anderen dann doch findet.

Ich wünsche dir, dass dein Entschluss genau zur Situation passt, in der du gerade steckst. Dass du damit mindestens einen Schritt weiterkommst (lieber zwei, drei oder mehr ;-)) Und dass du mit dem, was sich ergibt, glücklich bist!!!! In diesem Sinne HAPPY NEW YEAR, liebe Nicole, viele hilfreiche Impulse hier auf der Seite und herzliche Grüße!

Vicky

 

KleineEntdeckerin4711 schrieb am 25.12.2014


Hallo Vicky,
was für ein wunderbarer Beitrag, der mich gerade ziemlich genau in meiner Situation abholt. Ich habe vor einer Weile diese Neigungen in mir entdeckt und noch sehr Vanilla-mäßig bauen wir auch etwas davon in unser Liebesspiel ein. (experimentierfreudig ist er durchaus und mich zu fesseln gefällt ihm ab und zu gut) Aber ihm anzuvertrauen, dass ich mir wünschen würde die Kontrolle über mich und meine Lust noch viel mehr in seine Hände zu übergeben, das habe ich mich noch nicht getraut.
Wie soll ich es angehen ihm zu sagen, dass mich der Gedanke erregt, dass er sich nimmt, was er will, dass es mir gefallen würde, wenn er mich etwas gröber anfasst ... Wann ergibt sich für so eine Offenbarung schon der richtige Zeitpunkt?
Dass er sich mit Einfühlungsvermögen mit mir zusammen an meine/seine/unsere Lust & Grenzen herantasten würde, das traue ich ihm zu. Aber dennoch ist es ein Schritt, ihn darum zu bitten, den ich erst machen muss und wovor ich im Moment noch Bammel habe.

Und genau an diesem Punkt lese ich deinen Blog und Tristans und Daturas mutmachende Kommentare. Vielen Dank euch drei für die Gedanken und Anregungen.


Antwort auf diesen Kommentar

Hallo KleineEntdeckerin,

du bist in jedem Fall auf dem richtigen Weg. Hier auf der Seite wirst du viele Antworten auf deine Fragen finden - mir jedenfalls ging es so, dass ich vom Hundertsten ins Tausendste kam, als ich erst mal begonnen hatte, auf gentledom zu stöbern.

Dennoch eine Idee für dich, wie sich ein Gespräch über deine Wünsche real einleiten lässt. Das Sprechen darüber fällt oft sehr schwer. Wie wär's dann mit dem Schreiben? So, wie ich das beurteile, kannst du das mit Sicherheit :-) Vielleicht schreibst du ihm einen Brief mit deinem Weihnachtswunsch oder einen für's neue Jahr. Darin könntest du entweder beschreiben, was du dir wünschst. Oder du sagst es durch die Blume. Suchst dir aus einem Buch eine für deine Absichten passende Szene heraus und gibst sie ihm zu lesen.

Ich bin sicher, dass diese "Strategie" beim anderen nicht nur Neugier weckt, sondern ihm eine Art Wegweiser ist, bis wohin er sich wagen darf. Denn das kann man(n) am Anfang oft nicht erkennen. Gerade deshalb, weil die Kommunikation darüber oft erst einmal verhalten startet.

Wenn du Literaturtipps für schöne Szenen brauchst, KleineEntdeckerin, melde dich gern noch mal über den Blog hier. Ich kann dir dann auch persönlich und unöffentlich antworten ;-)

Danke für dein Feedback, liebe Grüße und vor allem, dass es bei euch erfolgreich vorangeht in Sachen BDSM!

Vicky

Datura schrieb am 14.12.2014


Hallo Vicky,

zunächst einmal danke für diesen wieder interessanten Beitrag von dir.
Wie auch ich finde, hat Tristan ihn ausreichend ergänzt, sodass ich nur noch einen Gedanken hinzuzufügen habe: wie spielt sich diese Situation in umgekehrter Rollenverteilung (also dominante Frau oder auch Frau/Frau) ab? Wie verändert sie sich in Bezug auf äußerliche Klischees?
An dieser Stelle melde ich mich vielleicht auch, weil ich in letzter Zeit sehr viel über das, ich nenne es ganz frei und frech mal "klassische" Bild lese und es ja immer verschiedene Seiten zu betrachten gibt (die auch für andere interessant sein könnten ;)).
Die erste Frage kann ich selbst beantworten, da ich selbst eine solche Situation zur Zeit erlebe:
Ich "outete" mich vor einer Weile mit meinem Fantasien vor meinem Partner, mit dem ich seit einigen Jahren zusammen bin und auch lebe. Seine erste Reaktion war Überraschung, möglicherweise auch eine Art Verwirrung, verursacht durch den Sterotyp SM und Domina. Nach und nach jedoch begann sich etwas in ihm zu verändern - mit den Vorstellungen, die ich ihm gegenüber äußerste, wandelte sich auch seine Sicht. Er entdeckte (und ist immer noch dabei zu entdecken ;P...) Seiten und Wünsche in sich, die ihm vorher unbekannt waren oder zu denen er nicht stehen konnte. Seitdem steht er diesem Thema sehr offen gegenüber. Ganz gleich, auf welcher Seite man nun steht oder welchem Geschlecht man angehört: das Entdecken und Zulassen der eigenen Lust ist für jeden Menschen befreiend.
Und letztlich denke ich, das nahezu jeder BDSMler irgendwann vorher Vanilla war, schließlich kommen wi nicht mit Peitsche oder Halsband auf die Welt ;P.

