Geistige Freiheit durch Freiheitsentzug

Ich bin im Alltag ein Duracell-Hase. Immer in Bewegung, essen im Stehen, die Gedanken verstreut an verschiedenen Baustellen. Mich bringt wenig bis nichts zur Ruhe. Mein Kopf ist immer voll, und die Gedanken kreisen um meinen Alltag: Arbeit, Eltern, Hund, Freunde… Freizeitstress nenne ich das.

Was gibt es da Schöneres, als sich mal eine Zwangspause zu verordnen? Also was bringt mich zur Ruhe, was holt mich runter?

Nichts, so lange ich Arme und/oder Beine noch bewegen kann.

Was zur Folge hatte, dass mein Ex-Partner mich gerne mal am Bett fixierte. Komplett! Anfänge des BDSM für mich und der Beginn die Bewegungsunfähigkeit zu genießen. Wenn er mich so fixierte, dass ich gar nichts mehr machen konnte, dann hatte er ja auch die Erwartung nicht, dass ich irgendwas tun solle. Also Kopf nach hinten und machen lassen. Die Kontrolle abgeben, etwas, das ich normalerweise absolut nicht beherrsche, weil ich immer jede Situation beherrschen will.
Und es funktionierte. Wunderbar sogar.

Ab diesem Zeitpunkt fing ich an, mich mit dem Thema BDSM näher zu beschäftigen. Ob noch mehr „davon“ auf mich zutraf? Ja, der Lustschmerz und das Ausgeliefertsein. Also begann ich das Internet zu durchforsten und befasste mich mit Bondage. Ich fand es unglaublich schön! Ästhetisch! Und ich war mir sicher, dass ich Spaß daran haben würde. Das Problem war dann nur: Der Partner war weg. So ein Mist! Und nun?

Durch einen glücklichen Zufall fand ich heraus, dass ein guter Freund von mir Freude daran hat, Frauen einzuknoten. Prima. Wir kannten uns lange und eng genug, so dass ich ihm hundertprozentig vertraute.
Das ganze Unterfangen hat für ihn den Vorteil, dass er an mir üben kann und für den Fall, dass er eine Liebste kennenlernt, schon fit genug ist, um etwas Können vorzuweisen. Und für mich ist es ein spielerischer Versuch herauszufinden, wie weit ich gehen kann und inwieweit ich mich noch in der Wohlfühlzone befinde, wenn ich mich nicht mehr bewegen kann. Außerdem bleibe ich bekleidet. Ich mache mich auch besonders hübsch zu diesen Treffen. Ich sehe aus wie eine Himbeere, lila Leggins, pinkes Sportshirt. Damit ist die sexuelle Komponente dann völlig ausgemerzt.

Also fingen wir an. Bei ihm im Wohnzimmer, mit laufenden Videos, in denen stets nur ein sexy Model (ööhhmm, ok, ich erwähnte ja schon die Himbeere…) und jede Menge Seil benötigt wird. Und natürlich ein Rigger. Ich hatte einen frisch geborenen Rigger mit Baumwollseil.

Hach schön, wie weich. Es wurde getüddelt, geknotet, entknotet, zurückgespult. Und wie zur Hölle kann man sich die Namen der Knoten merken? Ach egal, ist ja nicht meine Aufgabe. „Schalte deinen Kopf aus.“
Also ließ ich mich einwickeln, drehen, verknoten. Nur mit der erhofften Entspannung hatte das irgendwie noch nicht viel zu tun. Aber Spaß hat es gemacht. Auch wenn er Spaß dran hatte, vor meinen Augen, breit grinsend, Chips zu futtern und mich nur auf Nachfrage mit einem Getränk zu versorgen.

Die Entspannung kam von Mal zu Mal mehr. Ich habe mich nicht mehr darauf konzentriert, wie er knotet, sondern darauf, wie ich immer weiter verknotet wurde. Die Oberkörperfesselungen, in denen meine Arme mit eingebunden werden, finde ich toll. Die Vorstellung, genau diese eben dann auch mal erotisch einzusetzen, ist anregend. Ich weiß jetzt, dass ich keine klaustrophobischen Anfälle bekomme, wenn ich Vertrauen habe. Meine Lieblinge sind die Gunslinger. Damit komme ich mir vor wie Lara Croft. Wohooo, Pistolenhalfter als erotische Wicklung. Die Dinger haben ja irgendwas von Haltegriffen. Und für was alles man die so nutzen könnte… *pfeif* .

Wir besuchten dann auch ein Dojo. Knoten unter Aufsicht, sozusagen. Wenn man denn beaufsichtigt werden will!

Einmal waren wir zusammen mit noch zwei Paaren und einem einzelnen Herren anwesend. Ein Paar hatte schon viel Erfahrung und eines noch gar keine. Hey super, wir waren keine Newbies mehr. Und mittlerweile waren wir auf Hanfseile umgestiegen. Die waren nicht mehr so weich. Und das war auch gut so. Das leicht kratzige Gefühl auf der Haut finde ich prima. Und wenn die Seile beim Entfesseln langsam über die Haut gezogen werden, dann habe ich Ganzkörpergänsehaut.

