Interview mit Palahn
Summer: Stell dich bitte kurz vor.
Palahn: Ich
gehöre dem dominanten, männlichen und praktizierenden Teil der Neigung
BDSM an, bewohne zur Zeit die Mitte Deutschlands und altersmäßig schloss
ich vor kurzem zu der Gruppe auf, von der die einen behaupten, sie
bringe mehr merkwürdige Ideen hervor als sinnvolle Handlungen und die
anderen, nun sei man erfahren genug. Ich möchte mich weder der einen
noch der anderen Seite anschließen, sondern bin einfach nur das, was
auch vorher schon prägend war: neugierig...
Diese Neugierde hat auch
mein bisheriges Berufsleben geprägt. Eine Weile arbeitete ich als
Journalist, zur Zeit bin ich für ein Museum tätig.
Summer: Wie war deine BDSM Anfangszeit?
Palahn: Wenn es
eine definierbare BDSM-Anfangszeit in dem Sinne gab, dass ich ahnte,
worum es nun geht, dann hat die wohl doch klar einen Namen: Internet.
Davor (wenn man mal von dem berühmt-berüchtigten
Ganz-Früher-Indianer-Spielen-Und-Dann-Immer-Die-Bösen-Cowboys-An-Den-Baum-Fesseln-Dürfen
absieht) gab es eher so zufällige Stimmungen oder Bilder, die sich erst
im Nachhinein zu Zusammenhängen formen und von denen es in Berlin, wo
ich diese Anfangszeit verbrachte, sehr viele gab oder deren
Möglichkeiten, sie zu finden.
Aber deutlich wurde dies erst mit dem
Internet und der dort stets gezielter werdenden Suche oder besser des
Stöberns - welches von der Ausformung eines immer detaillierteren
Kopfkinos bis zu dem Wunsch reichte, dies auch in der Realität erleben
zu können.
Daneben oder im Sinne erster Schritte gab es vorsichtige
erste Schritte in die Realität der Berliner Szene quasi als Beobachter,
sei es mit ängstlichen Besuchen in Läden oder Clubs und damit verbunden
ersten Gesprächen - nur Gesprächen - denen ich aber meist wieder sofort
entfloh. Es war das Faszinosum eines mir verborgenen, großen, anderen
Seins, welches mich immer wieder neu anzog, welches ich mir aber nicht
traute, es zu betreten.
Die Normalität dieses Anderen brachte mir
dann wieder das Internet bei, in Form seiner Foren, von denen das der
BDSM-Ansichten sich als das - sagen wir es so - Natürlichste erwies.
Hier war dann auch die Angst weg, weil man konnte mit lauter ganz
normalen Leuten sprechen, mit ihnen alles besprechen (auch die ganz
banalen Dingen des praktischen BDSM) und die Realität wurde möglich.
Damit beginnt dann der andere Teil einer BDSM-Anfangszeit, der des
realen Spielens. Erst vorsichtig, dann mutiger, dann das aktive Hinaus
wagen in und Teilhaben an der Szene. Das alles war auch mit einer
ziemlich großen Umstellung in meinem Leben verbunden, mit einer neuen
Beziehung, zu der BDSM nun offen dazu gehört, aber weit darüber hinaus
geht.
Summer: Hast du mit deiner Neigung gehadert?
Palahn: Ja und
Nein. Ja, weil das Bekenntnis zur ihr ein langer und quälender Prozess
im Kopfe und in den Gefühlen zu nahen und sehr vertrauten Personen war,
der mein Beziehungsleben neben anderen Gründen mächtig
durcheinanderwirbelte und damit auch Lebensentwürfe auf den Kopf stellte
oder auch schlicht umstieß. Zum anderen, weil sich mit dem Bekenntnis
zu dieser Neigung etwas gelöst hat, was mein Leben vorher sehr begrenzte
und es nun freier macht: die Kraft zu haben, sich zu sich selber zu
bekennen.