Viele Grüße,
Datura.


Antwort auf diesen Kommentar

Das ist natürlich wahr, Datura, keiner von uns wird als BDSMler geboren. Es entwickelt sich (oder eben nicht).

Toll, dass du hier deine Erfahrungen mit einer anderen Konstellation ergänzt. Dazu hätte ich wiederum nichts sagen können. Ich bin aufgrund meiner eigenen Neigung tatsächlich diesem überwiegend dargestellten Klischee vom dominanten Mann und der devoten Frau verhaftet.

Dass dein Partner offen für deine Vorstellungen ist und darüber neue Seiten an sich selbst entdeckt, ist wunderbar. Genau so stelle ich mir auch ein Outing vor. Dass man dem anderen zuhört, in sich hineinfühlt und herauslässt, was einem selbst auf der Seele brennt. Kommunikation ist in jeder Situation wichtig. In einer solchen aber essentiell.

Danke für deinen Kommentar, Datura, und alles Liebe für euch beide auf einem gemeinsamen Weg!

Herzliche Grüße, Vicky

tiefgang65 schrieb am 11.12.2014


Na klar fällt uns als Partner einer Beziehung ein Outing oder auch nur das Äußern einzelner Wünsche schwer: weil wir uns als Paar häufig in einer sicheren, aber eher unspektakulären Komfortzone des "kleinsten gemeinsamen Nenners" eingerichtet haben. Der Partner ist kalkulierbar, niemand muß allzu große Überraschungen fürchten. Und gerade diese mit ihren drohenden Veränderungen machen uns ja so Angst. Wir akzeptieren oft lieber die plüschige Mittelmäßigkeit, als uns mutig aufregenden Neuerungen zu stellen - aus Sorge vor möglichen Problemen.
Wir fürchten, dass die Zuneigung des Partners an das Bild gebunden ist, dass wir ihm seit langem von uns präsentiert haben. Und haben Angst, nach offenem Eingeständnis unserer Träume als abartig abgelehnt zu werden und praktisch nicht mehr liebenswert zu sein. Diese Angst, bei Veränderung verlassen zu werden, dressiert uns Schritt für Schritt die Fähigkeit ab, Wünsche mutig zu äußern.
Je mehr sich Partner dessen bewusst sind, je selbstsicherer sie sich ihrer selbst sind und je mehr sie deswegen auf die Zuneigung ihres Partners vertrauen, auch wenn sie eine vermeintlich "dunkle Seite" ihres Ichs offenbaren, desto gelassener können sie mit Wünschen ihres partners umgehen. Ein selbstsicherer, kommunikativer Mann wird daher nicht seinen Wert als Liebhaber in Frage stellen, sich nicht fragen, ob er bisher nicht "gut genug" war, wenn die Frau plötzlich geführt werden will. Er wird vielmehr vermutlich lustvoll entdecken, wie gut es sich anfühlt, sich für seine natürliche männliche Stärke und Entschlusskraft nicht mehr rechtfertigen zu müssen, und genießen, wie diese als Dominanz von der Partnerin begierig begrüßt wird.
Es ist leider gerade für aufgeklärte Männer und Frauen nicht immer einfach, ihre Position als selbstbewusst demütige Frau und willensstarker Mann zu trennen von den unerwünschten, althergebrachten Rollen als "unkritisches Heimchen" und "respektloser Macho".
Ein Mann, der im Kopf die gedankliche Handbremse lösen kann, nicht ausreichend emanzipiert zu sein, wenn er seiner Frau mal genau sagt, was sie tun soll, kann ein stattlicher Dom werden.

Denkt: Tristan


Antwort auf diesen Kommentar

Eine tolle Ergänzung zum Thema, Tristan. Herzlichen Dank!

Da kann ich mir nur wünschen, dass viele Männer von an BDSM interessierten Frauen deinen Kommentar als Ermunterung betrachten, das Spiel mit der Dominanz für sich zu entdecken.

Liebe Grüße, Vicky

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