Unser Weg in eine offene(re) Beziehung

Nun ist es eineinhalb Jahre her, dass es in unserer Ehe eine Revolution gab ... Wir haben angefangen, BDSM auszuleben, so richtig im echten Leben.

Aus Fantasien, die davor gelegentlich diffus herumspukten, wurde ein fester Bestandteil unseres (Liebes-)Lebens. Erst eineinhalb Jahre ist es her, dabei ist in der Zeit so viel passiert, hat sich so vieles verändert. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit und zugleich wie gerade erst passiert.

Nun fragt Ihr Euch, was hat denn das mit offener Beziehung zu tun?
Zugegeben, eigentlich nichts, jedenfalls nicht direkt - für uns persönlich aber irgendwie doch vieles. Nach über 14 Jahren Beziehung haben wir uns getraut: getraut, neue Wege zu gehen in Sachen "praktisches BDSM", gemeinsam das unbekannte Terrain zu erforschen. Das waren lauter aufregende und intensive Momente, sehr viel Neugier, die schnell gestillt werden wollte, Antworten und Erfahrungen, die immer neue Fragen aufwarfen. Gleichzeitig gab es mit einem Mal auch eine sehr viel intensivere Auseinandersetzung mit uns, damit, was ganz genau wir denn gerne mögen, wie wir es hinbekommen, unsere Fantasien und Neigung zu leben. Ich würde sagen, wir lernten uns dabei auch noch einmal intensiver kennen und wir lernten, uns wie mehr auszutauschen.
Wer wäre denn zur "Vanilla"-Zeit auf die Idee gekommen, im Detail am Frühstückstisch zu besprechen, welche Stellung nun die Schönste ist, was man jetzt dabei empfindet und ob es dabei womöglich Risiken gibt? Nö, man (also wir) hat in der Regel einfach drauflos gemacht, das Thema blieb dann auch ausschließlich im Schlafzimmer.
Außerhalb dessen fand früher dazu kein Austausch großartig statt, nicht zwischen uns und schon gar nicht mit Außenstehenden, Freunden oder Bekannten.

Unsere Reise ins (theoretische) BDSM Land brachte es mit sich, dass uns auch Konzepte begegnet sind von Spielbeziehungen (also "offizielle" oder heimliche Affären oder auch etwas mehr, verbindlicher, langfristiger) und von Polyamorie. Und diese Konzepte dann zugleich mit echten lebenden Beispielen, wo diese auch Beziehungen führen, die nebeneinander bestehen und das alles in Harmonie. Diese Möglichkeit, sich da zu arrangieren, offen übereinzukommen und zu sehen, wenn es dann auch ohne übermäßige Eifersucht funktioniert, das hat uns schon fasziniert.

Dann vor ganz kurzer Zeit, vor eineinhalb Monaten stand dann unsere nächste Revolution innerhalb der Beziehung ins Haus. Meine Frau, immer unheimlich neugierig und aufgeschlossen, äußerte den Wunsch, sich da mal auszuprobieren, neue Wege in Sachen BDSM zu gehen mit einem weiteren Spielpartner. Ein Anlass war, dass wir den Eindruck haben, wir sind uns zu nahe für manche Spielarten (vor allem im Bereich D/s) und es gab auch ein paar Sachen, denen ich immer schon eher zurückhaltend begegnet bin. So Nadelspiele oder Cutting, da kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass ich dabei groß Spaß hätte (auch obwohl ich ja nicht einmal das "Opfer" wäre).
Aber auch das mag sich ja noch entwickeln. Ich denke, ein Aufhänger waren diese bisher vernachlässigten Spielarten. Ihre Neugierde ging doch viel tiefer, es ging da auch schon darum, ein anderes Spiel mit einen weiteren, neuen Partner zu erleben. Zu dem Zeitpunkt, wo wir es dann besprochen haben, gab es auch noch keinen konkreten Kandidaten, der sollte erst gesucht werden abhängig von meiner "Erlaubnis" dafür.