Ich gehe nicht offensiv mit meiner Neigung um, aber ich
merke, dass allein mein eigenes Bekenntnis zu ihr mein Selbstvertrauen
sehr gestärkt hat. Manchmal, das mag komisch klingen, wenn man wie ich
erst relativ spät zu BDSM gekommen ist, habe ich das Gefühl, es hat mich
etwas erwachsener gemacht.
Summer: Hat sich dein BDSM von den Anfängen bis zum Jetzt verändert?
Palahn: Ja
natürlich. Am Anfang war es von beiden Seiten (also auch von meinem
Spielpartner) eher das fast schon strikte Abarbeiten von
„Bedienungsanleitungen“- also nach dem Motto „Wir machen mal das, was
wir im Internet so gelesen oder woanders gehört haben.“ Aber mit dem
Vertrauen zueinander und der größeren Erfahrung wird es kreativer, die
Spielräume werden größer (auch in dem, was wir uns beiden an Freiräumen
geben können).
Was geblieben ist, und das ist eher schön, ist die bleibende, aber nicht drängende Neugierde, was es noch gibt.
Summer: Was macht dir Spaß an der dominanten Rolle/ bzw. was bedeutet Dominanz für dich?
Palahn: Es sind zwei Seiten.
Zum einen das Gefühl der Macht und der Kontrolle, welches sich beim
realen Spiel über ein teilweise sehr komplexes Geflecht von Mimik,
Worten, Handlungen einstellt. Diese können sehr klein sein: eine
Körperhaltung, ein Satz, eine Möglichkeit, dem Gegenüber die Macht
spüren zu lassen - sei es durch Schmerz, Demütigung oder den Entzug von
eigener Kontrolle wie beispielsweise durch Fesseln. Dieses Gefühl kann
aber auch durch ein sehr langes, am Anfang völlig gleichberechtigtes
Spiel entstehen, bei dem sich beide Seiten beispielsweise auf die Suche
nach einer besonders ästhetischen Bondageform machen und in deren Rahmen
sich dann dieses Machtverhältnis wiederum herausbildet.
Die andere
Seite ist die Lust am Vertrauen. Dominanz ist für mich nur dann wirklich
Spaß, Lust und eben auch echte Erotik, wenn ich die Hingabe oder besser
eben das Vertrauen des Spielpartners ehrlich spüren kann, der sich in
meine Kontrolle begibt. Diese entsteht ebenso in den beschriebenen
kleinen oder großen Schritten, aber wenn sie da ist, dann ist das die
mir dann geschenkte Form von Dominanz, die mir sehr viel bedeutet und
genau das ist, was ich in BDSM gefunden habe. Dass der Weg dahin durch
Dominanz meinerseits vom Partner erzwungen werden muss und aber
gleichzeitig nur möglich ist durch absolut gleichberechtigtes Vertrauen
beider Seiten, das ist für mich das Faszinierende, der Spaß und die Lust
am Spiel mit der Dominanz.
Summer: Du hast deine Neigung ja erst spät entdeckt, bereust du die verpasste Zeit?
Palahn: Nun ja, ich glaube vergangene Zeit bereut man manchmal grundsätzlich, bei der Betrachtung von Konstellationen, die man nicht nutzte - das berühmte „Was hätte sein können, wenn...“ Aber eigentlich bereut habe ich die verpasste Zeit nicht, weil ich die Zeit davor nicht so erlebt habe, als ob ich einem gerade wegfahrenden Zug hinterher starrte, den ich verpasst hätte. Ich habe den Zug ja erst entdeckt und es war ebenso kompliziert wie schön, da mal einzusteigen und seitdem mitzufahren...
Summer: Was erwartest du von einer Partnerin?
Palahn: Weiß ich nicht und ich kann es kaum allgemein sagen. Es ist wirklich von der konkreten Person abhängig und ihren Leidenschaften, ihrem Charakter und, und, und. Übergreifend vielleicht nur, dass auf beiden Seiten das beschriebene Vertrauen und eine Ehrlichkeit zueinander vorhanden sein muss - wie soll sonst ein Spiel möglich sein oder beginnen können?
Summer: Womit belohnst/ bestrafst du gern?