Das Paar gegenüber fing an, und irgendwann lag sie bäuchlings am Boden. Hände und Füße hinter dem Rücken zusammengeknüpft. Das will ich auch! Wie fühlt es sich an, gar nichts mehr machen zu können, im Hogtie verknotet und ausgeliefert zu sein? Also erst mal den Oberkörper verknotet und dann ging es an die Beine. Wir fesseln immer im Stehen. Gut, dann eben seitlich ungeschickt auf die Knie und dann auf den Bauch fallen lassen. Sehr elegant…. Minuten später waren die Beine vertüddelt und ich wurde zusammengezerrt. „Geht´s?“ kam die Frage. - „Ja, zieh ruhig noch enger!“ Toll, ich fand es toll. Wären wir zu zweit gewesen und ich hätte so gelegen, ich wäre eingeschlummert. Das Gefühl der absoluten Bewegungsunfähigkeit ist so befreiend, weil der Kopf leer sein darf. Ich kann ja gar nichts machen in dem Moment, also brauche ich auch nicht denken.

So treffe ich mich zurzeit in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen mit meinem Spiel-Rigger und hoffe irgendwann den Mann zu finden, dem ich mich nicht mehr als Himbeere präsentieren werde. Den Mann, der sich dann auch gerne weitere Spielarten für mich einfallen lassen kann und ausnutzt, dass ich mich nicht rühren kann. Ich freue mich auf den Moment, an dem die Fesselspuren nicht mehr nur an den Oberarmen, sondern am ganzen Körper noch eine Weile sichtbar bleiben und ich sie so schön finde, dass ich sie mir am liebsten einbrennen lassen würde.

Mein Körper darf gefesselt sein, damit die Gedanken verfliegen.

DanaS


Kommentare:


Darkness_s schrieb am 10.12.2014


Liebe Dana,

wie schön und eingängig geschrieben :)
Es ist leicht in deiner Geschichte anzukommen, du vermittelst sehr lebendig und farbig deine Passion. Ich konnte mich nicht nur in null-komma-nichts einfühlen, sondern konnte deine Geschichte anziehen wie einen Handschuh.
Mittendrin statt nur dabei...Vielen Dank für deinen Text und daran dass du ihn uns zugängig machst, ich freue mich schon auf das, was von dir noch kommt.

Ganz liebe Grüße

darkness


Antwort auf diesen Kommentar

Liebe darkness,

danke für deinen Kommentar. Ich nehme an, es ist ein langer, schwarzer Handschuh. ;)

Und danke, dass du an mich gedacht und geglaubt hast, obwohl ich mich erst geziert habe.

Lieben Gruß,

Dana

Luna schrieb am 09.12.2014


Liebe Dana,

El-Dons Meinung möchte ich mich anschließen. Dein Beitrag ist nicht 'nur' gut geschrieben, sondern macht Nicht-Tüddel-Passionierten zugänglich, was für Dich das Faszinierende an Bondage ist, welche Gefühle Du damit verbindest... und lässt einen zugleich auch ahnen, wohin Deine Reise gehen soll.

Egal, wie erfahren jemand ist: das BDSM von Person A ist nicht das BDSM der Person B. Viele Bereiche bleiben einem verschlossen, wenn man selbst eine bestimmte Manifestationsform der Neigung nicht an sich ausmacht bzw. besitzt. Dein Beitrag schafft Verständnis, gibt Einblicke - und ermöglicht es, Dinge nachzuvollziehen, die außerhalb der eigenen Lebenswelt liegen.

Hochspannend, eine Bereicherung und ein Vergnügen, diesen frechen, kurzweiligen Schreibstil zu genießen! Danke.

Liebe Grüße,
Luna


Antwort auf diesen Kommentar

Liebe Luna,

es freut mich, dass ich auch als getüddelte Anfängerin hier deutlich machen konnte, was es in mir auslöst und warum ich Freude daran habe.

Und ja, genau diese Freude wollte ich in meinem Schreibstil erkennen lassen.

Sobald der Himbeeranzug weg ist schreibe ich vielleicht wesentlich leidenschaftlicher. ;)

Lieben Gruß,

DanaS

 

cardis schrieb am 09.12.2014


Liebe Dana,
Du hast so wunderbar geschrieben und beschrieben.
Ich fühle mich in deiner Geschichte Zuhause.
Danke dafür!
Cardis


Antwort auf diesen Kommentar

Liebe cardis,

schön, dass du dich in meinem Bericht zu Hause fühlst. Ein größeres Lob gibt es kaum.

Tausend Dank,

DanaS

El-Don schrieb am 03.12.2014


Hallo Dana,

Deine Zeilen sind so toll geschrieben, dass ich zum ersten Mal verstanden habe, was man/frau durch Bondage fühlt. Und jetzt auch nachvollziehen kann, was der Kick bedeuten kann. Einfach sehr verständlich und einleuchtend geschrieben.
Freue mich auf mehr von Dir.

El-Don


Antwort auf diesen Kommentar

Hallo El-Don,

wenn mein Text sogar langjährig erfahrene Menschen erreicht und verdeutlicht, was ich am gefesselt sein so mag, dann freue ich mich umso mehr.

Lieben Dank,

Dana

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