Das kam für mich dann erst einmal überraschend, als meine Frau das ansprach. Grundsätzlich sehe ich das Thema Sex und auch "Fremdspielen" eher liberal und versuche, nicht übermässig eifersüchtig zu sein. Für mich gab es da drei Möglichkeiten, was nun aus diesem Wunsch entstehen könnte für uns, zunächst rein rational betrachtet:

Ich könnte mich dagegen sperren und es "verbieten". Das hätte entweder zur Folge gehabt, dass sie sich daran hält und ihren Wunsch zurückstellen muss. Mir war es aber ein Graus, wenn einer der Partner unsere Ehe je als einengend empfindet. Wer weiß, dann hätte sie vielleicht nach Jahren noch gedacht "Hätte ich das je probieren können"! "Was wäre, wenn es damals möglich gewesen wäre, diese Erfahrung zu machen?" usw..

Ich hätte es verboten, und sie hätte sich mit ihrem Wunsch in die Heimlichkeit geflüchtet (was ich aber nicht glaube), aber es wäre ein unerfülltes Thema geblieben. Auch stelle ich mir vor, es wäre immer ein wenig Unsicherheit geblieben.

Die dritte Möglichkeit schließlich, zu der ich mich dann entschlossen habe, war es ihr zu erlauben. Die einzigen Bedingungen waren, dass es natürlich safe ablaufen soll und dass wir damit völlig offen umgehen: sie sollte alles erzählen, was in der Spielbeziehung läuft.

Ich denke, damit haben wir die beste Lösung für uns. Wir vertrauen uns nach fast 16 Jahren Beziehung genug, so dass das nun für uns auch möglich ist.

Im Umkehrschluss darf ich nun auch nach einer Spielbeziehung Ausschau halten, denn auch ich kann den Reiz, mal mit einer anderen Partnerin zu "spielen", nicht verleugnen.

Meine Frau hat mittlerweile einen Partner für eine Spielbeziehung gefunden, der sehr vernünftig und rücksichtsvoll mit unserer Situation umgeht. Es muss immer alles zusammenpassen mit unserer Ehe. Ich gebe zu, wenn in Theorie alles vernünftig klingt, das fühlt sich in der Praxis doch gelegentlich komisch an.
Aber bisher läuft es sehr harmonisch und ich denke, ich kann mich mehr und mehr mit dem Gedanken anfreunden, wenn sie schon mal anderswo "spielt".
Das sind nun die ersten Schritte, die allerersten Erfahrungen unseres neuen Wagnisses, die Beziehung offen zu führen.

Sieur


Kommentare:


Carmen schrieb am 27.01.2015


Lieber Sieur,

vielen Dank für den offenen Einblick in eure Beziehung. Es muss ein sehr großer Schritt gewesen sein, der sicher nur mit dem viel Vertrauen und Einfühlungsvermögen von beiden Partnern möglich war.
Jetzt ist schon ein wenig Zeit seit Deinem Beitrag ins Land gegangen und natürlich würde mich sehr interessieren, wie ihr euren Weg weiter beschreitet.

Liebe Grüße
Carmen


Antwort auf diesen Kommentar

pialma schrieb am 08.12.2014


Hallo Sieur, danke für den Artikel und Deine offenheit.
Es wird sicher vielen Mut machen ,Wünsche nicht zurückhalten zu müssen und offen mit Neigungen umzugehen. Es gehört viel Vetrauen und Liebe dazu. Dazu kann ich Euch nur beglückwünschen .
Gruß pialma


Antwort auf diesen Kommentar

N. schrieb am 08.12.2014


Hallo,

eigentlich möchte einfach nur kurz meinen Dank da lassen, für diesen offenen und ehrlichen Artikel.

Oft frage ich mich ob dies, vorausgesetzt beide handeln verantwortungsvoll, nicht die gesündere und natürlichere Beziehungsform ist...

Danke, für diesen Einblick in eure Beziehung und wie ihr damit umgeht.


Antwort auf diesen Kommentar

Hallo N.

Danke Dir für Deinen freundlichen Kommentar, ich freue mich, wenn der Artikel, der Einblick in unsere Beziehungsentwicklung gibt, so positiv aufgenommen wird.

Du schreibst über die offene Beziehung als eine vielleicht natürlichere Beziehungsform, wenn sie nicht (mehr) so strikt monogam ist. Irgendwie fand ich die Idee, dass ein primär körperlicher Akt mit einer weiteren Partnerin (also Sex oder sagen wir auch eine auch SM-Session), gleich zum Problem für die (Haupt-)Beziehung werden muss, schon immer befremdlich.