Palahn: Für mich gibt es - vielleicht paradox - kein Unterschied zwischen Belohnung und Bestrafung, denn jede Bestrafung muss ja für den devoten Partner als Belohnung seiner Neigung empfunden werden. Sind Strafen nur noch Strafen, haben also keinen Reiz mehr im Spiel, dann sind sie langweilig und ich empfinde sie in der Vorstellung auch als abstoßend. Und eine Spielpartnerin belohnen dafür, dass sie das ist, was sie gern sein will, ist arrogant im Sinne von dumm.
Summer: Lebst du in einer monogamen Beziehung, bzw. welche Freiräume erwartest/gibst du einer Partnerin?
Palahn: Ich lebe in einer monogamen Beziehung, aber wir geben uns Freiräume im Rahmen unserer Spielbedürfnisse. Welche dies sind und wie wir sie ausformen, dieses Wissen gehört uns, weil es ein wichtiger Teil des Fundaments unserer Beziehung ist.
Summer: Hast du schon mal eine skurrile oder lustige Situation gehabt im Bereich BDSM?
Palahn: Ja, eigentlich gar nicht so selten. Vielleicht eine Geschichte:
Letztes Jahr hatten wir uns (meine feste Partnerin und ich) über
Weihnachten in eine wunderschöne Ferienwohnung mit Spielzimmer
eingemietet. Am Vormittag des ersten Weihnachtstages haben wir ein
ziemlich experimentelles Bondage mit viel Seil an einem Stahlbett in
ungewöhnlicher Position und mit anschließender Züchtigung der
Begünstigten gewagt - plötzlich fiel uns bei kurzzeitigem Nachlassen des
Eifers auf, das währenddessen der Fernseher immer noch lief (in dem
Raum stand ein sehr großer Bildschirm, der die rot-schwarze Dunkelheit
des Raumes wundervoll beleuchtete) und zwar die Papstmesse, in der der
arme, alte Benedikt gerade über die Unbedachtheit und Freizügigkeit der
Menschen jammerte. Das war der erste Lacher. Und als dann am Ende des
Spiels pünktlich die kratzende Stimme aus Rom auch uns ein weihevolles
Urbi et Orbi zurief, war das Kabarett vollständig und Weihnachten konnte
nicht schöner sein...
Summer: Hast du dich geoutet, bzw. weiß jemand von deiner Neigung?
Palahn: Niemand, der es nicht wissen sollte. Das heißt, ein paar wenige, sehr gute Freunde wissen es, mit denen es aber auch sonst keine Geheimnisse gibt. Habe aber auch nicht das Bedürfnis, mich zu outen.
Summer: Welchen Stellenwert hat BDSM in deiner Beziehung/ in deinem Leben?
Palahn: In meiner Beziehung einen wichtigen, weil wir unsere Sexualität bzw. unsere Lust darüber ausleben. In meinem Leben ist es ein ebenso wichtiger Bestandteil wie wohl Sexualität im Leben aller Menschen - egal wie sie sie ausleben - ein wichtiger Bestandteil ist.
Summer: Wie wichtig ist dir der Austausch mit anderen BDSM`lern?
Palahn: Wichtig, weil diese Neigung nun einmal zu mir gehört und ich im Austausch mit anderen BDSM’lern meine nach wie vor vorhandene Neugierde hierüber weiter befriedigen kann. Und auch wichtig, weil ich hier (also in den Foren, auf Partys etc.) - BDSM hin oder her - bisher lauter liebe, interessante, lustige oder schlicht sympathische Menschen kennengelernt habe, die neben ihrer Neigung ja auch wiederum ihre Geschichten, ihr eigenes Leben haben. Und das finde ich immer schön und das ist für mich auch BDSM.
Summer: Was würdest du Anfängern raten?
Palahn: Reden, Reden, Reden. Lesen, Lesen, Lesen.
Und ja, es gibt Spielregeln, die sollen gelten und auf die soll man
achten. Und dabei nie den eigenen Verstand vergessen. Und irgendwann
einfach vergessen, dass man Anfänger sei. Ist nämlich egal.
Summer: Ich bedanke mich bei dir für deine Mühe und Offenheit bei der Beantwortung der Fragen.