Kritisch sehe ich eher den Umgang damit, das Besitzdenken für den Partner (der Hauptbeziehung) und daraus möglicherweise heimliche Ausleben von polygamen Gelüsten. Wenn so etwas unter der Massgabe "ist ja verboten und nicht OK" läuft und früher oder später dann doch herauskommt, dann wird's wohl garantiert knallen. Oder aber es wäre ein Drama, wenn es nicht knallt, wenn sich die Partner in der Hauptbeziehung im Grunde dann doch in gewissem Maße egal wären.

Wenn ich betone, es sei ja "nur" ein körperlicher Akt, so stimmt das natürlich nicht unbedingt... Wird z. B. D/s gespielt ist es ja von einer Qualität, die doch weit über das rein Körperliche hinausgeht.

Sicher kann und sollte es ein emotionales und intensives Erlebnis sein, aber stellt ja immer noch nicht die Beziehung zum Hauptpartner infrage.

Ich bin sehr froh, jetzt offen und ehrlich polygam leben zu können. Allerdings sehe ich mich derzeit nicht als "polyamor" an, tiefe Liebe empfinde ich zu meiner Ehefrau und das ist auch exklusiv für sie.

Natürlich sind mir Spielpartnerinnen dann nicht egal, ich fühle mich von ihnen angezogen und auch hingezogen. Allerdings besteht die "Vereinbarung", dass es nicht übermässig emotional werden sollte. Auch sage ich immer klar vorher schon, ich bin gebunden und im Zweifelsfall geht meine Ehe auch vor, sie muss vorgehen.

Ob das Ganze dann auch so funktioniert, das kann ich derzeit noch gar nicht sagen, Beziehungen sind dann doch in der Regel schwerlich planbar.

Ob sich irgendwann bei meiner Frau oder mir echte "Polyamorie", also Liebe zu mehreren Partnern gleichzeitig entwickelt, keine Ahnung ob es passieren kann und wie damit umgehen. Dann wäre wohl eine neue weitergehende Vereinbarung nötig.

Nun bin ich aber wieder einmal ganz schön abgeschweift...

Liebe Grüße,

Sieur

kleines-sub-Biest schrieb am 08.12.2014


Hallo Sieur,
deine Offenheit, über Entwicklung euer Beziehung, hat mich sehr beeindruckt. Danke fürs Teilen.
Wir sind jetzt schon eine Ewigkeit, verheiratet und haben auch schon vor unserer Ehe BDSM gelebt. Nein, wir haben es nicht beim Namen genannt und wir haben es immer hinter verschlossenen Türen gelebt. Es war einfacher und wir mussten uns keine Gedanken darüber machen ob wir "pervers", "abartig" oder sonst was sind.
Ja, ich wusste was wir tun und das es BDSM ist.
Da unser BDSM so lange ein Geheimnis war und auch heute noch für alle unsere Freunde, Familie und Bekannte ist. Kam uns nie die Frage, ob wir in eine Offene Beziehung wechseln.
Mein Mann hat es akzeptiert, dass ich hier und im Forum, mich angemeldet habe und über unsere Neigung spreche. Auch er hat sich hier angemeldet, aber es gibt ihm nichts mit andren sich über seine Neigung auszutauschen.
Ich wünsche euch viel Glück auf eurem Weg, dass es eine Bereicherung ist und bleibt, in euer Beziehung.
Liebe Grüße
k-s-B


Antwort auf diesen Kommentar

Hallo kleines-sub-Biest,

Gerade bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sich hier ein kleines Missverständnis handelt.

Es geht bei der "offenen Beziehung" nicht um unser Outing, dass wir offen mit aller Welt damit (mit der BDSM Neigung) umgehen. Die allermeisten ("Normalo")-Freunde wissen nach wie vor nicht darum, aber auch früher waren Vorlieben im Bett mit ihnen kein Thema, das besprochen wurde.

Auch in der Familie gingen wir damit nicht hausieren (die würden sich vermutlich alle möglichen Sorgen machen).

Dagegen haben wir beschlossen, dass gegenüber Gleichgesinnten BDSM'lern Alles frei heraus erzählt wird... Da wir hier recht Viele auch persönlich kennen, hilft das Leugnen ja auch irgendwie nichts, wo meine Frau und ich ja (zeitweise) recht eindeutig suchende Profile hier in der Com haben/hatten.

Nein, mit offener Beziehung war nur gemeint, dass wir nun weitere (Spiel-)Partner für den jeweils anderen Spielpartner tolerieren, aber das ist schon für uns ein großer Schritt gewesen.

Liebe Grüße,

Sieur

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